Victorstracht

Dorstener Schützen rauften um die ersten Plätze in Prozessionen

Xantener Dom

Xantener Dom

Die Teilnahme an der Victorstracht in Xanten (Umzug mit den Gebeinen des Märtyrers Victor und allen 23 Reliquiaren) war weniger eine Pflicht des Reichshofes Dorsten als der Pfarrei, obgleich die Teilnahme ihren Ursprung in der Herrschaft des Xantener Stifts über den ehemaligen Reichshof hatte. Patron des Stifts Xanten ist der hl. Victor, der und seine Gefährten bereits im 4. Jahrhundert als Märtyrer verehrt wurden. Der Legende nach gehörten sie zur „Thebäischen“ (christlich-orientalischen) Legion und starben im 4. Jahrhundert. für ihren Glauben. Ihre Gräber lagen innerhalb der Totenstadt der Römer vor den Toren Xantens, damals Colonia Ulpia Traiana. Die Legion lag mit ihrem Kaiser Maximilian in der heutigen Schweiz und sollte rheinabwärts aufbrechen, zuvor, wie es üblich war, aber ein heidnisches Dankopfer bringen. Dies lehnte die Thebäische Legion aber ab. Daher wurden sie getötet. Einige Abteilungen waren aber bereits rheinabwärts aufgebrochen. So gab der Kaiser den Befehl, ihnen nachzueilen und sie vor die Entscheidung zu stellen, opfern oder sterben. Sie zogen den Tod vor. So wurden in Trier, Bonn, Köln und Xanten römisch-christliche Legionäre zu Märtyrern. Der thebäische Hauptmann Victor hatte mit seinen Soldaten ein Lager zwischen Birten und Xanten aufgeschlagen, als die Kaisertruppe ihn einholte und ihn aufforderte, ein Opfer darzubringen. Als er dies ablehnte, wurden er und seine Männer, man spricht von 360 Legionären, gemäß kaiserlichem Befehl getötet. Die Leichen der Erschlagenen blieben lange Zeit in einem Sumpf, bevor sie dann ehrenvoll beerdigt wurden. Die Gebeine des heilig gesprochenen Victors kamen in die Kirche von Xanten. Die Kirche in Birten erhielt die Reliquien des hl. Malosus, eines Begleiters Victors; die übrigen Soldaten wurden in der Xantener Victorskirche beigesetzt.

Ablass-Stiftungen stärkte die Victorstracht, auch der Teufel war dabei

Mit der zunehmenden Bedeutung des Stifts Xanten, verbreitete sich auch der Ruf des Heiligen. Immer mehr Besucher strömten in die niederrheinische Stadt, die dadurch auch wirtschaftliche Vorteile hatte. Überliefert ist aus dem Jahre 1288, dass drei Erzbischöfe und neun Bischöfe allen, die an Weihnachten, an den Festen Auferstehung, Himmelfahrt, Pfingsten, St. Helena, St. Victor, Kirchweih und an den Marien- und Kreuzfesten wie in den entsprechenden Oktaven dort ihre Andacht verrichteten und ein Almosen für die Kirche spendeten, je 40 Tage Sündenablass erhielten. 1421 spendeten der Papst und 64 Kardinäle und Bischöfe für diesen Zweck Ablässe, so dass sich die Summe der Ablässe auf 3.800 Tage, 8 Karenen und 1 Jahr erhöhte. Diese Ablass-Stiftungen für Xanten-Besucher stärkte die Victorstracht (Umzug, Prozession), von denen kleinere bereits jährlich am Victorstag (10. Oktober) stattgefunden haben. Schon 1286 hatten die Umzüge so große Umfänge angenommen, dass sie an jedem x-beliebigen Tag und zu jedwedem Anlass stattfanden. Als die Victorsprozessionen zu religiös-christlichen Verirrungen verkamen, indem die Teilnehmer ihren Bauch mit einem Tuch so eng einschnürten und dann bis zum Umfallen tanzten, und andere dann in die Eingeweide der Liegenden traten, wurde dieses Treiben als vom Teufel kommend bezeichnet und eine feierliche Prozession („deportatio solemnis S. Victoris“) angeordnet.

Blutiger Streit zwischen Dorstener und Weseler Schützen-Delegationen

Da vom Stift nur die Reihenfolge an der Spitze der Prozession mit den klevische und Xantener Institutionen festgelegt war, gerieten Weseler Schützen mit den Dorstener Schützen in eine blutige Rauferei, wer zuerst der Prozessionsspitze folgen durfte. Da der Oberhof Durstinon einmal der Adligen Emeza gehörte, die ihn Xanten schenkte, beriefen sich die Dorstener Schützen auf ältere Rechte, die ihnen die Weseler streitig machten. Also entschieden Propst und Herzog salomonisch, dass beide Schützenvereinigungen nebeneinander hinter der Xantener Zugspitze herlaufen durften. Zur Victorstracht, die auch immer ein gesellschaftliches Ereignis war, lud das Kapitel die fünf angehörigen Dekanate Duisburg, Süchteln, Nimwegen, Straelen und Xanten ein; diese wiederum die einzelnen Pfarrer ihrer Dekanate. Die Pfarreingesessenen wurden angewiesen, dass sie an der Prozession wie Pilger (peregrini), gläubig und demütig, und nicht wie Krieger (armigeri) teilnehmen sollten. Alle Teilnehmer erhielten von den Landesherren von Kleve, Jülich und Köln freies Geleit. Der Umzug begann mit einem Hochamt. Anschließend wurden die Gebeine des hl. Victor in einem goldenen Schrein feierlich durch die Stadt getragen, begleitet von festlichen Hymnen, Litaneien und Liedern. Eine unübersehbare Menge folgte dem Schrein, darunter auch die Dorstener Schützen und andere Bürger – Männer wie Frauen. 360 Kreuze wurden mitgetragen, für jeden erschlagenen Legionär ein Kreuz. Angeführt wurde der Umzug vom Herzog von Kleve und seiner Familie sowie dem Grafen von der Mark mit Adeligen und Rittern. 1464 sollen den Fürstlichkeiten rund 300.000 Gläubige („confluentibus post duces et pricibus trecentis et ultra milibus homunum“) gefolgt sein, aus Wesel allein 3.000.

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