Österreichische NS-Putschisten flüchteten 1934 nach Deutschland
Nach dem im Juni 1934 missglückten Putsch österreichischer Nationalsozialisten gegen Bundeskanzler Dollfuß in Wien trafen die ersten österreichischen SA-Männer, die in ihrem Heimatland von der Polizei gesucht wurden, 1935 in Dorsten ein. Man nannte sie offiziell die „Österreichische Legion“. Die Männer waren verteilt in Lagern in Dorsten und Bocholt, in Wockernheim bei Mainz, in Wasungen in Thüringen, Deggingen auf der Alb, Neuaubing, Rottach-Egern und Bad Godesberg.
Jüdischer Friedhof stark verwüstet
Für eine Million Reichsmark baute die NSDAP an der Schleuse in Dorsten ein 69 ha großes Lager mit elf Gebäuden. Die österreichischen SA-Männer verbrachten die meiste Zeit kaserniert im Lager, während deren Ehefrauen in der Stadt wohnten. Im Mai 1935 fand auf dem Marktplatz eine gemeinsame Kundgebung der Dorstener SA-Standarte 273 mit der österreichischen SA statt. Drei Wochen später trafen erneut österreichische Flüchtlinge des „Nationalsturms Nordwest“ ein. Damit lebten 700 SA-Männer in dem Lager. Die Österreicher schlugen für ihre Lagerfeuer Holz im Judenbusch, wobei der jüdische Friedhof stark verwüstet wurde. Der Volksmund nannte den Judenbusch kurzfristig in „Wiener Wald“ um. 1937 verzeichnete die Kirchengemeinde St. Agatha 402 Kirchenaustritte, darunter waren aber nur 34 Dorstener. Bis auf drei Österreicher, die in Dorsten geheiratete hatten, traten die SA-Männer 1938 den Rückzug in ihre Heimat an, nachdem der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich erfolgt war.
„Österreichische Legion“ kehrte nach dem Anschluss in die Heimat zurück
Im März 1938 marschierten die wieder heimgekehrten Männer als „Österreichische Legion“ von Freilassung in Deutschland aus in einer Stärke von 7.500 Mann und mit 800 Fahrzeugen durch Salzburg, um nach Wien weiter zu ziehen. Führer der Legion war SA-Obergruppenführer Hermann Reschny. In einem Aufruf pries der Salzburger NSDAP-Gauleiter Anton Wintersteiger die SA-Truppe: „Es sind dies die Männer, die von höchstem Idealismus beseelt, alles, Existenz und Leben, einsetzen für die Freiheit und Heimat.“ Aus Anlass des Einzugs der „Österreichischen Legion“ hatten die Kinder an diesem Tag schulfrei (zitiert nach „Salzburger Zeitung“ vom 1. April 1938).
Vor allem wurden polnische Kriegsgefangene im Lager untergebracht
Nachdem die Österreicher die Schleuse am Kanal in Dorsten verlassen hatten, übernahm die Wehrmacht das Lager: 1939 rückten 355 Offiziere und Mannschaften in die neue „Zweigstelle Bocholt der Heeresstandortverwaltung Wesel, Übergangslager Dorsten“ ein. 1939 beherbergte das Lager rund 200 Soldaten einer Landesschützenkompanie, danach 456 Infanteristen, dann 248 Telegrafenbauer. 1940 trafen die ersten Kriegsgefangenen ein, zuerst polnische Orffiziere. Ende 1942 kamen die ersten 1.000 sowjetischen Kriegsgefangenen. Die Stadt Dorsten wurde aufgefordert, umgehend einen Friedhof „für etwa 2.000 Russen“ anzulegen, der heute unter „Russenfriedhof“ gegenüber dem Kommunalfriedhof in Holsterhausen bekannt ist. Nach dem Krieg wurden „Displaces Persons“ (DP; befreite Zwangsarbeiter), dann Ost-Flüchtlinge und danach Obdachlose untergebracht.