Die Zahl der Wohnungsnotfälle nimmt zu – Stadt steuert dagegen
Ende 2018 wurden in Dorsten 61 Zwangsräumungen registriert. Bundesweit gibt es jährlich rund 60.000 Zwangsräumungen. Die Zahl der Wohnungsnotfälle in Dorsten, also der Menschen, die von Zwangsmaßnahmen wegen Zahlungsunfähigkeit bedroht sind, liegt ungleich höher. Ende 2018 waren es 194 Fälle. Gründe, warum Menschen in Wohnungsnot geraten können, sind mannigfach: Arbeitsplatzverlust, Schulden und andere finanzielle Probleme, Wohnungsknappheit, häusliche Gewalt, Trennung oder Scheidung, Erkrankungen, Haftentlassung, psychische Probleme und Anstieg von Mieten. Da die Verhinderung von Obdachlosigkeit laut Gesetz eine Pflichtaufgabe der Stadt Dorsten ist, setzt die Sozialverwaltung auf präventive Maßnahmen. Die Angebots- und Nachfragestruktur auf dem Dorstener Wohnungsmarkt hat sich durch den Zuzug Geflüchteter verändert. Der Markt kann die Nachfrage anerkannter Flüchtlinge nach kleinen Single-Wohnungen nicht mehr befriedigen. Daher werden von diesem Personenkreis gemeinsame größere Wohnungen angemietet, was dann wieder zu Problemen innerhalb der Wohngemeinschaft führen kann und die Miete für den Mieter dann zum Problem werden kann. Daher plant die Stadt 2019 den Aufbau eines „Poolmanagements“: Die Kooperation mit der Dorstener Wohnungswirtschaft soll ausgebaut werden, private Vermieter sollen eingebunden werden, um mehr sozial geförderte und frei finanzierte Wohnungen zu akquirieren. – Zahlen der Zwangsräumung von Wohnungen in Dorsten: 2010: 43 – 2011: 26 – 2012: 34 – 2013: 36 – 2014: 46 – 2015: 40 – 2016: 58 – 2017: 65 – 2018: 61.
Zwangsräumungen in NRW
Mietschulden: Tausende Menschen haben 2022 ihr Zuhause verloren
Tausende Menschen in Nordrhein-Westfalen haben im Jahr 2022 ihre Wohnung durch eine Zwangsräumung verloren. 8690 Wohnungen wurden in NRW zwangsweise geräumt. Die Zahl blieb damit im Vergleich zu 2021 etwa gleich (8656). Mietschulden sind die häufigste Ursache für den Wohnungsverlust. In NRW wurden mehr Zwangsräumungen als in allen anderen Bundesländern vollstreckt. In keinem anderen Bundesland gibt es täglich derart viele Zwangsräumungen wie in Nordrhein-Westfalen. Die Opposition im Düsseldorfer Landtag schlug 2024 Alarm und verlangte Auskunft über die Hintergründe. – Die extrem hohe Zahl an Zwangsräumungen an Rhein und Ruhr sorgt für kritische Nachfrage der SPD-Landtagsfraktion bei der schwarz-grünen Landesregierung. Auslöser war eine Zusammenstellung des Bundesjustizministeriums auf eine Anfrage eines Bundestagsabgeordneten der Partei Die Linke. Demnach gab es im Jahr 2022 absolut betrachtet in Nordrhein-Westfalen mit 8690 die meisten Zwangsräumungen bundesweit. Das waren statistisch 23,81 pro Tag. Auf den ersten Blick nicht weiter verwunderlich, leben doch in NRW mit rund 18 Millionen die meisten Einwohner. Allerdings ist der Abstand zu den anderen Ländern mehr als deutlich: Im Vergleich zum zweitplatzierten Bayern (2579) führten die Gerichtsvollzieher in NRW dreimal mehr Räumungen durch. Bezogen auf die Einwohnerzahl gab es in keinem anderen westdeutschen Flächenland mehr Menschen, die mit Zwang aus ihren Wohnungen entfernt wurden. In der Fachsprache wird eine Zwangsräumung auch Delogierung genannt.
„NRW ist trauriger Spitzenreiter bei Zwangsräumungen“, sagte SPD-Fraktionsvize Sarah Philipp. Sie kritisierte, dass hierzulande überproportional viele Menschen ihrer Wohnungen verwiesen wurden. „Fast jede dritte Zwangsräumung erfolgte hier, obwohl nur rund ein Fünftel aller Einwohner Deutschlands in Nordrhein-Westfalen leben.“ Das sei ein Indiz für verfehlte Wohnungs- und Sozialpolitik.
Angehäufte Mietrückstände sind ein unüberwindbarer Berg
Der Deutsche Mieterbund NRW nannte es „auffällig und erschreckend“, dass NRW so überproportional von der Problematik betroffen sei. Der Landesvorsitzende Hans-Jochem Witzke sagte: „Bei dieser für die Menschen wirklich harten Maßnahme muss immer die Frage mitgedacht werden: Wo räumen wir die Menschen hin? Es geht darum, Obdachlosigkeit zu verhindern – die im Übrigen die Gesellschaft viel teurer zu stehen kommt.“ Die großen Wohnungsunternehmen sollten deshalb präventiv viel früher ansetzen, verlangte er. „Schon wenn die erste Miete ausbleibt, muss es einen echten Kontakt zum Mieter geben, um nachzuforschen, was da los ist. Denn wenn sich erst einmal mehrere Monate Mietrückstände angehäuft haben, entsteht daraus ein unüberwindbarer Berg.“ Die Wohnungswirtschaft sei deshalb gut beraten, sich mit der Sozialverwaltung viel enger zu vernetzen. Witzke wies zugleich darauf hin, dass viele Wohnungsunternehmen eine derartige Größe erreicht hätten, dass die Gegebenheiten vor Ort kaum noch bekannt seien. „Die Sachbearbeiter in den Callcentern kennen die Objekte nicht und sehr viel weniger die Menschen, die darin wohnen.“
Vom Bund fordert der Mieterbund zudem Änderungen bei den rechtlichen Gegebenheiten beim Mieterschutz: „Derzeit können säumige Mieter eine fristlose Kündigung dadurch abwenden, dass sie innerhalb einer Schonfrist doch noch die Zahlung leisten. Dann wird die fristlose Kündigung gegenstandslos.“
Quellen: Nach Claudia Engel in der DZ vom 16. März 2019. – Maximilian Plück in RN vom 16. April 2024 (dpa).