Im Kreis beziehen über 70.000 Personen SGB II-Lebensunterhalt
Nachfolgeeinrichtung des Sozialamts der Städte und hat ihre Bezeichnung mehrmals gewechselt. Grundlage ist das vom Bundestag verabschiedete Sozialgesetzbuch II (SGB II), das 2005 in Kraft trat und die Sozialhilfe ablöste. Es bildet den wesentlichen Teil des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, das im allgemeinen Sprachgebrauch als „Hartz IV“-Gesetz bezeichnet wird. Es regelt die Förderung von erwerbsfähigen Personen ab 15 und unter 65 Jahren und deren Angehörigen, soweit diese ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können. Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Leistungen für Bildung und Teilhabe sind steuerfinanzierte Sozialleistungen, die sich nicht mehr am früheren Erwerbseinkommen des Arbeitsuchenden orientieren, sondern – nach dem Vorbild der Sozialhilfe – an den Bedürfnissen der Leistungsberechtigten. Das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Der Regelbedarf beträgt bei alleinstehenden erwachsenen Personen monatlich nicht ganz 400 Euro. Auf die weiteren Einzelheiten und Besonderheiten und Aufgabenbereiche soll hier nicht eingegangen werden.
Ü-Wagen: Harz IV reicht nicht für ein menschenwürdiges Leben
Ob Hartz IV zum Leben reicht, war, ist und bleibt eine umstrittene Frage, der sich auch der WDR widmete, als es am 13. Dezember 2008 auf dem „Platz der Deutschen Einheit“ in Dorsten hieß: „Hallo Ü-Wagen: Jetzt reicht’s! Fragen zum Thema, die Julitta Münch stellte, gab es viele: Reichen Erwachsenen 35 Euro im Monat für Schuhe und Kleidung? Und Kindern 21 Euro? Können sich Menschen von soundsoviel Euro im Monat ernähren? Die Antworten waren oft emotional geladen. Fragen beantworten Fachleute und Betroffene. Eingeladen waren Dr. Ralf Brauksiepe (CDU) aus dem Ausschuss für Arbeit und Soziales im deutschen Bundestag, Markus Breitscheidel (Autor von „Arm durch Arbeit“), Prof. Dr. Christoph Butterwegge (Universität Köln) und Heinrich Lange (stellvertretender Geschäftsführer der Vestischen Arbeit im Kreis Recklinghausen).
Teilnehmer aus dem Publikum, die Hartz-IV beziehen, stellten nüchtern, dass man auch auf finanzielle Hilfe von Familienangehörigen angewiesen ist. Flaschensammeln aus Mülltonnen, ist nicht nur ein öffentliches Eingeständnis der Armut, sondern raubt vor allem das Selbstwertgefühl.
Wer Hartz IV bezieht, führt ein menschenunwürdiges Leben, so urteilte im November 2008 das Landessozialgericht Hessen, dem sich 2010 das Bundesverfassungsgericht angeschlossen hatte. Viele Menschen denken, dass Hartz IV Empfängerinnen und Empfänger aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, weil sie von ihrem geringen Budget weder eine Tageszeitung abonnieren noch ein Bier in der Kneipe zahlen können. Andere, und dabei finden sich sogar Wissenschaftler der Universität Chemnitz, sind der Meinung, dass der Hartz IV Regelsatz ausreichend oder sogar zu hoch sei. Das Fazit dieser Live-Sendung: Hartz IV reicht nicht für ein menschenwürdiges Leben!
Rund 1.000 Mitarbeiter sind für die Jobcenter im Kreis zuständig
Träger der Leistungen nach dem SGB II sind die Bundesagentur für Arbeit einerseits und die Landkreise und kreisfreien Städte als kommunale Träger andererseits. Die Trägerschaft ist gesetzlich jeweils auf einen bestimmten Aufgabenkatalog festgelegt. Die Ausführungszuständigkeiten sind durch Art. 91e Grundgesetz (GG) garantiert und das Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden festgelegt. Zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende bilden die Träger im Gebiet jedes kommunalen Trägers eine gemeinsame Einrichtung, die neudeutsch Jobcenter genannt wird. Darüber hinaus wurden zunächst 69 kommunale Träger (sechs kreisfreie Städte und 63 Landkreise) an Stelle der Bundesagentur für Arbeit als alleiniger Träger sämtlicher Aufgaben des SGB II in ihrem Gebiet zugelassen. Seit 2010 wurde diese Anzahl von Zulassungen kommunaler Träger auf insgesamt 108 erhöht. Darunter befindet sich der Kreis Recklinghausen, als Träger im bevölkerungsreichsten Kreis Deutschlands. Zugelassen wurde der Kreis Recklinghausen als kommunaler Träger nach dem Gesetz zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) seit dem 1. Januar 2012. Er hat die Städte des Kreises zur Durchführung der damit verbundenen Aufgaben durch Satzungen herangezogen und beteiligt. In allen zehn Städten des Kreises Recklinghausen befinden sich mittlerweile lokale „Jobcenter“.
Jobcenter Kreis Recklinghausen eröffnete Jobpoint in Dorsten
„Das ist ein gutes Beispiel dafür, warum wir im Jahr 2012 Optionskommune geworden sind“, sagte Landrat Cay Süberkrüb. Gemeinsam mit Lars Ehm, Erster Beigeordneter der Stadt Dorsten, eröffnete Cay Süberkrüb mitten in der Innenstadt von Dorsten den ersten Jobpoint im Kreis Recklinghausen. Mehr Flexibilität bei der Arbeitsmarktgestaltung, mehr regionale Verknüpfung und mehr lokales Know-how – dafür steht der erste Jobpoint in Dorsten, dafür steht das Jobcenter Kreis Recklinghausen als Optionskommune. „Die Verknüpfung unserer Arbeitsmarktkompetenzen findet genau hier statt“, sagte der Landrat zur offiziellen Eröffnung. Mit dem Jobpoint soll ein neuer Raum geschaffen werden, in dem sich Arbeitssuchende und Arbeitgeber schneller finden können. Die Arbeitsvermittlung soll schneller und nachhaltiger werden. In dem Ladenlokal in der Fußgängerzone erinnert nichts an Behörde, das Serviceangebot basiert auf Freiwilligkeit. So sollen Hemmschwellen abgebaut und Eigeninitiative von Bewerbern gestärkt werden. Insgesamt acht Mitarbeiter kümmern sich im Jobpoint um alle Fragen, die bei der Arbeitsplatzvermittlung auftreten können. Ganz ohne Termin gibt es für Kunden des Jobcenters Beratung, Hilfestellung und praktische Tipps. Zum Beispiel in Sachen Mobilität – denn im Jobpoint wird der regionale Arbeitsmarkt im Blick behalten und kreisweit vermittelt.
Übergriffe im Jobcenter haben sich 2018 fast verdoppelt
Die Zahl der Übergriffe in den Jobcentern des Kreises Recklinghausen hat im Jahr 2018 sprunghaft zugenommen. 97 „sicherheitsrelevante Vorgänge“ hat die Hartz-IV-Behörde registriert. In den Vorjahren waren es nach Jobcenter-Angaben im Durchschnitt um die 50 Vorfälle. Verbale Aggressionen und Beleidigungen gegenüber Jobcenter-Mitarbeitern machen 70 Prozent aller Fälle aus. Schwerer wiegen Fälle von Bedrohung, Nötigung und Sachbeschädigung. Ein Vorgang in Marl sticht heraus: Dort hatte ein Kunde zweimal mit Steinen die Scheiben des örtlichen Jobcenters eingeworfen. Für die Verdopplung der „sicherheitsrelevanten Vorgänge“ im vergangenen Jahr hat Jobcenter-Chef Schad keine Erklärung. Das könne Zufall sein, sagt er. Gewalt werde jedoch grundsätzlich nicht toleriert. Angesichts von 900.000 Kundenkontakten im Jahr seien solche kritischen Situationen jedoch immer noch eine Seltenheit. Knapp 75.900 Menschen im Kreis Recklinghausen bezogen Ende 2018 Hartz-IV-Leistungen. Zwölf Monate zuvor waren es noch 78.000. Der Rückgang erfolgte, obwohl die Zahl der Flüchtlinge, die in die Zuständigkeit des Jobcenters fallen, zugenommen hat. Zuwanderer profitierten ebenfalls von dieser Entwicklung. 1411 Flüchtlinge konnten in Arbeit vermittelt werden; doppelt so viele wie im Vorjahr. Die meisten von ihnen seien jedoch in Helfer-Jobs untergekommen. Insgesamt haben die zehn Bezirksstellen des Jobcenters im Jahr 2018 genau 9482 Kunden in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermittelt. Das entspricht fast exakt dem Ergebnis des Jahres 2017, das bislang das erfolgreichste der Hartz-IV-Behörde des Kreises war. Obwohl eine Steigerung der Integrationen nicht möglich war – als Zielmarke waren zwei Prozent vorgegeben –, geht das Jobcenter 2019 von einer positiven Entwicklung aus.
Bundesregierung kürzte Fördermaßnahmen um 40 Prozent
Die rund 1.000 Mitarbeiter des Fachbereichs J der Kreisverwaltung Recklinghausen, also der Vestische Arbeit, Jobcenter Kreis Recklinghausen, beraten und unterstützen fast 70.340 Bürger in den zehn Städten im Kreis Recklinghausen. In Dorsten waren es mit Stand September 2013 über 6.650 Personen, davon 4.805 (72 Prozent) Erwerbsfähige und 1.845 Nichterwerbsfähige (28 Prozent). Die Zahl der „arbeitsmarktnahen“ Leistungsberechtigten hat in den zurückliegenden Jahren abgenommen, entsprechend gestiegen ist der Anteil der „arbeitsmarktfernen“ Leistungsberechtigten. Dies trifft sowohl auf den regionalen Arbeitsmarkt des Jobcenters, als auch überregional und auf Bundesebene zu. Im Kreis Recklinghausen beziehen bereits 35.000 der erwerbsfähigen Leistungsbezieher mehr als zwei Jahre Grundsicherung nach dem SGB II. Hierzu zählen rund 4.800 junge Erwachsene im Alter von 17 bis unter 25 Jahren und rund 5.000 Alleinerziehende. Rund 24.000 Personen beziehen Leistungen schon vier Jahre und länger. In den Jahren von 2010 bis 2013 wurden die Mittel für Fördermaßnahmen bundesweit um etwa 40 Prozent reduziert, von 6,6 Milliarden Euro auf 3,9 Milliarden Euro – das errechnete jetzt der Deutsche Städtetag. Hier sollte die Bundesregierung in den nächsten Jahren unbedingt umsteuern. Allerdings gibt es keine Anzeichen dafür.
4.000 Jugendliche im Harz IV-Langzeitbezug
Im Kreis Recklinghausen gibt es insgesamt 36.574 Bedarfsgemeinschaften. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl um 615 (1,7 Prozent) gestiegen. Kreisweit befinden sich schon 4.000 Jugendliche im Alter von 17-24 Jahren im Langzeitbezug. Der Begriff „Aufstocker“ bezeichnet in der Grundsicherung Personen, die ergänzend zum Arbeitslosengeld I noch Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beziehen oder deren Einkommen als Erwerbstätige/r unter dem Harz IV-Satz liegt. Für 2013 sind von insgesamt 50.471 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten durchschnittlich monatlich 887 (1,8 Prozent) Personen registriert, die das Arbeitslosengeld I mit dem Arbeitslosengeld II aufstocken.
Millionen-Projekt, um Hartz IV-Empfänger in Arbeits zu bringen
Hartz IV-Empfänger in Recklinghausen sollen künftig einfacher einen Job finden. Das Jobcenter Kreis Recklinghausen startet dazu ab 2018 ein neues millionenschweres Projekt. In drei Städten im Kreis will es eigene Trainingscenter einrichten, wo Langzeitarbeitslose lernen Bewerbungen zu schreiben, Vorstellungsgespräche zu üben und Stellenangebote durchzusehen. 30 Trainer sollen dafür zusätzlich eingestellt werden. Pro Jahr will das Jobcenter drei Millionen Euro in das Projekt stecken. Im Kreis gibt es mit Stand von 2017 fast 27.000 Langzeitarbeitslose.
Kosten und Finanzierung der SGB II-Leistungen im Kreis Recklinghausen
Das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld werden zu 100 Prozent vom Bund getragen; wie auch die Sozialversicherungsbeiträge. Durchschnittlich haben 36.601 Bedarfsgemeinschaften im Jobcenter Kreis Recklinghausen 2013 Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld in Anspruch genommen. Je Bedarfsgemeinschaft wurde im Jahr 2013 im Jobcenter Kreis Recklinghausen monatlich ein Durchschnittsbetrag von 526,31 Euro an Arbeitslosengeld II und Sozialgeld ausgezahlt; je Leistungsbezieher monatlich im Durchschnitt 273,36 Euro. In den Durchschnittsbeträgen für Arbeitslosengeld II und Sozialgeld sind die Sozialversicherungsbeiträge enthalten.
Unterkunft: Für Kosten der Unterkunft wurden in 2013 insgesamt 159.3 Millionen Euro ausgegeben. Die Beteiligung des Bundes betrug 53.2 Millionen Euro (33,4 Prozent). Der kommunale Anteil belief sich auf 106.1 Millionen Euro (66,6 Prozent. – Der Durchschnitt je Bedarfsgemeinschaft lag im Jobcenter Kreis Recklinghausen im Jahr 2013 bei 435 Euro. Für Leistungsbezieher im Jobcenter Kreis Recklinghausen lag der Durchschnitt der Kosten der Unterkunft bei 226 Euro (Stand 18. März 2014).
Eingliederungskosten: Für das Jahr 2013 standen dem Kreis Recklinghausen Bundesfinanzmittel für Verwaltungskosten und für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (EGT) in Höhe von insgesamt 80,15 Millionen Euro zur Verfügung. Verausgabt wurden 89,045 Millionen Euro.
Beratung und Betreuung: Für Suchtberatung wurden kreisweit 143.000 Euro ausgegeben, für Schulderberatung 744.000 Euro und für Kinderbetreuung 36.000 Euro.
Widersprüche und gerichtsanhängige Klagen im Jahr 2013
Die Eingangszahlen bei Widersprüchen haben sich im Zeitablauf der Jahre 2010 bis 2013 deutlich verringert. Wurden im Jahre 2010 noch 5.600 Widerspruchsverfahren erfasst, waren es im Jahre 2011 nur noch 4.700 Verfahren. 2013 wurden 4.163 Widersprüche eingereicht. Durch die Rechtsbehelfsstelle konnten im Jahre 2013 insgesamt 4.487 Widerspruchsverfahren abschließend bearbeitet werden. Dies ist gegenüber dem Jahr 2012 eine Steigerung um rund 400 Erledigungen. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer lag dabei im Jahr 2013 durchgängig deutlich unter der gesetzlichen Vorgabe, die eine Bearbeitungsdauer von bis zu drei Monaten vorsieht. Im Dezember 2013 ist eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer von 1,9 Monaten erreicht worden. Dies ist eine Verkürzung der Bearbeitungsdauer um durchschnittlich einen Monat im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
39,5 Prozent der Widersprüche waren zumindest teilweise aus Sicht der Widerspruch führenden Bürger/innen erfolgreich. In 60,5 Prozent der Fälle wurde der Widerspruch komplett zurückgewiesen oder von der Widerspruch führenden Person zurückgenommen. Die leichte Steigerung gegenüber dem Vorjahr ergibt sich vor allem aus der Umsetzung der Rechtsprechung zu der Erhöhung der berücksichtigungsfähigen Wohnungsgrößen bei der Berechnung von Kosten der Unterkunft.
Klage-Verfahren: Im Jahr 2013 wurden insgesamt 1.322 Klagen in der ersten Instanz erhoben. Die Zahl hat sich damit im Verhältnis zum Vorjahr (1.257) geringfügig erhöht. In 45 Prozent der abgeschlossenen Verfahren waren die Klagen für den Bürger zumindest teilweise erfolgreich. In 55Prozent der Verfahren obsiegte das Jobcenter vollständig. Dies ist einer erheblichen Steigerung gegenüber 2012, wo in 47 Prozent der Fälle durch das Jobcenter vollständig obsiegt wurde. In der zweiten Instanz sind im Jahr 2013 insgesamt 34 Berufungen eingegangen, damit ist die Zahl der Berufungen um 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2012 zurückgegangen. 30 Verfahren wurden in 2013 vollständig abgeschlossen. In 33 Prozent dieser Verfahren gewann der Bürger (zumindest teilweise), wobei hier der Großteil auf die Erhöhung der berücksichtigungsfähigen Wohnungsgrößen bei der Anerkennung von Kosten der Unterkunft zurückzuführen ist.
Sanktionen deutlich unterm Landesdurchschnitt
Sanktionen sind in § 31 SGB II als Folge von Pflichtverletzungen geregelt. Sie werden zumeist wegen Meldeversäumnissen und der Weigerung, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheiten (AGH) oder sonstige vereinbarte Maßnahme aufzunehmen, eingeleitet. Nur 1,33 Prozent der Menschen, die im Kreis Recklinghausen in Bedarfsgemeinschaften leben, waren im Monat März von Sanktionen betroffen. Dieses gesetzlich vorgeschriebene Instrument wird somit deutlich weniger genutzt als in anderen Jobcentern in NRW. Der Vergleichswert liegt im Durchschnitt bei zwei Prozent, in Einzelfällen bis zu drei Prozent.
Das Zweite Sozialgesetzbuch regelt die sanktionsfähigen Tatbestände, die damit verbundene Sanktionshöhe und verpflichtet alle Jobcenter zu deren Einsatz bei Versäumnissen, Verweigerungen oder Vereinbarungsverstößen. Schon allein auf Grund der Tatsache, dass eine Sanktion auch immer den Wegfall eines Teils der die Existenz sichernden Leistungen bedeutet, wird das Vorliegen der gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen umfassend geprüft. Sanktionen werden nur eingesetzt, wenn hiervon betroffene erwerbsfähige Leistungsempfänger zuvor schriftlich über den Eintritt der Sanktion bei entsprechendem Fehlverhalten belehrt wurden. Im Zeitraum Januar bis einschließlich September 2013 wurden insgesamt 4.280 Sanktionen neu festgestellt. Bei dieser Zahl gilt es zu beachten, dass einige Personen teilweise aus mehreren Gründen sanktioniert wurden. Mit 2.519 (60 Prozent) wurden die meisten Sanktionen wegen Meldeversäumnissen ausgesprochen. 931 (22 Prozent) Pflichtverstöße wurden wegen der Weigerung der Erfüllung von Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung festgestellt.
Kritik am Sozialgesetzbuch II landesweit
Das SGB II war schon im Gesetzgebungsverfahren sehr umstritten und ist es nach seinem Inkrafttreten noch immer. Die Befürworter versprechen sich davon eine verbesserte Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen und eine Entlastung der öffentlichen Haushalte. Die Kritiker bezweifeln, dass die Vermittlung sich dadurch verbessern ließe, dass man die Arbeitslosen stärker fordert und befürchten, dass die abwertend „1-Euro-Jobs“ genannten Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (MAE) dazu führen werden, dass öffentliche Träger normale Arbeitsverhältnisse in MAE umwandeln, um ihre Haushalte zu entlasten. Ein alternativer Ansatz zum Grundsicherungskonzept des SGB II ist das so genannte Bedingungslose Grundeinkommen. Es soll ohne sozialadministrative Bedürftigkeitsprüfung gewährt werden und nicht die Bereitschaft des Empfängers voraussetzen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Arbeitslos – Wer wird durch wen betreut?
Die Arbeitsagentur Recklinghausen betreut im Kreis Recklinghausen 6937 arbeitslos gemeldete Männer und Frauen (Stand: August 2016). Das sind 20 Prozent aller Arbeitslosen. 80 Prozent der Erwerbslosen (26.763 Personen) befinden sich in der Obhut des Jobcenters Kreis Recklinghausen. Wer arbeitslos wird, fällt in der Regel in die Zuständigkeit der Arbeitsagentur und erhält Arbeitslosengeld I. Die Bezugsdauer richtet sich grundsätzlich nach der Dauer der Versicherungspflichtigen Beschäftigung innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Arbeitslosmeldung und nach dem Lebensalter. Beispiele: Wer in dem Fünf-Jahres-Zeitraum mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt war, erhält sechs Monate lang Arbeitslosengeld I. Bei einer Beschäftigungszeit von 24 Monaten wird die Leistung zwölf Monate lang gewährt. Die 24-monatige Höchstdauer der Arbeitslosengeld-Zahlung erreichen nur Arbeitslose, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und in den letzten fünf Jahren Versicherungspflichtzeiten von mindestens 48 Monaten nachweisen können. Die Höhe des Arbeitslosengeldes richtet sich nach dem Bruttoarbeitslohn (Durchschnitt des letzten Jahres). Davon werden Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abgezogen. Von dem dann verbleibenden Betrag erhält der Arbeitslose 60 Prozent (mit Kind 67 Prozent). Wenn die Bezugsdauer für Arbeitslosengeld I abgelaufen ist, gibt es für die Betroffenen Hartz IV. Das Jobcenter ist dann auch für die Vermittlung einer neuen Stelle zuständig.
Corona-Pandemie: Zielvorgaben im Jobcenter 2020 nicht zu halten
Das Jobcenter Kreis Recklinghausen verzeichnete 2019 sein erfolgreichstes Jahr. In keinem Jahr zuvor waren mehr Langzeitarbeitslose in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermittelt worden. Wegen der Corona-Krise wird das Jobcenter das Niveau 2020 nicht halten können. Die Auswirkungen der Corona-Krise lassen sich mittlerweile auch an den Zahlen des Jobcenters ablesen. Im März wurden rund 550 Erstanträge auf Hartz IV gestellt – 30 Prozent mehr als im März 2019. Viele Anträge kommen von Solo-Selbstständigen sowie Arbeitnehmern, die wegen Kurzarbeit Anspruch auf aufstockende Leistungen der Grundsicherung haben. Für den April rechnet die Behörde mit einem weiteren Anstieg der Zahlen. 900.000 Kundenkontakte hat das Jobcenter im Jahr, ein Großteil davon findet normalerweise in den Büros der Bezirksstellen statt. Diese Beratung von Angesicht zu Angesicht ist auf Null heruntergefahren worden. Dafür stehen die Telefone und die Computer nicht mehr still. 400 von 1100 Jobcenter-Mitarbeitern befinden sich aktuell im Homeoffice.
Arbeitgeber halten sich zurück mit Angeboten
Auf dem 2019 neu geschaffenen Sozialen Arbeitsmarkt stagnieren die Zahlen, seitdem die Corona-Pandemie im April 2020 die Wirtschaft weitgehend zum Erliegen gebracht hat. 2019 sind im Kreis RE mit dem neu in das Sozialgesetzbuch II (SGB II) aufgenommenen Paragrafen 16i („Teilhabe am Arbeitsmarkt“) 616 öffentlich geförderte Stellen geschaffen worden; und zwar bei Wohlfahrtsverbänden, Kommunen und privaten Unternehmen. Im ersten Quartal 2020 kamen 100 weitere hinzu. In die Obhut des Jobcenters fallen im Kreis RE rund 19.600 arbeitslos gemeldete Männer und Frauen (Stand Ende März 2020). 2019 ist es dem Jobcenter zum ersten Mal gelungen, Kunden in fünfstelliger Zahl (10.009) in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Damit konnte das mit dem NRW-Arbeitsministerium vereinbarte Ziel um 9,5 Prozent übertroffen werden. 2020, sollte die absolute Zahl der Integrationen noch einmal um ein Prozent gesteigert werden. Alle optimistischen Zielvorgaben dürften wegen der Corona-Krise und den katastrophalen Auswirkungen auf die Wirtschaft allerdings obsolet sein.
2023: Auftakt der Weiterbildungsmesse mit rund 150 Besuchern
Aktiv werden für die eigene berufliche Zukunft, neue Chancen finden und nutzen: Viele Dorstener/innen nutzten am 22. August 2023 das Angebot der Qualifizierungs- und Weiterbildungsmesse „Neustart auf Tour“ des Jobcenters Kreis Recklinghausen. Rund 150 Besucherinnen und Besucher kamen zum Auftakt der Messe-Tour im Treffpunkt Altstadt mit den Ansprechpartnern der 18 Aussteller nicht nur ins Gespräch: An einem Mini-Bagger, am Fahr- oder Schweiß-Simulator oder mit einer Polier-Maschine konnten unter Anleitung die eigenen Fähigkeiten in verschiedenen Berufen vor Ort auch praktisch ausprobiert werden. Um aus guten Gesprächen auch ganz konkrete Pläne werden zu lassen, standen Mitarbeitende des Jobcenters in Dorsten den ganzen Messe-Tag über zur Verfügung. Bürgermeister Tobias Stockhoff zeigte sich bei einem Rundgang über die Messe beeindruckt von der Vielseitigkeit der Bildungsträger wie auch der Bereitschaft vieler Menschen, aktiv nach einer neuen Chance zu suchen. Die „Dorstener Zeitung“ zitierte Stockhoff: „Auf dieser Messe sind die vielen Möglichkeiten zur Qualifizierung nicht abstrakt, sondern werden im Gespräch mit den Anbietern schnell handfest und konkret. So können die Besucherinnen und Besucher schnell ausloten, welches Angebot ihnen eine neue Lebensperspektive bieten kann. Hier habe ich erlebt, dass viele genau danach suchen: Nach einer neuen Aufgabe, die im besten Falle ein selbstständiges Auskommen ermöglicht, aber auch nach der notwendigen Unterstützung, um diese Herausforderung meistern zu können.“ Diesen Menschen öffne die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Jobcenter und Bildungsträgern viele Türen.
Über einen guten Start der Messe-Tour freute sich auch Nicole Heier, Leiterin des Jobcenters Kreis Recklinghausen: „Viele Bürgergeld-Beziehende haben in Dorsten das Angebot genutzt, um sich gezielt zu informieren, aktiv zu werden und eine vielleicht auch ganz neue Perspektive für sich zu entwickeln. Das ist das Ziel unserer Neustart-Messe, die hoffentlich auch an allen weiteren, noch folgenden Veranstaltungsorten im Kreis Recklinghausen so gut angenommen wird.“
Dorsten und Kreis Recklinghausen: Freie Stellen in welchen Branchen?
Mehr als 500 freie Arbeitsstellen gibt es derzeit in Dorsten. Doch in welchen Branchen haben Bewerber die besten Aussichten? Jobportale und Arbeitsagentur haben unterschiedliche Erkenntnisse. Aufgelistet waren freie Stellen beispielsweise bei verschiedenen Jobportalen – darunter „indeed“ oder „stepstone“. Oder aber bei der Bundesagentur für Arbeit. Genau 555 freie Stellen waren dort im September 2023 für Dorsten gemeldet. Zum Vergleich: 2556 Männer und Frauen waren im gleichen Zeitraum als arbeitslos gemeldet. Auswertungen zeigen, in welchen Branchen die meisten Stellen frei und damit die Chancen auf einen Job am besten sind. So finden sich beispielsweise bei den Jobportalen 728 Ausschreibungen für Vollzeitjobs in Dorsten. Zu den Top-Drei Branchen gehören das Personalwesen (207 Stellen), Einzel- und Großhandel (113 Stellen) und das Gesundheitswesen (52 Stellen). Die wenigsten Stellenangebote gibt es in den Bereichen Bildung (4), Medien und Kommunikation (2) sowie Verbraucherdienste (1).
- Viele Männer und Frauen verdienen zu wenig. Derweil verdient jede zweite Frau und jeder dritte Mann in Deutschland aktuell zu wenig, um nach 45 Jahren Berufstätigkeit eine Rente von mehr als 1400 Euro zu erhalten. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht hervor. Demnach ist für einen solchen Rentenbezug von monatlich 1400 Euro mit Stand von 2024 ein Bruttomonatslohn von 3401 Euro nötig, der durchgehend über 45 Jahre gezahlt wird. Diese Zahlen verfehlten im Jahr 2022 fast zehn Millionen der insgesamt 22 Millionen Vollzeitbeschäftigten – nämlich 3,6 der 7,2 Millionen Frauen in Vollzeitjobs und sechs von 14,8 Millionen Männern.
Quellen: In der Hauptsache gekürzt nach Jahresbericht der Vestischen Arbeit Jobcenter Kreis Recklinghausen 2013. – „Dorstener Zeitung“ vom 10. und 14. Dezember 2008, vom 14. April 2020. – Pressestelle Verfassungsgericht Nr. 5/2010 „Regelleistung nach SDB II nichtverfassungsgemäß (Hartz IV-Gesetz)“. – DZ vom 24. Aug. 2023.