Erstes Unternehmen seiner Art in Dorsten und Umgebung
Georg Schaub, geboren 1828 in Sielen (Kreis Hofgeismar), gründete 1876 in Crange (heute Herne) das Straßenbauunternehmen Schaub, das seit 1912 in Holsterhausen ansässig war und 1997 in einem Konkursverfahren abgewickelt wurde. Nachdem Georg Schaub sein Angestelltenverhältnis bei dem Freiherrn von Romburg gelöst hatte und von Brünninghausen bei Dortmund nach Crange (heute Herne) verzogen war, begann er mit selbstständigen Erdarbeiten, führte Drainagen, Bachverlegungen und Wiesenbauten aus. Als Transportgerät kannte man damals nur die Schubkarre, Für eine elfstündige Arbeitszeit verdienten Arbeiter 2 bis 2,80 Mark am Tag. Erst im Jahr 1885 kaufte die Firma das erste Feldbahngleis und die ersten Muldenkipper. Die Tätigkeit des Unternehmens weitete sich aus auf Kanalisationen und Straßenbau. Die wassergebundenen Schotterdecken und gepflasterten Straßen wurden mit Eisenwalzen geglättet, vor denen vier bis sechs Pferde gespannt waren. Die erste Dampfwalze wurde im Jahr 1890 als gebraucht gekauft. Damals waren rund 100 Arbeiter bei Schaub beschäftigt.
Sohn übernahm das Unternehmen
Im Jahr 1905 übertrug der Gründer das Geschäft an seinen Sohn Friedrich Schaub, der nach einer Lehrzeit als Maurer das Technikum in Hildburghausen (Thüringen) absolviert hatte. Unter seiner Firmenleitung expandierte das Unternehmen, Arbeiten wurden auch außerhalb von Crange angenommen. Am 26. April 1910 inserierte Friedrich Schaub im „Dorstener Wochenblatt“, dass sein Tiefbauunternehmen auch in Dorsten Aufträge entgegennehme wie: „die Projectierung und Ausführung aller vorkommenden Tiefbauarbeiten, wie Straßenbauten, Kanalisation, Melioration, wie Bachregulierungen, Wiesenbauten, Drainierungen etc.“ Im Hotel „Zum goldenen Löwen“ wartete Friedrich Schaub unter Telefon Nr. 63 auf Aufträge aus Dorsten. Die kamen dann auch. 1910 verlegte das Unternehmen Kabel für die Zeche Baldur in Holsterhausen. Dieser Auftrag veranlasste das Unternehmen im Jahr 1912, von Crange nach Holsterhausen umzusiedeln, da es in Dorsten und der Umgebung noch kein Tiefbaugeschäft gab. Die Aufträge häuften sich und 1915 wurde Schaub beauftragt, die gesamte Kanalisation für die Arbeitersiedlung (alte Kolonie) in Holsterhausen durchzuführen. Damit war das Unternehmen zwei Jahre lang beschäftigt. Die Arbeiten konnten mit 30 französischen und später russischen Kriegsgefangenen 1916 fertig gestellt werden. Dann folgten Kanalisationsaufträge für die neue Kolonie in Holsterhausen und für Ausbau von Straßen. Anfang 1917 kauften Schröer und Koepe das stillgelegte Keramitwerk in Holsterhausen und gründeten das „Rheinisch-Westfälische Elektrostahlwerk“, das die Firma Schaub beauftragte, den gesamten Umbau der Fabrikanlagen zu übernehmen. Mit über 120 Maurern, Arbeiterinnen und Arbeitern ging Schaub ans Werk.
Gelände, Gebäude und Maschinen von Tünnes & Krings übernommen
Nach Ende des Ersten Weltkriegs brachen die Behördenaufträge weg. Das Unternehmen widmete sich jetzt auch dem Hochbau, errichtete die evangelische Kirche in Holsterhausen sowie das Pfarrhaus und führte die gesamten Betonarbeiten für die Bonifatius-Schule in Holsterhausen aus. Nachdem das Holsterhausener Betonwerk Tünnessen & Krings 1929 den Betrieb eingestellt hatten, erwarb Schaub das Gelände, die Gebäude sowie Maschinen und stellte Betonwaren her, vor allem Rohre und Bordsteine. In der Zeit der großen Arbeitslosigkeit, als die Zeche Baldur stillgelegt wurde, hielt sich die Firma Schaub mit Notstandsarbeiten über Wasser. Die Lage entspanntesich erst 1935, als das Unternehmen staatliche Rüstungs- und Straßenbauaufträge erhielt. 1937 trat Friedrich Schaubs ältester Sohn Rudolf in die Geschäftsleitung ein und stellte den Betrieb fast vollständig auf den Bau von Teer- und Asphaltstraßen um. Sowohl Friedrich Schaub als Vorstandsmitglied im Kirchbauverein und Kirchmeister wie auch sein Sohn Rudolf als Presbyter waren in der evangelischen Martin-Luther-Gemeinde aktiv tätig.
1933 in die Partei eingetreten, um Aufträge zu bekommen
Der Zweite Weltkrieg brachte Veränderungen mit sich. Der Firmenschef und viele Mitarbeiter wurden zum Militärdienst eingezogen, was dann auch der Betriebssportgruppe ein Ende bereitete. Rückblickend schieb Friedrich Schaub am 30. November 1946, dass ab 1930 das „Geschäft am Boden lag“ und die Familie von der „Substanz leben“ musste. Als die NSDAP 1933 ihren Vierjahresplan bekannt gab, trat er in die Partei ein. Im Entnazifizierungsverfahren nach 1945 bescheinigte ihm die Evangelische Kirche in Holsterhausen, dass er als Mitglied der Gemeinde in der Auseinandersetzung zwischen dem nationalsozialistischen Pfarrer Artur Paeschke und des Teils der Gemeinde, der für die „Bekennende Kirche“ eingetreten war, letzterer Gruppe angehörte. Danach ging es wieder aufwärts. Rudolf Schaub (1907 bis 1981) kam 1946 aus der Gefangenschaft zurück und übernahm die Leitung des Unternehmens, für das eine Blütezeit begann, weil Straßen und Plätze durch Bombardierungen und andere Kriegseinwirkungen neu gebaut werden mussten. 1947 errichtete die Firma eine Zweigstelle mit Lagerplatz und Eisenbahnanschluss in Bocholt, die der jüngste Sohn Fritz leitete. Schaub wurde das führende Tiefbauunternehmen in Bocholt. Das von Werner Schaub geleitete und nunmehr selbstständige Betonunternehmen hatte seinen Sitz in Holsterhausen auf dem Gelände der früheren Zeche Baldur. 1948 wurde das Tief- und Straßenbauunternehmen in eine Gesellschaft mit Friedrich Schaub sen. und Rudolf Schaub als Geschäftsführer umgewandelt. Nach der Währungsreform konnte der Maschinenpark erheblich erweitert werden. Das Personal wurde auf 150 Mitarbeiter aufgestockt.
Ehrenpräsident auf Lebenszeit
Rudolf Schaub, studierter Tiefbauingenieur, bekleidete zahlreiche Ehrenämter, war in der evangelischen Martin-Luther-Kirchengemeinde in Holsterhausen Presbyter und Kirchmeister, gründete das Evangelische Männerwerk und gehörte fast 30 Jahre lang als aktives Mitglied dem Kirchenchor an. Der Bund Deutscher Baumeister wählte Rudolf Schaub zum 1. Vorsitzenden; er erhielt die silberne Ehrennadel und wurde nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand Ehrenpräsident auf Lebenszeit. Den Betrieb übernahmen bereits zu seinen Lebzeiten seine beiden Söhne Ulrich und Dieter. In den Nachkriegsjahrzehnten florierte das Unternehmen, bekam im Rahmen des Wiederaufbaus der Stadt Aufträge, bis Schaub im Jahr 1997 Insolvenz anmelden musste und die Maschinen und das Gerät versteigert wurden. Damit endete eine der interessantesten Firmengeschichten in Dorsten.
Quelle:
Firmenbroschüre „Tiefbauunternehmen Schaub 75 Jahre 1875 bis 1951“ Dorsten-Bocholt.