Tüshaus-Kapelle

Papst Pius XI. gestattete vorübergehend die Zelebration der hl. Messe

Während des Kulturkampfs wurde die Hof-Kapelle 1874 errichtet; Foto: Maria Nienhaus

Während des Kulturkampfs wurde die Hof-Kapelle 1874 errichtet; Foto: Maria Nienhaus

Der Raum ist nur 28 Quadratmeter groß. Doch zu dem, wozu er diente, reichte dies. In dem Raum wurden Andachten, Messen und Katechesen zelebriert. Es ist die zwischen Gutshaus und Stallungen integrierte Kapelle auf dem Hof Tüshaus an der Weseler Straße in Deuten. Der Raum bietet Platz für 24 Personen. Die Kapelle enthält keine wertvollen Einrichtungsgegenstände. Bei Kriegsende wurden einige Gegenstände geplündert. Die einst bemalten Wände sind überstrichen, der Boden besteht aus bunten Keramikplatten. Der Altarstein enthält eine Reliquie, über die allerdings nichts bekannt ist. Ein Kruzifix und übermalte Maria- und Josef-Holzfiguren schmücken den Altar.

Errichtet wurde die Kapelle 1874 von Heinrich Tüshaus zur Zeit des so genannten Kulturkampfes zwischen dem 1871 neugegründeten deutschen Kaiserreich und der katholischen Kirche. Es ging um die (Neu-) Bestimmung des Verhältnisses von Staat und Kirche und den kirchlichen Einfluss u. a. auf das Bildungswesen sowie auf die Ehe- und Schulgesetzgebung. Die Auseinandersetzung dauerte von 1871 bis 1887. Reichskanzler Otto von Bismarck wollte den politischen Katholizismus in der zunehmend liberalen bürgerlichen Zivilgesellschaft zurückdrängen und die katholische Kirche verpflichten, sich an die Gesetze des Staates zu halten und nicht die Gesetze der Kirche über die des Staates zu stellen und somit die weltliche Staatlichkeit missachten. Dagegen leisteten Papst und katholische Kirche erheblichen Widerstand. Deshalb ließ Reichskanzler Bismarck Klöster und Klosterschulen schließen und auflösen, ihre Besitztümer konfiszieren, Kirchenobere mitunter verhaften, wenn sie nicht ins Exil gingen. Der Münstersche Bischof sichte sein Heil in Roermond (Niederlande). In Dorsten mussten die Franziskaner und die Ursulinen ebenso ins niederländische Exil gehen, kamen aber nach Beilegung der Auseinandersetzungen wieder zurück. In der Zeit dieser teils heftig geführten Auseinandersetzung der preußischen Behörden mit der katholischen Kirche entstand die Kapelle im Gutshaus. In diesen unruhigen Zeiten fanden die neun Kinder des Erbauers weiterhin eine gut-katholische Erziehung, denn mit der Errichtung war die Anstellung eines Hauskaplans verbunden, der zugleich Privatlehrer der Kinder war. Zudem mussten die Familienmitglieder während des Kulturkampfes nicht die politische Unbill des schwierigen Kirchenbesuchs in der Wulfener Kirche auf sich nehmen.

Genehmigung des „Apostolischen Stuhls“ in Rom  war erforderlich

Dem allem ging noch voraus, dass zur Abhaltung von heiligen Messen in der Privatkapelle eine Genehmigung des Vatikans notwendig war. Sie wurde mit etlichen heute unverständlichen Bedingungen von Papst Pius XI. „zu Rom bei St. Peter unter dem Ring des Fischers am 21. August im 29. Jahr unseres Ponifikats“ gegeben. Das war 1874.
Der Generalvikar der Diözese in Münster schrieb an Heinrich Tüshaus einen mahnenden Brief, in dem er ausdrücklich auf die Einhaltung der päpstlichen Bedingungen hinwies und sein Vertrauen aussprach, dass Heinrich Tüshaus sich daran „gewissenhaft“ halten werde.
Ein Jahr später, der Gutsherr war bereits Witwer, beantragte er die Erlaubnis, auch bei hohen Feiertagen die Messe in der Kapelle lesen lassen zu dürfen, was ihm der Papst bislang verwehrt hatte. Ein Jahr später traf die Genehmigung des „Apostolischen Stuhls“ ein, dass auch sonntags den Anwesenden eine kurze christliche Katechese erteilt werden könne.
Der erste Hauskaplan auf dem Tüshaus-Gut hieß Peter Karthaus, geboren 1850 in Soerabajo (Ostindien), dessen Mutter eine Schwester des Kölner Erzbischofs Melchers war. Auf einer Pilgerreise nach Lourdes starb sie während der Schiffsüberfahrt und wurde im Meer versenkt. Karthaus studierte in Münster, wurde 1874 zum Priester geweiht, kam als Hauskaplan der Familie Tüshaus nach Deuten, war ab 1778 Hauskaplan der gräflichen Familie von Merveldt auf Schloss Lembeck, dann Pfarrer in Erle, wo er 1927 starb. Bereits 1899 war der Kapellen-Erbauer Heinrich Tüshaus gestorben.

Nach Beilegung der Auseinandersetzung des Kaiserreichs mit der katholischen Kirche erlosch die päpstliche Sondererlaubnis zur Zelebration der Messe in der Tüshaus-Kapelle, die bis 1960 von der Familie und dem Personal nur noch für Haus- und Maiandachten sowie zum Rosenkranzbeten benutzt wurde. Heute finden mitunter Musikveranstaltrungen im kleinen Rahmen in der Kapelle statt.


Siehe auch:
Tüshaus-Mühle


Quelle:
Ludwig Tüshaus „Die Hauskapelle auf dem Hof Tüshaus“ im HK 1986

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