Verkehrssünderkartei

Kraftfahrt-Bundesamt erfasst seit 1951 in Flensburg Verkehrssünder

Denen, die hinterm Steuer eines Autos sitzen und über Straßen und Autobahnen fahren, ist das Wort „Flensburg“ geläufig, wenn es um die Verkehrsverstöße geht, die in der amtlichen „Verkehrssünderkartei Flensburg“ geführt wird – und zwar deutschlandweit in Flensburg.
Verkehrsverstöße werden unterschiedlich geahndet – je nach Schwere. Was Verkehrsverstöße kosten, und welche Folgen drohen, regelt der Bußgeldkatalog. Die Eintragungsgrenze für Punkte beträgt eigentlich 60 Euro. (Verstöße gegen Kennzeichenvorschriften oder das Sonntagsfahrverbot bleiben unabhängig von der Bußgeldhöhe ohne Punkte.) Mit der Änderung der Bußgeldkatalogverordnung im Jahr 2021 ist diese Systematik durchbrochen worden. Die Bußgelder für Tempoüberschreitungen von 16 bis 20 km/h liegen seither beispielsweise über der Grenze von 60 Euro, führen aber nicht zu einem Punkteintrag. Ordnungswidrigkeiten, die zusätzlich mit einem Fahrverbot belegt sind, führen hingegen immer zur Eintragung von Punkten. Daneben sieht der Bußgeldkatalog für besonders gravierende Verkehrsverstöße Fahrverbote vor. Dasselbe gilt, wenn es bereits erhebliche Voreintragungen in Flensburg gibt. Seit dem 5. Mai 1952 hat das 1951 gegründete Kraftfahrt-Bundesamt seinen Sitz in Flensburg. Seit 1958 erfasst die Behörde Vergehen im Straßenverkehr in der „Verkehrssünderkartei“. Das Punktesystem gibt es seit 1974.
Während der Fahrt eine SMS ins Handy tippen, bei Rot über die Ampel fahren oder mit 80 Kilometern pro Stunde durch die Tempo-30-Zone rasen: Wer bei diesen Vergehen im Straßenverkehr von der Polizei erwischt wird, muss mit Punkten in Flensburg rechnen. Die notiert das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im sogenannten Fahreignungsregister, bis zur Reformation im Jahr 2014 auch Verkehrszentralregister (VZR) genannt. Am 2. Januar 1958 ging die sogenannte Verkehrssünderkartei an den Start. Der Grund: Der Autoverkehr hatte rasant zugenommen, die Zahl der schweren Unfälle auch. Doch die Erfassung von „Verkehrssündern“ ist weder die einzige noch die erste Aufgabe des KBA.

KBA-Geschichte weist zurück bis ins Jahr 1910

Die Geschichte um das legendäre Register beginnt eigentlich schon Anfang des vergangenen Jahrhunderts. 1910 gibt es bereits eine sogenannte Sammelstelle für Nachrichten über Führer von Kraftfahrzeugen. Sie liegt damals beim Berliner Polizeipräsidium, registriert jede Person, die ein Fahrzeug besitzt und wird 1934 um eine weitere Stelle erweitert, die alle zugelassenen Kraftfahrzeuge registriert. 1937 kommt noch eine weitere Stelle dazu, die einheitliche Sicherheitsstandards für Fahrzeuge aus Serienproduktion und ebensolche Fahrzeugteile umsetzt.

Gründung des KBA – und Umzug nach Flensburg

Jahrzehnte später, am 4. August 1951, werden mit der Gründung des KBA alle drei Aufgaben an einer Stelle zusammengeführt. Die Sammelstellen für die Informationen über Fahrzeuge und deren Führer waren nach Ende des Zweiten Weltkriegs von den Alliierten nach Bielefeld verlegt worden, so nimmt die neue Behörde ihre Arbeit zunächst dort auf. Am 5. Mai schließlich folgt der Umzug nach Flensburg-Mürwik.

Mehr Autos – und mehr Verkehrstote

Neben dem reinen Sammeln von Informationen über zugelassene Fahrzeuge und deren Halter wachsen die Aufgaben der Behörde zunehmend in Richtung Überprüfung und Überwachung. Denn in puncto Sicherheit drängt sich ein Problem in den Fokus: Da es der jungen Bundesrepublik in den 50er-Jahren immer besser ging, konnten sich mehr und mehr Menschen im Wirtschaftswunderland ein eigenes Auto leisten. Gegen Ende des Jahrzehnts waren schon sieben Millionen Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs. Während es 1950 noch gut 6400 Verkehrstote zu beklagen waren, stieg die Zahl schon 1959 auf mehr als das Doppelte: (13.822).
Die Politik reagierte: Ein neu zu schaffendes Organ soll Verkehrsverstöße dokumentieren und verwalten – in der Hoffnung, dass die Zahl der Unfalltoten wieder sinken würde. Dem war dann nicht so. Der damalige Bundesminister für Verkehr, Hans-Christoph Seebohm, beschloss per Gesetz, das Verkehrszentralregister (VZR) einzurichten – später wurde es umgangssprachlich als „Verkehrssünderkartei“ bekannt. Die entsprechende Verordnung stammt vom 25. Juli 1957. Am 2. Januar 1958 ging das vom KBA geführte Register in Betrieb. Dort sammelten sich in den folgenden Jahren größere Vorfälle wie Fahrerlaubnisentzug oder Fahrverbote in personenbezogenen Akten.
Anfangs war das VZR noch in einem alten Flensburger Hafengebäude untergebracht. 70 bis 80 Beschäftigte führten die Karteien der „sündigen“ Verkehrsteilnehmer, notieren alles in Akten, die in Regalen und Drehständern lagerten. Bis Ende des Jahres 1958 waren bereits 810.000 Personen im Register eingetragen.

Von der „Sünderkartei“ zum Fahreignungsregister

Doch die Zahl der Unfälle auf den Straßen bundesweit nahm nicht ab – im Gegenteil. Anfang der 1970er-Jahre stieg die Zahl der Verkehrstoten auf rund 20.000 pro Jahr. Ein negativer Rekordwert. Dem Amt fehlten aber die Mittel, um konsequenter durchzugreifen. In der Folge wurde die „Sünderkartei“ reformiert – das Punktesystem wurde zum 1. Mai 1974 eingeführt. Seitdem gilt: Für Verkehrsdelikte gibt es Punkte. Ab 18 Punkte war das Konto damals voll. Dann mussten Wiederholungstäter in einer Prüfung ihre Fahreignung beweisen. 2014 folgte die zweite Reform: Nun heißt die Kartei offiziell Fahreignungsregister. Die einzelnen Delikte wurden neu bewertet – und den Führerschein war man bereits mit acht Punkten los. In den der 1970er-Jahre stieg die Zahl der zugelassenen Kfz auf über 20 Millionen. Statistisch gesehen kamen jährlich 101 Tote auf 100.000 Fahrzeuge. Zum Vergleich: 2817 Verkehrstote verzeichneten die Behörden für das Jahr 2023. Im Jahr 2020 lag die Zahl der Verkehrstoten – vermutlich auch bedingt durch die Corona-Pandemie deutlich niedriger bei 2.719, im Jahr 2021 bei 2.569. Bei heutzutage rund 60 Millionen in Deutschland zugelassenen Kfz (Stand: Januar 2024) sind das jährlich „nur“ noch knapp fünf Tote auf 100.000 Fahrzeuge. Aus Sicht des KBA haben – neben der Einführung des Sicherheitsgurtes – auch die Flensburger Punkte zu den sinkenden Zahlen beigetragen.

Wiedervereinigung 1990: KBA-Zuständigkeit wird erweitert

Zwischenzeitlich stieg die Zahl der registrierten Verkehrsteilnehmer sprunghaft an: Mit der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 erweiterte sich der Zuständigkeitsbereich des KBA auf das Gebiet der ehemaligen DDR. Das Kraftfahrzeugtechnische Amt der DDR (KTA) in Dresden, das zuvor unter anderem dafür zuständig war, die Einhaltung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung zu überprüfen, wurde zur Außenstelle des KBA. Ein kleinerer Teil der Mitarbeiter wurde dabei übernommen. Bis Anfang 1994 dauert es, bis alle knapp acht Millionen zugelassenen Fahrzeuge mit DDR-Kennzeichen – davon rund 3,7 Millionen Pkw – vom Kraftfahrt-Bundesamt Flensburg erfasst waren.

Punkte in Flensburg länger „frisch“

Mittlerweile hat das KBA seinen Sitz in der Flensburger Fördestraße und beschäftigt mehr als 1000 Mitarbeitende. Bei mehr als 57 Millionen Menschen mit Pkw-Führerschein in Deutschland (Stand 2021) ist etwa jeder Fünfte in der „Verkehrssünderkartei erfasst“. Das sind so viele wie noch nie – und das liegt an der zweiten Reform: Heutzutage bleiben die Punkte länger „frisch“ – das bedeutet, sie brauchen länger zum Verfallen. Während sie früher nach einer „Bewährungszeit“ von zwei Jahren standardmäßig wieder weg waren, können sie heute bis zu fünf Jahre stehen bleiben.

Raserei und Männer führen die Statistiken an

Auf Platz eins der Verstöße ist seit langen Jahren zu schnelles Fahren, gefolgt vom Handy am Steuer sowie Drogen- und Alkoholverstößen. Ebenfalls relativ konstant zeigt sich dabei der Unterschied, wer am Steuer sitzt: Laut KBA waren 2023 rund 7,7 Millionen Männer im Fahreignungsregister eingetragen – gegenüber 2,4 Millionen Frauen im gleichen Zeitraum. Den Punktezählern in Flensburg wird die Arbeit wohl nicht so schnell ausgehen. Und auch die weiteren Aufgaben der Behörde werden bei nach wie vor steigender Individualmobilität und vielerlei technischen Innovationen im Autoverkehr nicht weniger: Neben dem Verwalten zum Beispiel des Führerscheinregisters erteilt etwa die technische Abteilung des KBA pro Jahr mehrere Tausend Typgenehmigungen für Fahrzeuge und -teile nach nationalem und europäischem Recht, wobei sie auch die Einhaltung ihrer Genehmigungen überwacht.


Quelle: Redaktionsbüro Büser in DZ vom 14. September 2024

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