Die Schule ein Bollwerk gegen die Trunksucht und Prasserei
Volksschulen waren ein Bollwerk für Religion, Sittlichkeit und Zucht. In mehreren regionalen Lehrer-Konferenzen der Volksschulen, die in Dorsten um die Jahrhundertwende des letzten Jahrhunderts stattfanden, behandelten die Lehrer Themen wie Prügelstrafe und ihre Anwendung, oder Schulzucht und Sittlichkeit, die Trunksucht in den arbeitenden Klassen sowie das Glück der maßvollen Zurückhaltung. Es wurde aber auch der Kampf aufgenommen gegen die gottlosen Umstürzler und vaterlandslosen Gesellen, denen die Volksschule eine Barriere bilden müsse. Lehrer aus Dorsten nahmen an diesen Konferenzen teil. Die Chronik der Antoniusschule in Holsterhausen liefert Bericht über das, was damals beschlossen wurde und das bei der Lektüre heute sicherlich Stirnrunzeln und Kopfschütteln verursacht. Wir haben den Teil der Chronik hier in den Artikeln Volksschulen I bis VII wiedergegeben und die damalige Schreibweise beibehalten.
Frauen der arbeitenden Klasset haben große Schuld am Verderben
Am 28. Juni 1899 fand im Hotel Schlenke in Dorsten eine weitere Kreiskonferenz statt mit dem Vortragsthema: „Der reiche Prasser. Was kann die Schule zur Bekämpfung der Trunksucht beitragen?“ Als Leitsätze wurden erarbeitet:
- An der Entsittlichung vieler Menschen, an der Fülle der Zucht-, Kranken- und Irrenhäuser, an der großen Zahl der Selbstmorde, an der Zerstörung des Familienglückes, an Armut und Bettelei, an Arbeitsscheu und Landstreichertum trägt zum größten Teil der übermäßige Genuß geistiger Getränke, namentlich des Branntweines, die Schuld (Weber).
- Angesichts dieses Elends haben Geistliche, Ärzte, Juristen, Armenpfleger und Gefängnisgesellschaften, überhaupt alle denen wahres Menschenwohl am Herzen liegt, um diese große in weiten Kreisen Verderben anrichtende Übel mit allen zu Gebote stehenden Mittel, durch inniges, uneigennütziges Zusammenwirken zu bekämpfen.
- Wenn in der Jugend die Zukunft liegt, so ergibt sich daraus für unsere Volksschule die heilige Pflicht, in diesem allgemeinen Kampfe nicht unnütz dazustehen, sondern im Interesse der Kirche, des Staates und der Familie an den großen edlen Werken nach Kräften und den Kampf gegen die Trunksucht auch auf ihre Fahnen zu schreiben.
- Die Schule ist zwar nicht im Stande, eine ganz abgeschlossene, gegen die Gefahren der Trunksucht völlig gefestigte Charakterbildung zu geben; sie kann aber durch Unterricht und Erziehung der täglich mehr und mehr um sich greifenden Genusssucht mit Erfolg entgegen arbeiten und durch den Aufbau eines guten Fundamentes die Bestrebungen der Mäßigkeitsfreude wirksam unterstützen.
- Unter allen Unterrichtsfächern ist namentlich der Religionsunterricht dazu berufen, das sittl. Verhalten des Menschen zu regeln und in die rechten Bahnen zu lenken; Katechismus und Bibl. Geschichte geben dem Lehrer daher die besten Waffen zum Kampf wider das Laster der Trunksucht.
- Auch beim Unterricht in den übrigen Fächern, im Deutschen, im Rechnen, in der Geschichte und Geographie, namentlich im Naturkunde Unterricht ist dem Lehrer reichlich Gelegenheit geboten, auf die verderblichen Folgen der Trunksucht und auf den Segen der Mäßigkeit und Enthaltsamkeit hinzuweisen und von der übermäßigen Genusssucht der heutigen Zeit in den Herzen der Kinder Abscheu zu erwecken.
- Die Hauptarbeit auf dem Gebiete der Mäßigkeitsbestrebungen fällt den Lehrern der älteren Schüler zu, aber auch den Lehrern der Kleinen ist es vergönnt, an dem Kampfe teilzunehmen, und gegen deren Alkohol zu ziehen, dann müssen sich auch die Erzieherinnen der Mädchen in die Kampfreihen stellen, weil in heutiger Zeit vielfach die Frauen, namentlich die Frauen der arbeitenden Klassen, einen großen Teil der Schuld an dem Verderben tragen.
- Der Lehrer kann aber nur dann erfolgreich zur Förderung der Mäßigkeitssache beitragen, wenn er selbst bestrebt ist, seinen Schülern wie deren Angehörigen und der ganzen Schulgemeinde in Wort und Tat das hell leuchtende Vorbild eines enthaltsamen Wandels zu sein.
Antonius-Schulchronik nennt nur noch die Vortragsthemen
Mit dem Jahrhundertwechsel hört im Jahre 1900 die Berichterstattung in der Chronik der Antoniusschule in Holsterhausen über die aus den Vorträgen auf den Konferenzen erarbeiteten Richtlinien für Schule, Lehrer und Kinder auf. Es werden nur noch Ort, Datum und Vortragsthemen genannt. Am 19. März 1900 fand die Frühjahrskonferenz in Dorsten statt. Die Lehrer widmeten sich gleich zwei Themen: „Der Verkehr des Lehrers mit den Behörden“ und „Wie erzieht die Schule zum Anstand und zur guten Sitte?“ Zur Kreiskonferenz trafen sich die Lehrer am 25. Juni in Dorsten und hörten den Vortrag „Die Pflichttreue weckt, nährt und belebt die Berufsfreudigkeit“ [des Lehrers]. Am 7. November tagte die Bezirkskonferenz in der Schule zu Wenige (könnte vielleicht die Wenge gemeint sein?), wo die Anweisung der königlichen Regierung verkündet wurde, dass Schüler über Tuberkulose, Mund- und Zahnpflege sowie über die „Schädlichkeit des Alkohols“ zu unterrichten seien. Die Kreiskonferenz am 24. Juni 1901 im Saal des Gesellenvereins zu Dorsten widmete sich im Vortrag des Kreisarztes Dr. Runge der Bekämpfung der Tuberkulose. Vorher wurde in einem feierlichen Hochamt „der Beistand Gottes angefleht“. Nach dem Vortrag wurden Verfügungen der Regierungen verlesen, darunter eine, die Schulen verpflichtet, „die konfessionelle Minderheit in Betreff ihrer Religion zu berücksichtigen und nicht zu verletzen“. Außerdem musste jede Schule ein Thermometer anschaffen. Damit schließen die Berichte über regionale Lehrerkonferenzen in der Chronik der Antoniusschule.
Dazugehördende Texte:
Volksschulen um 1900 (I) – Regionalkonferenz
Volksschulen (II) – Körperliche Züchtigung
Volksschulen (III) – Zucht und Ordnung
Volksschulen (IV) – Vor dem Unterrichte Herz und Blick zu Gott erheben
Volksschulen (V) – Damm gegen gottlose Umstürzler
Volksschulen (VI – Das Materielle dient der Berufsfreudigkeit des Lehrers
Volksschulen (VIII) – Resümee der Konferenzen