Sie waren vor Jahrhunderten der Ausdruck eines hoheitlichen Rechts
Im Mittelalter hatte nur das Reich das Recht, öffentliche Straßen anzulegen. Dies änderte sich nach der Goldenen Bulle von 1356 (Reichsgrundgesetz), als das so genannte königliche Straßenregal (iura regalie) an die Landesfürsten bzw. territorialen Gewalten überging. Das Straßenrecht entstand aber nur an den eigentlichen Land- und Heerstraßen. Ausgenommen waren private Straßen und Wege ohne öffentliche Nutzung. Das Straßenregal umfasste das Recht, Straßen anzulegen, zu verändern und die Verpflichtung, für Unterhaltung und Sicherheit zu sorgen. Die Nutzung dieser Straßen war gegen Zahlung eines Entgeltes gestattet (siehe Wegegeld; siehe Zoll). Vorläufer der heutigen Kreis-, Landes- und Bundesstraßen sind die alten Wege, die die reitenden oder fahrenden Boten der Post benutzten, die nach dem Dreißigjährigen Krieg erstmals durch Dorsten und die Herrlichkeit kamen. Die Reitpost nach Wesel benutzte ab 1641 den zum Teil heute noch bestehenden Waldweg von Wulfen über das Muna-Gelände und dem Emmelkamp. Den gleichen Weg nahm auch die Wagenpost von Halberstadt nach Kleve, während die Wagenpost von Münster ab 1723 nach Bonn über Hervest und das Lippetal nach Dorsten führte. Erst nach dem Bau der ersten Kunststraßen wurden die alten Postwege aufgehoben und die Poststationen für den Pferdewechsel an diese neuen Straßen verlegt.
Am Schnittpunkt von Straßen Poststationen
Die erste dieser festen Straßen oder Chausseen ließ Napoleon von Wesel nach Münster anlegen (heute B 58). Sie berührte Wulfen-Tüshaus und Altschermbeck, wurde 1811 bis 1813 geplant und 1832 fertig gestellt. 1824 wurde mit dem Bau der Straße Dorsten-Lippramsdorf-Haltern vom Gemeindedreieck aus begonnen. Sie sollte Dorf Hervest berühren, aber die Gemeindeväter waren dagegen. Deshalb machte sie einen Knick und ließ das Dorf südlich liegen. 1845 begann der Ausbau der Landstraße von Dorsten nach Borken. Sie war 1850 bis zur Raesfelder Grenze fertig gestellt (jetzt B 224). Am Schnittpunkt mit der Straße, die von Wulfen nach Altschermbeck führt, wurde eine Poststation eingerichtet (Freudenberg), die man Neu-Tüshaus nannte.
Damit alle sieben Orte der Herrlichkeit miteinander verbunden waren, wurde 1897 die Straße von Lembeck nach Wulfen bis zur Wienbecker Mühle gebaut, 1899 die Straße Altschermbeck-Holsterhausen, 1901 die Straße Lembeck-Rhade-Erle und 1905 das Straßenstück Erle-Üfte-Altschermbeck fertig gestellt, 1909 folgte das Reststück von Altschermbeck über Rüste-Emmelkamp-Dorf Holsterhausen bis an die Landstraße Dorsten-Borken (bei der früheren Bleicherei Paton). 1912 wurde der Bau der Straße von Dorf Hervest nach Wulfen beendet. Somit war das Straßennetz in der Herrlichkeit mit einer Länge von 35 km geschlossen.
Ein Netz von unterschiedlichen Straßen
Heute ist Dorsten neben diesen Straßen, die zum Teil als Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen ausgebaut wurden, im Osten über die Autobahn 43 (Wuppertal-Münster), westlich über die A 31 zu erreichen. Das Dorstener Straßennetz umfasst heute rund 800 km Gemeindestraßen, 45 km Kreisstraßen, 42 km Landesstraßen, 30 km Bundesstraßen und 17 km Autobahn (Stand 2011). Nach langjährigem Vorlauf wurde 2007 mit der Umgestaltung der Ortsdurchfahrt in Wulfen (B 58) in vier Bauabschnitten begonnen. Die 1,2 km lange Baumaßnahme mit Kosten von 2,7 Mio. Euro war Mitte 2008 abgeschlossen. Das Ruhrgebiet hat ein Autobahnnetz von insgesamt rund 300 Kilometern Länge. Die Hauptachsen in Ost-West-Richtung bilden die Autobahnen A 2, A 40 und A 42. Daneben verlaufen von Nord nach Süd die Autobahnen A 1, A 3, A 45 und A 59 als Nebenachsen, dazu die A 52, die das Ruhrgebiet über Essen mit Düsseldorf verbindet.
Marode Straßen werden oft nur ausgebessert – Momentaufnahme 2018
In Dorsten gibt es rund 800 Kilometer Straßen in städtischer Verantwortung. Wie viele Kilometer davon saniert werden müssen, lässt sich nicht beziffern. Geld und Personal fehlen – und es gibt noch ein anderes Problem. Länger als zwei Jahre dauerte die Sanierung der Bismarckstraße, mit der 2016 begonnen wurde. In dieser Zeit diente die Marienstraße als Umleitung. Die höhere Belastung beschädigte diese bereits 60 Jahre alte mit Rissen und Löchern übersäte Straße noch mehr. Andere Straßen geben kein besseres Bild ab. Etwa 2 Millionen Euro sind im Haushalt 2019 für den Unterhalt der Straßen veranschlagt, laut Verwaltung müssten es eigentlich mindestens 4,5 Millionen sein. Der städtische Anteil bei vollständiger Erneuerung von Straßen sei abhängig von der Klassifizierung der Straßen und dem Anteil, der von den Anliegern zu finanzieren ist sowie den tatsächlichen Kosten nach der Ausschreibung. An den folgenden kommunalen Straßen in Dorsten sind Arbeiten in Planung oder im Gange:
1) Mühlenstraße in Holsterhausen (Pliesterbecker- bis Mittelstraße): aktuell im Bau. – 2) Klosterstraße Altstadt (Hafen- bis Pestalozzistraße): Umsetzung in 2019. – 3) Drossel-/Nachtigallenweg in Hervest-Dorsten: Ausbau in 2019. – 4) Luisenstraße in Holsterhausen (Möllenweg bis Blauer See): Baubeginn noch offen. – 5) Wennemarstraße in Holsterhausen: Baubeginn noch offen.
In Dorsten werden zwischen 40 und 80 Prozent der Kosten einer Straßenerneuerung auf Anlieger umgelegt. Die Höhe des Beitrags ist abhängig von der Klassifizierung der Straße (Anlieger-, Haupterschließungs- oder Hauptverkehrsstraße) und der Grundstücksfläche. Marode Straßen sind auch für Radfahrer ein Ärgernis. Schlaglöcher sind für diese im Extremfall lebensgefährlich. In den Niederlanden geben die Kommunen teils mehr als 200 Euro pro Einwohner und Jahr für den Ausbau von Radwegen aus. In Deutschland sind es gerade mal 1 bis 5 Euro.
Starker Frost 2021: Schlaglöcher wurden mehr und immer größer
Für Autofahrer in Dorsten war der Kälteeinbruch im Februar 2021 gleich in doppelter Hinsicht eine Herausforderung. Zunächst hatten sie mit zugeschneiten, vereisten und rutschigen Straßen zu kämpfen. Und dann sorgten stellenweise Straßenschäden und Schlaglöcher für Verdruss. Frost- und Tauwechsel hatten nämlich dafür gesorgt, dass einige stark beanspruchte Fahrbahndecken aufplatzten – oder dass bereits bestehende Schlaglöcher noch größer geworden waren. Das betraf sehr viele Straßen, denn diese sind schon seit etlichen Jahren Holperstrecken, da die Stadt seit Jahrzehnten Straßenschäden kaum noch ausgleicht – und wenn, dann sind die Reparaturen neue Holperstellen. Zumindest warnen an manchen Stellen rot-weiße Baken und ein Verkehrsschilder vor den „plötzlichen“ Straßenschäden. Sowohl die Bundesstraße 225 als auch die Landesstraße 509 werden von Straßen.NRW betreut. Die Straßenmeistereien suchten in der Folge im gesamten Ruhrgebiet die Straßen nach aktuellen Schäden ab. Die schlimmsten Löcher sollen kurzfristig gestopft werden. Auch die Kreisverwaltung hat ihre Mitarbeiter auf die Straßen geschickt. Die Begutachtung der Straßen in Dorsten soll zeitnah folgen. Doch wie kommt es zu Schlaglöchern? Sie sind Folgeschäden von Frostaufbrüchen. Diese treten auf, wenn Wasser durch die defekte Oberfläche eines Straßenbelages eindringen kann. Bei Frost vergrößert die Vereisung des Wassers diese Risse. Dauerndes Überfahren vergrößert das Schlagloch.
Überblick 2024: Schlaglöcher – welche Stra0en nerven am meisten?
Der halbe Winter 2023/24 war geschafft – und einigen Straßen und Schlaglöchern in Dorsten sieht man das deutlich an. Stadtsprecher Ludger Böhne zog ein Zwischenfazit, veröffentlicht in der Dorstener Zeitung. Die Straßenmeistereien in der Region dürften mit dem bisherigen Winter bislang nicht ganz unzufrieden sein. Ludger Böhne: „Wir hatten in diesem Winter bisher nur wenig Frost und demzufolge nicht so häufig den besonders schädlichen ständigen Wechsel von Nässe auf Frost, der zu Aufbrüchen und Schlaglöchern führt.“ Was aber nicht bedeutet, dass alle Straßen bislang schadlos durch den Winter gekommen sind. Böhne: „Schäden gibt es, allerdings stadtweit betrachtet, nicht übermäßig, sondern im Rahmen der letzten, überwiegend milden Winter.“ Stärker betroffen seien die Straßen, die insgesamt bereits „aufgebraucht“ seien, so Böhne, und nach dem Straßen- und Wegekonzept der Stadt ohnehin zur Erneuerung anstehen. Dazu gehörten unter anderem die Marienstraße, Clemens-August-Straße und die Straße Am Lipping. Das Straßen- und Wegekonzept ist einsehbar unter www.dorsten.de/wirtschaft-und-wohnen/verkehr/strassen-und-wegekonzept . Die Frage, wann eine Straße saniert wird, hängt nicht nur von ihrem Zustand ab, sondern auch von anderen Faktoren. Die Clemens-August-Straße beispielsweise, die im Straßen- und Wegekonzept für 2024/25 gelistet wurde, könnte auch erst 2026 saniert werden, da die Stadt gleichzeitig das Kanalsystem sanieren will. Zudem hatte die CDU im vergangenen Jahr ein Konzept für den Bereich zwischen Kirchhellener Allee und Clemens-August-Straße gefordert, dass auch die Themen Parken und Sicherheit der Schulwege aufgreifen soll. Auch die Martin-Luther-Straße in Holsterhausen ist recht holprig. – Für manche kaputte Straße in Dorsten ist nicht die Stadt zuständig. Die Halterner Straße (L 509), die in Nähe des Rathauses starke Schäden aufweist, liegt im Verantwortungsbereich des Landes. Bei Bundes- und Kreisstraßen liegt die Aufgabe der Reparatur ebenfalls nicht bei der Stadt.
„Klack-klack“-Pflaster der Innenstadt muss erneut ausgebessert werden
Im Bauausschuss der Stadt berichtete am 21. März 2023 Dorstens Stadtbaurat Holger Lohse, dass an vielen Stellen der neuen Innenstadtpflasterung „das Fugenbild sehr ungleichmäßig ist und einige Fugen nicht mehr gefüllt sind“. Es gebe auch Abplatzungen an Steinen. Das stellten vor ihm etliche Dorstener Bürger fest, die mit Fahrrädern oder mit Senioren-E-Scootern durch die Altstadt fuhren. An manchen Stellen waren die Fugen zwischen den Stein platten nicht mehr vorhanden. Und das, obwohl das ockerfarbene Pflaster in der Innenstadt, das im Rahmen von „Wir machen Mitte“ neu aufgelegt worden war, gerade mal erst rund drei Jahre alt ist.
Jetzt will die Stadt erst einmal einen Fugenberater beauftrage, sich das 8000 Quadratmeter große Pflaster in der Innenstadt anzuschauen, In Nacharbeiten sollen dann die betreffenden Stellen mit neuen Pflasterplatten, die im Bauamt lagern, ausgetauscht werden. Die Frage bleibt, warum die Bodenfliesen locker werden. Müssen Straßen anders gekehrt werden als mit dem Kehrwagen? Muss der Zulieferverkehr gemindert oder eingestellt werden? Was auch immer. Offensichtlich ist diese Art der Pflasterfliesen auch für eine Fußgängerzone mit entsprechend eingeschränktem Verkehr zu leicht – abgesehen von der unmöglichen gleichfarbigen und gleichförmigen Pflasterung für drei unterschiedliche Straßen mit unterschiedlichen Fassaden der Häuser. Aber das ist ein anderes Thema.
- Doppelt so viele Investitionen in Straßen als in Schieneninfrastruktur
Deutschland hat in den vergangenen knapp 30 Jahren etwa doppelt so viel in Straßen investiert als in seine Schieneninfrastruktur. Zu diesem Ergebnis kam eine Mitte September 2023 veröffentlichte Untersuchung des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie und des T3 Transportation Thinktanks im Auftrag von Greenpeace. Zahlen aus jüngeren Jahren zeigen demnach zudem, „dass die deutsche Politik nach wie vor voll auf das Auto ausgerichtet ist“. Die beiden Denkfabriken haben dem Bericht zufolge die Investitionen in die Straße und die Schiene in den 27 EU-Staaten sowie in Großbritannien, Norwegen und der Schweiz untersucht. Vergleichbare Daten für diese 30 Länder lagen für die Jahre 1995 bis 2018 vor. In diesem Zeitraum wurden demnach im Schnitt 66 Prozent mehr in Straßen als in die Schiene investiert. In Deutschland beliefen sich die Mehrausgaben den Angaben zufolge auf über 100 Prozent: 278,4 Milliarden Euro flossen in Straßen, nur 132 Milliarden in die Schiene. Während das deutsche Schienennetz bis 2020 um 15 Prozent auf 38.400 Kilometer schrumpfte, wuchs das Autobahnnetz um 2000 Kilometer (18 Prozent).
Auch das noch:
Über Nacht mehr als 50 Gullideckel auf Straßen in Dorsten entwendet
Ende Februar 2019 wurden eines nachts im Stadtgebiet über 50 Abdeckungen von Regeneinläufen („Gullideckel“) und Schachtabdeckungen gestohlen. Betroffen waren Straßen in Barkenberg, Wulfen und im Industriegebiet Dorsten-Ost. Mitarbeiter des Bauhofs sicherten die offenen Schächte. Der Schaden lag im fünfstelligen Bereich. Die Stadt Dorsten erstattete Anzeige gegen Unbekannt.
Siehe auch: Straßen (Artikelübersicht)
Siehe auch: Straßennamen
Siehe auch: Straßenbeleuchtung
Siehe auch: Straßen im Vest
Siehe auch: Straßennamen Dorsten
Siehe auch: Alte Straßen
Siehe auch: Alter Postweg (Essay)
Siehe auch: Patriotische Straßennamen 1-6
Quellen: Wilhelm Schröder „Die Straßen der Herrlichkeit Lembeck“ in HK 1964. – Wilhelm J. Fleitmann „Eine alte Extrapost- und Fernstraße durch das Vest Recklinghausen“ in VK 1986. – Fuchs, Raab „Wörterbuch Geschichte“, dtv, 12. Aufl. 2001. – Michael Klein in DZ vom 17. Febr. 2021.
Literatur: A. Schulte „Geschichte des mittelalterlichen Verkehrs zwischen Westdeutschland und Italien“ (1900). – K. Zeumer „Straßenzwang und Straßenregal“ in ZRG GA 36 (1915).