Ruinierter Retter fühlte sich als Opfer der Politik
2010 war das Jahr, in dem die Bundesregierung Bürgschaften in dreistelliger Milliardenhöhe abschloss und den Bürgern gegenüber abwiegelte, dies seien ja nur Bürgschaften ohne reale Zahlungsrelevanz. Bei diesem Thema platzte sicherlich einem Dorstener Bürger der Kragen, der aus seiner Sicht zum einen mit einer Bürgschaft und zum andern mit Politikern eine schlechte und Nerven aufreibende Erfahrung gemacht hatte, die ihn zwar nicht an den Bettelstab brachte, ihm aber nach eigener Rechnung rund drei Millionen Mark kostete. Ein Nachlasskonkurs beim Amtsgericht Essen beschäftigte sich 2007 mit dem Erbe der 2005 verstorbenen Geschäfts- und Hausfrau Elisabeth Ripa aus Dorsten, der ihren Ehemann Horst Ripa und die drei Kinder betraf. Denn die Verpflichtungen aus dem sozialen Engagement, das mit der Bürgschaft für ein insolventes Unternehmen verbunden war, übertrafen mittlerweile den Wert des Nachlasses der Frau und Mutter. Dahinter verbarg sich ein Vorgang, der die Familie des Steuerberaters Horst Ripa (1932 bis 2018) jahrzehntelang belastete.
Rettungsversuch endete mit der Insolvenz
Nach eigener Rechnung hatte Ripa in dieser Zeit über drei Millionen Euro für den Versuch aufwenden müssen, Mitte der 1980er-Jahre mit Unterstützung und auf Drängen von Politik und Behörden das Dorstener Heizungsbau-Unternehmen Döpp (Dorsten/Wolfsburg) mit 100 Arbeitsplätzen zu retten. Die Firma war nach dem Tod der Inhaberin in Not geraten. Der Rettungsversuch endete in der Insolvenz. Horst Ripa war schon damals als Fachmann für die meist unentgeltliche Rettung mittelständischer Unternehmen bekannt. Er vertraute bei dieser Aktion auf den Grundsatz „Treu und Glauben“. Er glaubte vor allem der damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten und Verteidigungs-Staatssekretärin Agnes Hürland-Büning aus Dorsten. Sie hatte nach einem Gespräch mit dem Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Heinrich Franke, in den Dorstener „Ruhr-Nachrichten“ gesagt: „Keiner wird entlassen“. Ripa vertraute auch der Handwerkskammer Münster, die der Initiative der Abgeordneten ebenso beitrat wie das zuständige Finanzamt Gladbeck.
Persönliche Bürgschaft des Ehepaars Ripa
Auf Zureden solcher Mitstreiter ließen sich Ripa und seine Frau 1986 zu einer persönlichen Bürgschaft bewegen, damit die komplizierte Rettungsaktion überhaupt anlaufen konnte. Kern des Handels war der Ausbau der Heizungs-Firma in ein Unternehmen für Klima- und Lüftungstechnik. Die Mitarbeiter sollten mit Geld der Bundesanstalt unter Führung der Handwerkskammer zwei Jahre lang umgeschult werden. Das Unternehmen benötigte eine sechsstellige Summe, um die Schulungen vorzubereiten und zu finanzieren, auch neue Maschinen wurden mit Krediten angeschafft. Dafür bürgte das Ehepaar Ripa.
Der Nothelfer wurde zum Opfer
Knapp sechs Monate später aber ließ die Handwerkskammer Münster das Rettungsnetz für die 100 Beschäftigten reißen. Die offizielle Begründung lieferte der Berufsbildungsausschuss, der sich weigerte, die vorgesehenen Abschlussprüfungen des Qualifizierungsmodells zu genehmigen. Daraufhin sah sich das Finanzamt nicht mehr an die Zusage gebunden, dem Unternehmen für die Zeit bis zur Sanierung Umsatzsteuer zu stunden. 900.000 Mark für neun Monate wurden sofort fällig, die Behörde veranlasste eine Kontenpfändung bei der Firma Döpp. Das Unternehmen musste Konkurs anmelden, seither stehen die Bürgen Ripa für alle Forderungen samt der in 20 Jahren aufgelaufenen Zinsen gerade. So wurden Nothelfer zu Opfern.
Schweigen über Hintergründe
Wer aber was genau mit wem im Vorfeld vereinbart hatte, den Rettungsversuch scheitern zu lassen, kam nie heraus. Ripa vermutete dahinter „die Macht der damaligen Staatssekretärin Hürland“, die in der Ära Helmut Kohl, so Ripa, zu den einflussreichsten Persönlichkeiten hinter den Kulissen der Bundespolitik gezählt habe. Seither jedenfalls beharren alle in schriftlichen Stellungnahmen, die der Wochenzeitung „Welt am Sonntag“ vorliegen und von ihr teilweise veröffentlicht wurden, auf Rechtsstandpunkten und schweigen über Hintergründe.
Horst Ripa verlangt Schadensersatz
Offenbar hätten politische Netzwerke alle endgültigen Klärungsversuche zumindest nicht unterstützen wollen. Zu denen, die Horst Ripa vergeblich um Hilfe baten, gehören der frühere Finanzstaatssekretär Manfred Carstens (CDU), der den Rettungsversuch für die Firma Döpp ursprünglich selbst unterstützt hatte. Ungerührt zeigten sich auch Innenminister Wolfgang Schäuble, NRW-Finanzminister Helmut Linsen (beide CDU) und der Petitionsausschuss des Landtags. Auf einer eigenen Internetplattform (www.polit-kriminelle.de) hatte Horst Ripa die jahrelangen Vorgänge geschildert und die Namen derjenigen genannt, die er als Hintermänner sah. Kein Betroffener hatte sich bisher dagegen gewehrt. – Horst Ripa wollte Schadensersatz, weil „Bund und Länder ihm das schuldig“ seien. Mit dieser These gewann er in dem Landtagsabgeordneten Michael Hübner (SPD) einen Verbündeten, der Ripa riet, seine Rechtsansprüche nicht aufzugeben. Mittlerweile stiegen die Schulden Ripas immer weiter an, weil er keine Steuern mehr zahlte. Anfang Juni 2015 drohte ihm ein Gerichtsvollzieher mit Beugehaft, weil er sich weigerte, sein Vermögen zu offenbaren. Horst Ripa verlangte die Prüfung seiner Haftfähigkeit. Er war 83 Jahre alt.
Stiftung „Humane Arbeitswelt“ gegründet
Die Steuerberatung Ripa, Woltsche und Partner (heute: Woltsche, Brieskorn & Partner) gehörte mit über 50 Mitarbeitern zu den größten Sozietäten im Land. Horst Ripa, Gründer und Senior der Firma, hatte nach Bestehen seines Berufsexamens 1960 eine eigene Praxis gegründet und ging 21 Jahre später mit Dipl.-Finanzwirt und Steuerberater Alfred Woltsche eine Sozietät ein. Ripa setzte sich in der Vergangenheit häufig für Not leidende Firmen ein und rettete so nach eigener Schätzung an die 1.000 Arbeitsplätze. Zuletzt engagierte sich Horst Ripa 2006 für den Erhalt des Beton- und Fertigteilwerks b+f, in dem 120 von 200 Arbeitsplätzen erhalten werden konnten. Honorar für diese Einsätze hatte Ripa nie in Rechnung gestellt. 2001 gründete er die Stiftung „Humane Arbeitswelt“. Horst Ripa starb 2018 mit 86 Jahren.
Quellen:
Peter Lamprecht in „Welt am Sonntag“ vom 1. April 2007, in Auszügen wörtlich übernommen. – Ludger Böhne in WAZ vom 7. Dezember 2007. – Stefan Diebäcker: „Steuerberater droht jetzt die Beugehaft“ in DZ vom 26. Juni 2015.