Der Dorstener Magistrat beschränkte die Zahl der Schafe
Das Wollgewerbe in der Stadt und den angrenzenden Herrlichkeitsdörfern sowie im gesamten Vest war früher bedeutender als das aus der Geschichte her bekanntere Leinengewerbe. Urban Drecker begründet diesen Umstand im HKL damit, dass hier „eine beträchtliche Schafzucht herrschte“ und in den umliegenden Gebieten Münsterland, Kleve und die Mark dieses Gewerbe keine große Rolle spielte. Die Wolle aus dem Vest Recklinghausen hieß zum Unterschied von der münsterschen Wolle auch „Emscher Wolle“.
Schafherden waren im ausgehenden Mittelalter stark verbreitet. Bauern hielten Schafe, um Wolle für den Eigenbedarf zu haben, auch Stadtbürger besaßen größere Schafherden. Die Zahl der Tiere nahm zu. Daher bestimmte der Dorstener Magistrat 1592: „[…] auch soll hinfurter kein Bürger Einhalt unseres Statuti, mehr nit als 25 Schafe uf der Stat Gemeinde Halden und in Dursten in- und austreiben lassen.“ 1605 ergab eine Zählung in der Stadt rund 400 Schafe. Aus der Schur entstand ein einträgliches Wollgewerbe, auch für die Stadt. Diese verpachtete die Wollwaage jährlich an den Meistbietenden, der beispielsweise im Jahre 1632 über 50 Taler zahlte, im Jahr 1716 über 24 Taler und 1743 über 17 Taler.
Erstkaufrecht der einheimischen Tuchhändler
Obwohl das Wollgewerbe durch dauernde Kriegszustände bereits im Niedergang begriffen war, hatte die Stadt im Jahre 1783 durch Verpachtung der Schafwiesen (Schafhutschaft) noch Einnahmen. Das Stadtsfeld brachte 108 Taler, die Stadtwälle innerhalb der Mauern 6 Taler und die Lünsingkuhle 8 ½ Taler jährlich. Eine Wollgewerbe-Gilde (Wandmacher) bestand von 1526 bis 1806. Keinem Gewerbe haben die Kriegsjahrhunderte mehr geschadet als der Wollweberei. Mitte des 18. Jahrhunderts herrschte im Vest eine große Wollnot. 1744 beschwerten sich die Wollweber in Dorsten, Recklinghausen und Buer beim Kurfürsten von Köln, darüber, dass die Wolle der Schafhalter außerhalb des Vests verkauft werden würde und der hiesige „ländliche Wand- und Tuchmacher […] das ganze Jahr hindurch müßig sitzen müsse und keine Heller gewinnen“ könne. Sie baten den Erzbischof, dass der Export von Schafwolle aus dem Vest künftig verboten werde. Dem folgte der Landesherr und verfügte, dass die einheimischen Tuchhändler drei Wochen lang das Erstkaufrecht erhalten sollen.
Zahlen der Schafe schwankte stark
1807 gab es im Vest Recklinghausen rund 14.800 Schafe, 1818 im darauf folgenden preußischen Kreis Recklinghausen 24.000 Schafe; im Jahre 1900 gab es nur noch 4.318 Schafe. In der Herrlichkeit Lembeck wurden ab 1825 die Schafe gezählt. In diesem Jahr gab es 9.613 Schafe, 1915 nur noch 222, 1922 schon wieder 453, 1945 sogar 1.061 und 1957 nur noch 107. 1854 plante die Regierung in Münster, neben dem bereits bestehenden Wollmarkt in Paderborn einen zweiten in Dorsten einzurichten, was nicht umgesetzt wurde. Der Grund ist nicht bekannt. Die Schlossherren von Lembeck bewilligten 1569 den Wulfener Wollwebern die Gilderechte, 1654 und 1674 wurden diese Rechte erneut bestätigt. Neben den Wollwebern gab es noch die Gilden der Wandmacher, die Leinwandweber und die Blaufärber. Wulfener Laken waren weithin im Lande hoch geschätzt. Das noch im Besitz des Heimatbundes der Herrlichkeit befindliche Gildebuch wurde bis 1863 geführt. 1839 sollen in der Herrlichkeit Lembeck noch 157 Webstühle gestanden haben.
500 Merino-Schafe grasen auf dem Lippe-Deich
Seit 44 Jahren ist der Schäfer Heinz Hüppe (Jahrgang 1928) mit Schafen unterwegs; in den letzten zehn Jahren mit rund 500 Merino-Schafen entlang der Lippe zwischen Dorsten und Haltern-Lippramsdorf. Ihm helfen die Hirtenhunde „Greif“ und „Barry“. An 365 Tagen im Jahr sind Schafe des Schäfers Heinz Hüppe im Einsatz an den Lippe-Deichen meist von Mitte April bis Mitte November. Für den Lippeverband eine wichtige Partnerschaft, denn Hüppes 500 Merinoschafe sorgen mit ihren Hufen für eine gute Verdichtung des Deichbodens und somit für präventiven Hochwasserschutz. Die „Schafsköttel“ sind zudem ein hervorragender Dünger und die Schafe natürliche Rasenmäher. Je nach Höhe des Bewuchses legen sie bis zu drei Kilometer am Tag zurück. Ein Problem für die Herde sind nicht angeleinte Hunde. Bei den meisten kommt der Jagdinstinkt durch und sie hetzen die Schafe. Daher sollten Hunde im Naturschutzgebiet nicht ohne Leine laufen dürfen. Auch die Hinterlassenschaften von Hunden können für Schafe gefährlich sein, da die Viren im Hundekot unter Umständen bei Schafen schwere Erkrankungen auslösen.
Vielleicht ist Stratmann bald der letzte vollerwerbstätige Schäfer im Kreis
2019 ist im Kreis Recklinghausen der Waltroper Heinz-Josef Stratmann (Jg. 1967; Foto: Anna Lisa Oehlmann, DZ) noch einer der einzige vollerwerbstätige Schäfer. Sein Berufsstand ist vom Aussterben bedroht. Er ist Tierwirtschaftsmeister mit Schwerpunkt Schafhaltung, heute heißt es Tierwirt, und ist ein dreijähriger Ausbildungsberuf. Ein Blick in die Statistik 2018 des Landesamts NRW zeigt, dass sich die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe mit mindestens 20 Schafen innerhalb des vergangenen Jahres von 1160 auf 1150 reduzierte. Allerdings gab es Anfang November 2018 in den nordrhein-westfälischen Betrieben mit Schafhaltung rund 139.700 Schafe. Damit stieg der Bestand um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Sechs Jahre verbringen die Tiere im Schnitt bei Stratmann, bevor er sie an Händler verkauft. Er besitzt Merino- und Bentheimer Landschafe. Letztere ist eine vom Aussterben bedrohte Hausschaf-Rasse.