Stromtarife – flexibel

Ein wichtiger Schritt dazu soll zum Jahreswechsel 2024/25 gemacht werden

Die Vokabel „Gamechanger“ wird gerne benutzt, wenn es um dynamische Stromtarife geht. Sie können nützlich für die Energiewende werden und – ebenso wichtig – die Stromkosten der Verbraucher spürbar drücken. Damit soll‘s eigentlich zum Jahreswechsel so richtig losgehen. Doch nun droht ein Fehlstart. Dabei ist eine gewisse Nachfrage da. Immerhin etwa ein Drittel der Eigenheimbesitzer hat Interesse an den Tarifen, die sich an Börsenpreisen orientieren. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage der Meinungsforschungsfirma Civey hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Unter den Befragten, die eine Wärmepumpe, einen Stromspeicher oder eine Wallbox zum Aufladen von Elektroautos bereits besitzen oder sich demnächst anschaffen wollen, ist es sogar fast jeder Zweite. „Dynamische Tarife werden in wenigen Jahren ein wichtiger Baustein der Energiewende sein“, sagte Oliver Hummel, Chef des Ökostrom-Anbieter Naturstrom. Die Umfrage wurde im Auftrag seines Unternehmens erstellt. Verlagerten Kunden mit einem dynamischen Tarif ihren Verbrauch in Zeiten mit niedrigen Strompreisen, könnten „sie ordentlich sparen“, und zugleich stützten sie das Stromsystem.

Dynamische Stromtarife bei über 50 Prozent der Deutschen unbekannt

Bislang fehlt es privaten Haushalten aber an Anreizen, Strom genau dann anzufordern, wenn er an den Energiebörsen besonders preiswert ist. Das war zum Beispiel in der Nacht zum 6. Dezember der Fall, als große Mengen an Windstrom die Notierungen zeitweise auf weniger als einen Cent pro Kilowattstunde drückten. Derartige Sonderangebote gehen derzeit noch an den Verbrauchern vorbei, weil sie die Stromlieferung nach wie vor mittels pauschaler Standardtarife bezahlen. Auch weil die Versorgungsunternehmen mit den flexibleren Angeboten eher geizen. Aber: Vom 1. Januar 2025 an sind alle Verkäufer von elektrischer Energie dazu verpflichtet, mindestens einen dynamischen Tarif zu offerieren. Allerdings haben viele Menschen nach wie vor herzlich wenig Ahnung von all dem. Laut Civey-Studie hat jeder Vierte bei der Frage nach dem Interesse an den neuen Offerten mit „weiß nicht“ beantwortet. Beinahe die Hälfte hat mit Strompreisen, die sich stündlich ändern, nichts am Hut. Eine Umfrage des Verbraucherverbands VZBV hat ebenfalls ergeben, dass dynamische Stromtarife bei mehr als 50 Prozent der Deutschen gänzlich unbekannt sind.

Der Umbau komme nur „sehr schleppend“ voran

Hummel räumt ein, dass die Digitalisierung der Energiewende „gerade erst am Anfang steht“. Ein Faktor: Dynamische Tarife brauchen intelligente Zähler (Smart Meter), diese gibt es aktuell aber nur für etwa ein Prozent der privaten Anschlüsse. Der Umbau komme nur „sehr schleppend“ voran, betont der Naturstrom-Chef. Für ihn zeigen die Umfrageergebnisse, dass Politik und Versorger die Vorteile „noch mehr und besser erklären müssen.“ Der VZBV spricht gar von einem „großen Informationsdefizit“.

Interesse an automatisierter Steuerung des Stromflusses ist groß

Zugleich ist das Interesse an einer automatisierten Steuerung des Stromflusses relativ groß. Fast ein Viertel der von Civey Befragten zeigt zumindest Neugier auf solche Systeme, die längst marktreif sind. Besonders die softwaregesteuerte Wallbox kann interessant werden: Fürs Laden des E-Autos wird Strom nur dann gezogen, wenn er billig ist. Das Resultat: Die Tankkosten sinken deutlich. Mehreren Studien ist überdies zu entnehmen: Kann die Energie aus der Auto-Batterie sogar noch zu hohen Preisen wieder ins Netz zurück gepumpt werden (bidirektionales Laden), dann sind Kostensenkungen von mehr als 600 Euro pro Jahr möglich. Allerdings liegt noch einiges im Unklaren. So mahnt der VZBV an, potenzielle Kostenrisiken für die Verbraucher direkt ersichtlich und vergleichbar mit Festpreistarifen zu machen. Denn „dynamisch“ bedeutet auch, dass Börsenpreise in astronomische Höhen schießen können. Die Verbraucherschützer fordern gesetzliche Regelungen und berufen sich dabei auf eigene Umfrageergebnisse: „Für 72 Prozent der Befragten würde eine zusätzliche Absicherung gegen starke Preissteigerungen dynamische Stromtarife deutlich oder zumindest etwas attraktiver machen.“
Und dann noch die Debatte über Smart Meter: Im November 2025 hat die rot-grüne Minderheitsregierung neue Bestimmungen für die schlauen Zähler auf den Weg gebracht, die die Kosten für private Haushalte deutlich erhöhen würden. In der Energiewirtschaft wird nun gerätselt, ob es dafür noch eine Mehrheit im Bundestag gibt.

Strompreise im Jahr 2024: Strom vor allem durch langfristige Verträge

An windreichen und sonnigen Tagen kann der Strompreis in den Keller rauschen. Können Verbraucher davon profitieren? Strom ist in Überangebot-Phasen auf dem deutschen Markt im Jahr 2024 an der Börse häufiger verramscht worden. Es gab 459 Stunden mit einem negativen Preis auf dem sogenannten Day-Ahead-Markt. Dort wird im Großhandel der Strom für den nächsten Tag gehandelt. Im Jahr zuvor waren es 301 Stunden, 2022 nur 69, wie die europäische Strombörse Epex-Spot – eine Tochter der EPEX in Leipzig – mitteilte. Doch gab es ebenfalls deutliche Preisausschläge nach oben. „Die Volatilität am Strommarkt ist gestiegen“, erklärte Epex-Sprecherin Maria Schubotz.
Negative Strompreise entstehen, wenn hohes Angebot auf geringe Nachfrage trifft – etwa bei starkem Wind an Feiertagen. Dann erhalten Käufer an der Börse schon mal Geld, wenn sie kurzfristig Strom abnehmen. 2024 lag der höchste Negativwert bei -135,45 Euro je Megawattstunde. Aufs Gesamtjahr gesehen machten Zeiten mit negativem Strompreis etwa fünf Prozent aus. Deutlich stärkere Ausschläge gab es in die andere Richtung. 379 Mal habe der Börsenpreis die Marke von 150 Euro überschritten, 21 mal lag er sogar über 500 Euro.
Die Strompreise an der Börse sind Großhandelspreise. Verbraucher haben in der Regel feste Preise fürs gesamte Jahr vereinbart, Anbieter beschaffen ihren Strom vor allem durch langfristige Verträge. Allerdings müssen Stromversorger seit Jahresbeginn auch dynamische Stromtarife anbieten, die an den kurzfristigen Börsenstrompreis gekoppelt sind.

Chancen und Risiken für Verbraucher

Das bietet nach Einschätzung von Experten Chancen und Risiken. Zwar können Verbraucher Geld sparen, wenn sie dann ihr E-Auto laden oder Wäsche waschen, wenn der Strom billig ist. Allerdings tragen sie auch das Risiko bei sogenannten Dunkelflauten, wenn Windkraft- und Solaranlagen kaum liefern und der Preis an der Börse in die Höhe schnellt. Einsparpotenziale hätten vor allem Kunden, die auf schwankende Strompreise reagieren könnten, zum Beispiel mit Smart-Home-Technologien.


Quellen: Frank-Thomas Wenzel in RN (DZ) vom 16. Dezember 2024. –  Andreas Hummel in RN (DZ) vom 6. März 2025

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