Staatsanwalt schwimmt als Justizhistoriker gegen den Strom
Geboren 1950 in Dorsten; Staatsanwalt in Essen. – Tagsüber sitzt er über Akten, die von Mord und Totschlag handeln, ermittelt bei Verdächtigen und Zeugen, schreibt Anklageschriften und streitet im Gerichtssaal. Dr. jur. Bernd Schmalhausen, verheiratet, zwei Kinder, ist Staatsanwalt im Essener Dezernat für Kapitalverbrechen. Mit gleicher Energie und mit großer persönlicher Betroffenheit sitzt der Jurist nach Dienstschluss über Gerichtsakten, anderen allerdings, die aber auch mit Mord und Totschlag zu tun haben, mit NS-Verbrechen an Juden, mit Vertuschung und Verdeckung in Justizkreisen, von Richtern, die nationalsozialistisches Unrecht gesprochen haben, und setzte jüdischen Juristen in Essen mit seinem Buch „Schicksale jüdischer Juristen in Essen 1933 bis 1945“ eine bleibende Erinnerung. Mit seinem Erstlingsbuch über den Krupp-Generalbevollmächtigten Berthold Beitz („Mensch in unmenschlicher Zeit“), der Ausrottungsmaßnahmen der Nazis gegen Juden torpediert hatte, machte sich Schmalhausen einen guten Namen. Andere Bücher folgten wie über den jüdischen Maler Liebermann („Ich bin doch nur ein Mensch. Max und Martha Liebermann im Dritten Reich“), über den jüdischen Arzt Dr. Rolf Bischofswerder („Dr. Rolf Bischofswerder – Leben und Sterben eines jüdischen Arztes aus Dortmund“). Weil er den jüdischen Arzt für einen „großen Sohn“ der Stadt Dortmund hält, bat Schmalhausen den Oberbürgermeister Günter Samtlebe um ein Vorwort. Außerdem sei sein Buch die erste Biographie über einen von den Nazis ermordeten Juden der Stadt. Doch Samtlebe las nicht einmal das Manuskript. Erregt berichtete Schmalhausen (nebenstehendes Foto in Dorsten 1988) von einem Telefonat mit dem Referenten des OB, der ihm erklärte, wenn der Oberbürgermeister damit einmal anfange, komme als nächster womöglich der Autor eines Buches über die Westfalenhalle mit dem gleichen Wunsch.
Heute ein gefragter Justizhistoriker
Dr. Schmalhausen ist heute ein über die regionalen Grenzen hinaus bekannter Justizhistoriker. Als er im Zuge seiner Recherchen für das Buch über jüdische Juristen in Essen forderte, ein Porträt des Essener Landgerichtsdirektors abzuhängen, der von 1933 bis 1945 dem Gericht vorsaß, rief dies eine erregte Debatte hervor. Das Bild ist zwar mittlerweile abgehängt, aber Freunde hatte sich Schmalhausen damit nicht unbedingt gemacht („Die Zeit“, Nr. 12/95). In seinen Büchern vermittelt der Autor starke persönliche Betroffenheit über die Verbrechen des Staates und seiner Diener, für deren individuelle wie maschinell-perfekte Grausamkeit es keine Erklärungen geben kann, nur Scham. Gerade die persönliche Betroffenheit Schmalhausens als Nachgeborener, machen seine Arbeit und seine Bücher so wichtig. Das erkannte 2006 auch die jüdische Gemeinde in Düsseldorf, die den Essener Staatsanwalt mit der Joseph-Neuberger-Medaille auszeichnete.
„Bernd Schmalhausen hat sich durch seine zahlreichen Publikationen zu jüdischen Richtern und Rechtsanwälten aus dem Landgerichtsbezirk Essen, in denen er die Lebensläufe der jüdischen Kollegen dem Vergessen entrissen hat, verdient gemacht.“
Bernd Schmalhausen lebte bis 1954 in Lembeck. Sein Vater war Zahnarzt. In Dorsten erlangte der Staatsanwalt in den 1980er-Jahren unter Ärzten einen Bekanntheitsgrad, als er ärztlichen Abrechnungsbetrug aufdeckte.