Seine über100 Jahre alten Feldpostkarten sind in der Familie noch vorhanden
1884 bis 1962 in Wulfen (Dorsten); Metzgerei-Inhaber und Teilnehmer an zwei Weltkriegen und Schreiber vieler Feldpostkarten. – Seine noch erhaltenen Feldpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg sind heute nach über hundert Jahren persönliche Erinnerungen, die es nur noch selten gibt. Anke Klapsing-Reich veröffentlichte seine Geschichte am 10. Juli 2014 in der „Dorstener Zeitung“, die wir hier wiedergeben:
„Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.“ Irmgard Reinken, geb. Ruhe, war erstaunt, den handschriftlich niedergeschriebenen Eingangsvers von Heinrich Heines Gedicht „Nachtgedanken“ auf einer Feldpostkarte zu finden, die ihr Vater Franz Ruhe aus dem Ersten Weltkrieg an seine Lieben geschrieben hat. „Ich wusste gar nicht, dass er deutsche Dichtung kannte“, sagt die heute 82-jährige Tochter, die diese Karte mit einigen weiteren als Erinnerung an ihren Vater aufbewahrt.
Erster Weltkrieg: Allein einem Hügel gegen die Feinde verteidigt
Mit 18 Jahren zog der 1894 geborene Franz Ruhe in den Vaterländischen Krieg. Mit dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse wurde der Soldat ausgezeichnet, weil er alleine mit seinem Maschinengewehr einen Hügel gegen die Feinde verteidigt hatte. Nach seiner Verwundung in Frankreich kurierte er sich in einem Lazarett in Kassel aus. „Zum Andenken an die schöne Zeit im Lazarett“ hat er zwei Feldpostkarten nach Hause geschickt, auf denen ein Foto von ihm im Kreise der Verwundeten zu sehen ist. Auf einer am 2. Oktober 1917 abgestempelten Karte teilt er seinen Verwandten eine nette Begegnung mit: „Teile eben kurz mit, dass ich mich mit unserem Nachbarn Anton Potthast getroffen habe. Sitzen hier gemütlich beim Gläschen Bier und senden euch von hier aus die herzlichsten Grüße.“
Franz Ruhe war in Wulfen als Metzgermeister wohl bekannt: Mitten im Dorf, am Kirchplatz 7, waren das Wohnhaus der Familie Ruhe und die Metzgerei zu finden, die der Geschäftsmann 1926 dort gegründet hatte. Nach der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg war diese Existenz zerstört. Doch Franz Ruhe baute seinen Betrieb an selber Stelle wieder auf, wo das Geschäft bis 1960 bestehen blieb – zuletzt unter der Führung seines Sohnes Franz jun.
Zweiter Weltkrieg: Im Gefangenenlager fast verhungert
„Mein Vater gehörte zu der Generation, die in beiden Weltkriegen kämpfen musste“, erinnert sich Irmgard Reinken noch sehr genau an den erschütternden Anblick ihres heimkehrenden Vaters nach 1945: „Er war im Gefangenenlager in Remagen fast verhungert und körperlich völlig am Ende.“ Irmgard Reinken kann sich nicht erinnern, dass ihr Vater irgendetwas über seine Kriegserlebnisse erzählt hat. „Er war beliebt und ein lustiger Mensch. Wenn er zum Beispiel die Wurst im Kessel hatte, ging er gerne mal kurz hinüber in die Kneipe, ein Bierchen trinken.“
1962 starb Franz Ruhe, und mit ihm seine Kriegserinnerungen. Die wenigen Postkarten aus dem Ersten Weltkrieg hält seine Tochter Irmgard aber als Andenken an den Vater in allen Ehren.