Früher vom Adel entlehnter Papagei, später der Reichsadler mit Insignien
Das organisierte Schießen der waffenfähigen Bürger und Landbewohner diente Übungszwecken mit dem Ziel der Stadt- und auch der Landesverteidigung. Die vom Landesherrn oder vom Rat der Stadt berufenen und beaufsichtigten Schützen übten in regelmäßigen Abständen auf einem Schießplatz, wobei die Scheibe vorrangig als Zielobjekt gedient hatte. Daneben fand einmal im Jahr ein Wett- oder Preisschießen der organisierten Schützen statt, das als Zielobjekt einen auf eine Stange gesteckten Vogel hatte. In den ältesten schriftlichen Zeugnissen wird dieser Vogel stets als Papagei bezeichnet. Deshalb, weil der Papagei durch die Kreuzzüge bekannt wurde und sich bei Kirchenfürsten und an adeligen Höfen aufgrund seines Aussehens und seiner Gelehrsamkeit wachsender Beliebtheit erfreute. Daher hatte die bürgerliche Welt der aufstrebenden Städte diesen Vogel der ritterlichen Welt als Schützensymbol entlehnt.
Der Adler ist in Westfalen erst ab dem 17. Jahrhundert nachweisbar
Das Schießen auf hölzerne Papageien ist frühestens für das beginnende 14. Jahrhundert aus Flandern (heutiges Belgien) überliefert. Auch jene frühen schriftlichen Zeugnisse, die nicht nach ausdrücklich vom Papagei, sondern vom Vogel sprechen, meinen einen irgendwie gearteten, exotisch wirkenden Vogel, nicht jedoch den Adler. Auch Dorstener Schützen schossen damals auf Papageien. Der Adler als Abschussvogel kommt wahrscheinlich erst im 16. Jahrhundert auf und wird dem heraldischen Adler des Reiches nachgebildet gewesen sein, während der im Westfälichen frühestens seit dem 17. Jahrhundert nachweisbare Adler wohl das Wappentier Brandenburg-Preußens gewesen ist. Dennoch sprach man über die Stangenvögel von Papageien, auch an ihrer Stelle bunte Flügeltiere unbestimmter Art als Ziele dienten. Der Adler hatte spätestens im 19. Jahrhundert überall den Papagei verdrängt und erfreute sich mit Krone, Zepter und Reichsapfel wachsender Beliebtheit – bis heute, auch da oder dort auch auf Scheiben geschossen wird. Über das Aussehen historischer Abschussvögel ist fast nichts bekannt. Ältere Objekte haben sich nicht erhalten, wenn man von den ganz wenigen besonders schönen und zu Repräsentationszwecken gearbeiteten Vögeln absieht, die anderen vermutlich als Vorlage gedient haben. Der Rumpf der hölzernen Schützenvögel bestand ursprünglich aus Eiche oder Weißbuche. Flügel, Schwanz, Kopf und Hals aus Fichte oder Tanne. Der Korpus war zwischen 13 und 18 cm stark, die Längenmaße bewegen sich zwischen 80 cm und 100 cm, die Spannweite der Flügel zwischen 90 cm und 115 cm. Traditionell wird ein Vogel im Festzug mitgeführt, bevor er am Tag des Königsschießens auf die Vogelstange aufgesetzt wird. Heute wird der Vogel aus Sperrholz, Weichholz und Fichte gebaut. Der Korpus ist insgesamt ca. drei cm dick. Jahrzehntelang schnitzte die Familie Wansing schon in der dritten Generation für die Dorstener Altstadtschützen die Vögel.
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