Vom Kaplan in Hervest-Dorsten zum Erzbischof von Hamburg
Geboren 1938 in Kleve; Erzbischof von Hamburg von 2002 bis 2014. – In der katholischen St. Josef-Gemeinde in Hervest-Dorsten waren viele Kapläne tätig, jeweils nur für wenige Jahre, bis sie woanders hin versetzt wurden, weiterhin Kapläne blieben oder eine Pfarrstelle erhielten. Von 1966 bis 1969 war einer Kaplan, der später als einziger den Aufstieg zum Erzbischof geschafft hat: Werner Thissen wurde 2002 Oberhirte der Hamburger Diözese und Metropolit der Norddeutschen Kirchenprovinz. Werner Thissen verkörpert eine Bilderbuch-Karriere, die in Dorsten begann.
Werner Thissen wurde Domkapitular in Münster, dann Generalvikar
Werner Thissen, Sohn eines katholischen Kaufmannsehepaares, studierte Betriebswirtschaft in Köln und Innsbruck. Er entschloss sich dann aber, Priester zu werden, und studierte daher Philosophie und Theologie in München und Münster, wo er aktives Mitglied des Katholischen Studentenvereins „Germania Münster“ war. 1966 empfing er in Münster die Priesterweihe. Nach seiner Priesterweihe kam er als Kaplan nach Hervest-Dorsten, war danach Spiritual am Collegium Johanneum in Ostbevern und von 1971 bis 1977 Subregens am Priesterseminar des Bistums Münster. Werner Thissen promovierte 1974 mit einer Arbeit über das Markus-Evangelium und war seit 1977 Leiter der Hauptabteilung Seelsorge im Bischöflichen Generalvikariat in Münster, wurde im selben Jahr zum Geistlichen Rat ernannt und 1984 zum residierenden Domkapitular an der Domkirche in Münster berufen. 1986 wurde Thissen Generalvikar in Münster.
Zu einem in Kirchenkreisen bundesweit bekannten Gesicht machten Thissen die rund zehn Jahre, in denen er einer von mehreren Sprechern der Samstagabend-TV-Sendung „Wort zum Sonntag“ war. Eine andere, eher reflexive Beschäftigung fand Dr. Thissen früh in der Auseinandersetzung mit Lyrik und dem Schreiben eigener Gedichte, die er auch mehrfach veröffentlichte. Beim Dichten kann man Werner Thissens Urteil zufolge „nicht lange drum herum reden“, sondern müsse schnell „auf den Punkt kommen“.
Regionalbischof für Borken/Steinfurth, danach Erzbischof von Hamburg
Papst Johannes Paul II. ernannte ihn 1999 zum Titularbischof der erloschenen, in Albanien gelegenen Diözese von Scampa und bestellte ihn zum Weihbischof im Bistum Münster. Als Regionalbischof war er für Borken-Steinfurt zuständig. Sozialpolitisch verstand sich Werner Thissen in seinem Bezirk auch als Lobbyist der Arbeitslosen. Den Schwerpunkt seiner Arbeit in Borken/Steinfurt bildeten Gemeindebesuche sowie rund 5.000 Firmungen im Jahr. Innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz übernahm der Geistliche die Leitung der Unterkommission für Entwicklungsfragen in der Kommission für weltkirchliche Aufgaben. Damit wurde er auch für das Hilfswerk Misereor zuständig. – 2002 wurde Dr. Thissen Erzbischof von Hamburg und somit Vorsitzender der Unterkommission bei der Deutschen Bischofskonferenz sowie Prior der Norddeutschen Ordensprovinz des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem und seit seiner Amtseinführung auch Ehrenkapitular des Domkapitels zu Münster. Den Sprengel der neuen Erzdiözese Hamburg bildeten die Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg ohne Vorpommern, das zur ebenfalls neuen Erzdiözese Berlin kam. Die Diözesen Osnabrück und Hildesheim wurden dem neuen Hamburger Erzbistum als Suffraganbistümer zugeordnet. Obgleich flächenmäßig mit 32.000 Quadratkilometern die größte deutsche Diözese, zählte das Erzbistum Hamburg 2002 als Teil der katholischen Diaspora lediglich 173 Kirchengemeinden mit rund 404.000 Katholiken aus über 80 Nationen. Im März 2014 trat Werner Thissen aus Altesgründen als Erzbischof von Hamburg zurück. Bis Januar 2015 war der Bischofssitz vakant. Danach wurde er mit dem 48-jährigen Generalvikar aus Köln besetzt.
Für Dorstener immer noch der „Herr Kaplan“
Werner Thissen war immer ein begeisterter Sportler. Lange spielte er Fußball, noch längere Zeit betrieb er Ski-, Tischtennis- und Radsport. Besonders interessiert sich Thissen auch für Kunst und Musik. Bekommt Werner Thissen Besuch aus Dorsten, und fragt der Besucher im Vorzimmer, wie er ihn anzusprechen habe, dann wird ihm geantwortet: „So, aus Dorsten sind Sie, dann dürfen Sie ,Herr Kaplan’ sagen.“ Von seiner ersten Kaplanstelle in Hervest-Dorsten spricht er von einem Glücksfall. Pfarrer Wedi hatte ihn mit allen Aufgaben betraut. So lernte Kaplan Thissen seine seelsorgerliche Arbeit und in der Gemeinde- und Jugendarbeit sein „Handwerk“ von der Pike auf.
Veröffentlichungen (Auswahl): „Du bist mein Glück. Leben aus der Kraft der Begegnung“, „Einsicht in Unsichtbares“ (über die neuen Meistermann-Fenster im Münsteraner Dom), „Mitten im Zeitenwirbel“ (Bildmeditationen), „Licht und Kraft. Auferstehungsglaube“.
Erläuterungen: Der Regens (Subregens Vertreter) ist in der katholischen Kirche der Leiter eines bischöflichen Seminars, insbesondere des Priesterseminars einer Diözese. Er regelt alle äußeren Fragen des Seminarbetriebs. – Der Spiritual vermittelt in katholischen Erziehungseinrichtungen (Priesterseminaren, Kursen, Exerzitien, persönlichen Gesprächen) die Grundlagen des katholischen Gebetslebens und der Spiritualität (auch in Ordensgemeinschaften). – Der Titularbischof ist in der röm.-kath. Kirche und in der orthodoxen Kirche ein geweihter Bischof, der im Unterschied zum Diözesanbischof keine eigene Diözese leitet, aber den Titel einer untergegangenen und nicht mehr existierenden Diözese trägt.
Quellen:
Munzinger-Archiv. – Wikipedia, Online-Enzyklopädie (Stand 2011). – Rolf Plümpe „Stark durch die Kaplanstelle in Hervest geprägt“ in RN vom 11. April 1993.