Historisches Rentei-Gebäude steht heute noch an der Vehme
Die Stadt Dorsten ist auf dem Grund des ehemaligen kaiserlichen freien Reichshofes erbaut, dessen Einkünfte um die Mitte des 11. Jahrhunderts an das Xantener Stift übergingen. Für die bei der Bildung der Freiheit Dorsten vorhandenen Grundstücke mussten Abgaben (auch Naturalien) weiter entrichtet werden. Für Häuser wurde die Zahlung eines kleinen Geldstücks („Müschelchen“) auferlegt. Daher gab es einerseits die Abgaben für im Stadtgebiet liegende Ackerstücke, andererseits der als „Müschelchen“ bezeichnete Fahr- oder Kutscherzins von einer Anzahl der Häuser.
Wer pünktlich seine Abgaben zahlte, erhielt als Belohnung ein Glas Wein
1292 schenkte der Dorstener Pastor Macharius ein von Debold erworbenes, zwischen dem Stadttor und der Wehme gelegenes Grundstück (heute: „An der Vehme“) mit dem von ihm darauf erbauten so genannten Xantener Speicher, der Empfangs- und Lagerungsstätte für Abgaben an das Kapitel Xanten war. Neben diesem Abgabehaus gab es noch andere Gebäude wie Scheunen und Stallungen. Die Spykerstraße führte früher für Fuhrwerke direkt vom Stadttor zum Speicherhaus. Noch im 18. Jahrhundert musste von vielen in der Nähe der Stadt gelegenen Grundstücken eine jährliche Abgabe in Naturalien oder Geld an die Xantener Rentei entrichtet werden. Für etliche Häuser in der Lippestraße, der Essener Straße, an der Blindestraße (Ursulastraße) musste an Christi Himmelfahrt das Müschelchen bezahlt werden, wozu der Pfarrer von der Kanzel erinnerte. Denn wer den Abgabetag verpasste oder nicht zahlen wollte, für den verdoppelte sich täglich – sogar stündlich – die Abgabesumme, bis mitunter das ganze Haus, für das Abgaben bezahlt werden mussten, dem Kapitel in Xanten gehörte. Wer aber pünktlich zahlte, erhielt als Belohnung ein Glas Wein, das damals etwa zehnmal teurer war, als die Abgabe. In einer Zusammenstellung der Einkünfte des Xantener Stifts geht hervor, dass Dorsten innerhalb von zehn Jahren 2.878 ¾ Malter Roggen eingebracht hatte.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts verfallen und abgerissen
Der Speicher (Spieker) war ursprünglich der große Kornspreicher, in dem der Pächter die Naturalabgaben der abgabepflichtigen Höfe so lange pfleglich zu behandelt hatte, bis das Getreide vom Stift Xanten zur Versorgung der Kanoniker abgerufen oder nach Weisungdes Kapitels zum günstigstebn Marktpreis verkauft wurde. Gewartet wurde der Speicher von Hofesfron, der, wie vielfach bezeugt, im Soeicher wohnte. 1466 wurde der Speicher, der bis dahin wohl ganz aus Holt bestand, mit einem steinerenen Unterbau versehen. Seine Unterhaltung war Sache des Schulten. 1670 wurde der Speicher durch Ankauf erweitert. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war er so verfallen, dass er nicht mehr instand gesetzt werden konnte. Zu dieser Zeit war seine Zweckbestimmung auch hinfgällig, da in jener Zeit die Abgaben nur nich in Geld geleistet wurden.
Die Scheunen des Xantener Speichers wurden abgerissen und das Rentei-Gebäude Mitte des 17. Jahrhunderts neu erbaut. Das Haus übernahm nach der Säkularisation die arenbergische Regierung. Nachdem Dorsten zuerst französisch, dann 1816 preußisch geworden war, blieb der Xantener Speicher im Besitz der Herzöge von Arenberg. 1878 verkaufte die herzoglich-arenbergische General-Domainen-Inspection das Haus an den Dorstener Schiffbauer Bernard Stewing, von dessen Familie (heute Jägering) das Haus noch bewohnt wird.
Speicher dienten der sicheren Aufbewahrung
Solche Speicher – wie der in Dorsten –, die sich auf fast allen größeren Höfen des Stifts Xanten befanden, hießen ursprünglich Berg (tigurium). Dabei mag es sich meist um eine Art Feldscheune gehandelt haben, wie der Historiker Albert Steeger herausgefunden hat, was daraus hervorgeht, dass das für sie erforderliche Holz in Xanten selbst bearbeitet, an den Ort seiner Bestimmung geschafft und dort erst zusammengesetzt wurde. Diese Scheunen standen meist auf einem Friedhof, also auf einem geweihten Platz, der vom Stift Xanten als besonderer Schutz gegen Diebstahl oder Eingriffe weltlichrer Amtspersonen betrachtet worden zu sein scheint. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass man den Holzbau dort errichtete, um in Kriegszeiten neben der Zufluchtsstätte auch gleich den nötigen Proviant bei sich zu haben.