Die letzten Wölfe im Vest wurden 1828 in Lembeck und Haltern erlegt
Von Wolf Stegemann – Die Wölfe in Deutschland vermehren sich derzeit rasant. Mehr als 23 Rudel streunen derzeit durch die Republik. Das sind rund 120 Wölfe. Die Tiere galten als bösartige und mit dem Teufel verbündete Tiere. Am 26. September 1826 wurde in der Bauerschaft Specking zu Lembeck ein alter Wolf erlegt, der sich in diese Gegend infolge eines vorangegangenen strengen Winters verlaufen hatte. Auf Anordnung der Regierung erlegten Jäger zwei Jahre später die letzten beiden Wölfe in Lembeck und Haltern. Es waren auch die letzten Wölfe im Vest Recklinghausen.
Tote Wölfe wurden aus mythologischen Gründen in die Dorflinde gehängt
Kam die Nachricht, dass in der Umgebung ein Wolf gesichtet worden war, so bangte jeder um sein Vieh. In der Ortschronik von Hünxe heißt es 1583, dass der „griese Hond“, der Wolf, sich wieder stark vermehrt. Sobald in einem Bezirk ein Wolf aufgespürt wurde, ordnete die zuständige Behörde die Wolfsjagd an. Dazu wurde durch Läuten der Kirchenglocken aufgefordert. Jeder Untertan war dann verpflichtet, an der Wolfsjagd teilzunehmen. Das Nichterscheinen wurde mit Strafe belegt. Befreit waren nur die Bauernmeister, die Schöffen, die Geistlichen und die Adligen. Wurde ein Wolf erlegt, so trug man das tote Tier im Triumphzug durch das Dorf und hängte es einige Tage lang zur Schau an die Dorflinde. Wölfe wurden in Wolfsgruben, mit Netzen und so genannten Wolfsangeln gefangen. Eines dieser Wolfsnetze aus dem 16. oder 17. Jahrhundert hängt seit 2002 in der Eingangshalle des Hünxer Rathauses. Es ist 200 Meter lang, zwei Meter breit, 300 Kilo schwer und aus bleistiftstarkem Hanfseil geflochten.
Wolfswelpen gefangen und getötet
1651 schrieb der Vestische Statthalter in Horneburg an die Stadt Dorsten, dass sie Hanfseile für Wolfsnetze zur Verfügung zu stellen hatten:
„… hiermit dienstlich zu ersuchen, die wollen dem gemeinen Wesen zum besten der Stadt Wolffsgarne hierzu verleihen und die willfahrliche Erklärung zeigen sich dero Churfürstlichen Durchlaucht meines gnedigsten Herrn hiesigen Wildschützen zu fernerer Verordnung zu ertheilen, in dero Zuversicht verbleibe ich nepst Göttlicher Empfehlung E. Edelg. hochachtend […] Euer edlen, ehrenvesten ersamen, hochachtbaren Weisheiten dienstwilliger V. Fabritius“
Einen Hinweis zum Wolfsnetz gibt es auch im Archiv von Schloss Gartrop aus dem Jahre 1664:
„Wegen der Wolfsjagden wollen sich die Häuser Krudenburg und Gartrop bemühen, dass von den Eingesessenen eines jeden Gerichtes Wolfsgarne nach Größe der Matricel gemacht werden.“
In den Jahren 1764 und 1765 gab es in Oer große Aufregung, weil Wölfe auf einmal „7 Stück Rindvieh“ des Bauern Riedbrock „zu Schanden gemacht, von den vielen Schafen nicht zu reden, welche durch dieselben verloren gingen“. 1766 gab es daher eine so genannte Klopfjagd der Eingesessenen. Außer dass vier Wolfswelpen gefunden und getötet wurden, blieb die Jagd ergebnislos.
Treiber wurden zwangverpflichtet und mit Heugabeln bewaffnet
1796 richtete der klevische Landjäger Timmermann an den Vestischen Statthalter in Horneburg eine Eingabe, in welcher der Jäger darauf hinwies, dass sich wechselweise im Vest Recklinghausen und in den angrenzenden königlich-preußischen Orten zwischen der Lippe und Emscher Wölfe aufhalten, die den Untertanen Schaden brachten und in der Folge noch mehr anrichten könnten, wenn das Raubtier nicht durch zweckmäßige Wolfsjagden erlegt oder aus den hiesigen Gegenden entfernt würde. Der Landjäger hielt die Zeit des Frühjahrs für eine Wolfsjagd für geeignet. Timmermann schrieb weiter, dass er wegen einer Wolfsjagd bereits eine Unterredung mit dem Oberförster Randebrock aus Holsterhausen gehabt habe.
Daraufhin verfügte der Statthalter, dass die Wolfsjagd am 17. Mai 1797 stattfinden solle und verordnete, dass die Jäger nur Schrot und keine Kugeln zu laden hätten, um jede Gefahr des „Anschusses von Menschen“ zu verhüten. Die Treiber sollten nur mit Heugabeln bewaffnet sein, „nicht mit Schießgerät“. Aus den Kirchspielen Kirchhellen, Gladbeck, Bottrop und Osterfeld wurde aus jedem Haus ein Mann zur Jagd bestellt, und zwar durch Verlesung von der Kirchenkanzel. Wer dem Aufruf nicht folgte, wurde mit der Zahlung von einem Goldgulden bestraft. Trotz aller umfassenden Absperrungen des Hünxer Waldes von Gahlen und Gartrop bis Hünxe und zum Sterkrader Wald verlief die Jagd ergebnislos. Auf der Verfügung des Statthalters steht als Marginalie: „NB. Der Wolf ist nicht in die klevischen Garne gefangen worden.“ Doch erlegt wurde er dennoch. Denn der bereits angeschossene Wolf flüchtete vor den Treibern über die Lippe in die benachbarten Wälder von Lembeck, wo er von bereits wartenden Jägern zur Strecke gebracht wurde. Im 19. Jahrhundert kamen wieder Wölfe in das Waldgebiet des Vests Recklinghausen. Im Amtsblatt des Regierungspräsidenten Münster, Jahrgang 1828, steht:
„Zwei Wölfe, die acht Tage lang in den Kreisen Lüdinghausen, Koesfeld und Recklinghausen unter den Schafherden bedeutende Verwüstungen anrichteten, sind, nachdem ein gemeinsames Treibjagen auf sie, aber ohne Erfolg, angestellt worden, der eine vom Schäfer Bernhard Stevemeyer im Kirchspiel Haltern, der andere ebenfalls in der Bürgermeisterei Lembeck glücklich erlegt worden.“
Letzter Wolf in Westfalen 1839 zur Strecke gebracht
Auf dem Gebiet des heutigen Landes NRW wurde der letzte Wolf 1839 zur Strecke gebracht. Etliche Gemeinden führen in ihren Wappen Wolfsköpfe (z. B. Wulfen) oder Wolfsangeln wie Gladbeck, Kirchhellen, Bottrop, Erwitte, Gahlen u. a. In Recklinghausen gibt es ein Restaurant mit dem Namen „Zum letzten Wolf“. Der Heidedichter und Verfasser des Romans „Der Werwolf“, Hermann Löns, hat auf seinen Grabstein in der Lüneburger Heide eine Wolfsangel eingemeißelt bekommen. Ansonsten gehört die Wolfsangel in der Bundesrepublik zu den verbotenen Emblemen, weil sie ein Erkennungszeichen für Rechtsextremisten ist. Heute werden Wölfe wieder ausgewildert. Es gibt deutschlandweit rund 60 frei lebende Wölfe. Sie gehen oft bis zu 1.500 Kilometer, um einen Partner/eine Partnerin zu finden. Im Mai 2009 hatte in Sachsen-Anhalt eine Wölfin fünf Junge geworfen, 2010 wurden in Borgenteich (Kreis Höxter) DNA-Spuren eines Wolfes entdeckt, der Schafe gerissen hatte.
Rückkehr der Wölfe in die heimische Wälder – sie stehen unter Schutz
Die Europäische Union hat 1992 in der so genannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie festgelegt, dass Wölfe zu den streng geschützten Arten zählen und die EU-Mitgliedsstaaten angehalten sind, die Rückkehre der Wölfe auf ihr Staatsgebiet zuzulassen. Das Schießen von Wölfen ist verboten. Zuwiderhandlungen werden durch die Staatsanwaltschaften verfolgt. Von der Vermehrung er Wölfe sind Jäger und Bauern wenig begeistert. 2013 wurden bundesweit 21 Übergriffe von Wölfen gemeldet, bei denen 56 Schafe und Ziegen gerissen wurden. Die Behörden in NRW bereiten sich 2014 auf die Rückkehr von Wölfen in die heimischen Wälder vor. Jungwölfe aus Niedersachsen können die Grenzen streifen und sich in NRW ansiedeln. Die Rückkehr der Wölfe nach Deutschland sei einer der größten Artenschutzerfolge der letzten Jahre, war aus dem NRW-Umweltministerium zu erfahren. Daher könne der Wolf hier bleiben, wenn er komme.
Vom Wolf zum Hund: Weltältestes Fossil in Deutschland entdeckt
Übrigens stammen unsere Hunde, heute meist Kuschel- und Schoßhündchen, vom Wolf ab. Das ist längst bekannt. Nicht bekannt war bis jetzt, wo und wann der Wolf zum Hund wurde. 2016 wurde eine Studie veröffentlicht, die erstmals angibt, wann Wölfe zu Hunden domestiziert wurden, vermutlich zu zwei unterschiedlichen Zeiten: Vor 15.000 Jahren in Europa und dann unabhängig davon noch einmal 2500 Jahre später in Ostasien. Somit ist der Hund entstanden, bevor der Mensch sesshaft wurde. Nach aktuellem Stadt stammt das weltweit älteste, sicher einem Hund zugeordnete Fossil aus Bonn-Oberkassel, wo es in einem Steinbruch entdeckt wurde – zusammen mit den Überresten eines Mannes und einer Frau. Alle drei Gefährten sind 15.000 Jahre alt.
Bundesweit gibt es etwa 500 Wölfe
Seit im Jahr 2000 wieder ein erstes Wolfsrudel in Deutschland nachgewiesen wurde, hat die Wolfspopulation deutlich zugenommen. Bundesweit gibt es mehr als 60 nachgewiesene Wolfsrudel. Bei durchschnittlich sieben Mitgliedern pro Rudel sind das zusammen mit den Einzeltieren um die 500 Wölfe (Stand Anf. 2018). Im Bundesnaturschutzgesetz ist festgelegt, dass der Wolf als geschützte Art nicht geschossen werden darf – das Gesetz lässt jedoch Ausnahmen zu. Dazu zähle unter bestimmten Bedingungen etwa ein „Problemwolf“.
Wölfe dürfen wieder abgeschossen werden
Das Bundeskabinett brachte Ende Mai 2019 eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes auf den Weg. Demnach dürfen Wölfe künftig getötet werden, wenn ein „ernster“ Schaden vorhanden ist oder droht. Bislang ist das nur bei „unzumutbarer“ oder „existenzgefährdender“ Belastung erlaubt. Genehmigungsbehörde für den Abschuss eines verhaltensauffälligen Wolfs ist die Untere Landschaftsbehörde. Falls ein Wolf auffällig wurde, kann eine Abschussgenehmigung erteilt werden. Für den Schützen problematisch ist es dann, in einem Rudel den Problemwolf herauszufinden. Wenn dann der falsche Wolf abgeschossen wird, und danach wieder gerissenes Nutzvieh aufgefunden wird, kann mit Genehmigung der nächste Wolf abgeschossen werden … und so weiter.
Siehe auch: Wildschweine
Siehe auch: Füchse
Siehe auch: Jagdrecht
Siehe auch: Wolfsland Schermbeck