Zehn Jahre Spiel: von Ödipus bis Medea, von Seneca bis Tabori
1986 gründete eine Gruppe von 15 jungen Dorstenern und Dorstenerinnen um Raymund Ridderskamp und Thomas Boos das „Sommertheater Dorsten“, das jedes Jahr im Sommer zu Aufführungen klassischer Stücke in das Freilichttheater Maria Lindenhof einlud. Es bestand bis 1997. Den Anstoß zur Gründung gab der damalige Stadtdirektor Dr. Karl-Christian Zahn, der das Amphitheater im Bereich Maria Lindenhof zwischen Kanal und Lippe beleben wollte und deshalb mit Thomas Boos Kontakt aufgenommen hatte. Während Kerstin Ranzinger nur ein kurzes Gastspiel als Statistin im Sommertheater gab, gehörten Namen wie Julia Friedrich Anderseck, Katja Podszuweit und Thomas Brandt zum Stamm-Ensemble. Weitere Mimen waren u. a. noch Stephanie Lenz, Frieder Kornfeld, Christoph Wink, Katharina Joss, Bernd Helle und Rolf Puschnig.
Inszenierungen mit eindringlicher Choreografie
Zu den Inszenierungen gehörten Aristophanes‘ „Lysistrata“, Senecas „Thyestes“, Sophokles‘ „König Ödipus“ und „Philoklet“, Euripides‘ „Die Bacchen“ und „Medea“, aber auch Tabori- und Dario Fo-Stücke. Das mit viel Engagement betriebene und bis zu 35 Köpfen starke Ensemble des Sommertheaters gab nach zehn Jahren auf, weil neben der großen Mitspieler-Fluktuation – die Mimen gingen in den Beruf und ins Studium – ihre Kulissen vor und zwischen den Aufführungen von unbekannten Randalierern immer wieder zerstört wurden. Die großartigen Leistungen dieses nur wenige Jahre bestehenden Ensembles sind auch heute noch gar nicht genug zu würdigen. Beispielweise wagten sich die Mimen mit „Thyestes“ an ein schweres Stück, das deutsche Bühnen kaum aufführen. Denn „Thyestes“ lebt vom schweren Sprachfluss Senecas, der den kargen Handlungsablauf transportiert, und von einer zurückhaltenden aber desto eindringlicheren Choreographie. Beide Bereiche erfordern eine große Disziplin, die das Dorstener Sommertheater vortrefflich zu beherrschen wusste und als Laientheater so mancher Landesbühne durchaus nicht zurückstand. Wolf Stegemann in den RN vom 17. Juni 1989 (Auszug):
Sowohl für das Sommertheater selbst als auch für die Kulturszene der Stadt war die Premiere [Thyestes] ein Erfolg und somit ein weiterer kultureller Mosaikstein für eine Theatereinrichtung, der, machte sie so weiter, sicherlich der Durchbruch bald gelingen wird. […] Die großartige Leistung des Sommertheaters ist nicht genug zu würdigen. Mit „Thyestes“ wagten sich die Mimen an ein schweres Stück, das deutsche Bühnen kaum aufführen. Thyestes lebt von Senecas schweren Sprachfluss, der den kargen Handlungsablauf transportiert, und von einer zurückhaltenden aber desto eindringlicheren Choreographie. Beide Bereiche erfordern eine große Disziplin.
Siehe auch: Stephanie Lenz