Rensing, Vinzenz

Stadtrichter ließ eine „Hexe“ unter der Folter sterben - ein Rechtsbruch

1555 in Dorsten bis 1626 ebenda; Richter in Dorsten und Vestischer Statthalter. – Er war der Sohn des Dorstener Lippeschifffahrtzöllners und zeitweiligen Bürgermeisters (1550 bis 1560) Wilhelm Rensing, dessen Vater ebenfalls um 1520 Bürgermeister war. Vinzenz Rensing studierte in Frankreich und in den Niederlanden, was ihm später als Statthalter zu Gute kommen sollte. Vorerst trat er in den Niederlanden in spanische Dienste. Im Gefolge spanischer Unterhändler kam er nach Köln und trat in die Dienste des Erzbischofs und Kurfürsten Gebhard II. Truchseß von Waldburg, der sich gerade auf den Übertritt zum Protestantismus vorbereitete. Vinzenz Rensing paktierte zuerst insgeheim, dann offen und erfolgreich mit den Widerständlern gegen den abtrünnigen Erzbischof.

Vinzenz Rensing, Rening'sche Haus, Inneres

Stadtrichter Vinzenz Rensing und das Rensingsche Haus; weitere Erklärungen am Textende

Er hatte großes Ansehen bei wichtigen Leuten

Nach Ostern 1583 schickten die Paktierer den Chorbischof Friedrich von Sachsen nach Dorsten, um die Stadt gegen den abgefallenen Landesherrn zu stärken. Seit dieser Zeit stand Rensing beim neuen Kölner Erzbischof Ernst von Bayern sowie beim Dorstener Bürgermeister Peter de Weldige-Cremer in vollem Ansehen und wurde im August 1583 zusammen mit seinem alten Onkel, dem Zöllner Peter von Schoell, zum Generaleinnehmer des Vests ernannt. Dagegen protestierte die Ritterschaft des Vests, die sich gegen die neue Entwicklung und die spätere Einsetzung Rensings als Vestischer Statthalter massiv wehrte. Auch mit Verleumdungen konnten sie gegen die Ernennung Rensings zum Statthalter Kölns in Vest vorerst nicht ankommen. Von 1598 bis 1621 übte er das Amt des Vestischen Statthalters auf seinem erworbenen Herrschaftshaus von Gut Wilbringen bei Waltrop aus.

Er war ein gefürchteter Hexenjäger

In seinem Dorstener Richteramt entwickelte sich Rensing zu einem gefürchteten Hexenjäger, der im Jahre 1588 mit Schärfe und auch mit Missachtung der Prozessordnung Hexenprozesse regelrecht inszenierte. Unter der von ihm praktizierten Folterung der Dorstener Bürgermeister-Witwe Margarete Brich als vermeintliche Hexe starb die Frau. Das war gegen das Gesetz. Daher manipulierte er die Leiche der Verstorbenen, brach der Leiche den Hals, um den Tod als Erlösung des Teufels von den Folterqualen vorzutäuschen. Daraufhin verklagte die Dorstener Familie der während der Folter Verstorbenen den Stadtrichter beim Reichskammergericht in Speyer. In Rensings Zeit wurde das Vest Recklinghausen zum Zentrum der Hexenverfolgung und die Stadt Dorsten um das Jahr 1588 zum Mittelpunkt.

Frühere Forschungen haben dies der Religionspolitik des Kurfürsten als „Krieg gegen die Hexen“ angelastet. Dies ist mittlerweile widerlegt, denn das Kurfürstentum war im 16. und 17. Jahrhundert ein noch stark zersplittertes Gebiet mit vielen Adelsherrschaften. Die Zentralbehörde hätte einen systematischen „Krieg gegen Hexen“ gar nicht durchführen können (Gerhard Schormann „Der Krieg gegen die Hexen. Das Ausrottungsprogramm des Kürfürsten von Köln“, Göttingen 1991). So blieb es dem Stadtrichter vorbehalten, in seinem Einflussgebiet diesen „Krieg“ in den Jahren 1588 bis 1590 zu führen. Dabei ging er mit seiner auch damals erkannten Brutalität vor, die sich bei der Beweiserhebung (Folter) nicht immer an die strenge Prozessordnung hielt. Ihm wurde beispielsweise in der späteren Klageschrift zum Reichskammergericht vorgeworfen, mit der Verurteilung der beiden Frauen Kielß und Burich, mit denen er verwandt war, unter verwandtschaftlichen und lokalen Gesichtspunkten eigennützig gehandelt zu haben. Das Reichskammergericht beanstandete das Prozessverfahren gegen Margarete Burich allerdings nicht.

Er war ein heftiger Gegner der Reformation

Heute uneingeschränkt belegbar ist die Position Rensings als heftiger Gegner der Reformation, aus deren Situation er Vorteile der eigenen Profilierung gegenüber dem Landesherrn zog und in Dorsten eine unanfechtbare Position erreichte. Er hat die verurteilten Hexen und Zauberer auf dem Marktplatz von Dorsten hinrichten lassen, auch die Leiche der unter der Folter verstorbenen Verwandten Margarete Burich. Ralf-Peter Fuchs kommt in seinem Buch „Hexenverfolgung an Ruhr und Lippe“ (Münster 2002) zu dem Schluss:

„Insbesondere im Hinblick auf die Situation von 1588 muss man sich vor Augen führen, dass die Abhaltung von Hexenprozessen für den noch relativ jungen 33-jährigen Richter de facto eine besondere politische Chance bot. Sein ,Programm’ hatte deutliche Konturen: In einer Zeit, in der ein Bekenntnis zur politischen wie zur konfessionellen Loyalität gefragt war, reagierte er mit äußerster Härte auf eine vermeintliche Infragestellung dieser Werte durch die Erzfeinde, die gottlosen Zauberer und Hexen. Dazu setzte er seine Position als Stadtrichter entschlossen ein: Er war die maßgebliche Person, die die Verfahren in Gang setzte und sie anleitete, während der Rat zu Dorsten ihn dabei zu unterstützen und letztlich das Urteil zu fällen hatte.“

Er war stets auf Geld und Vorteile bedacht

Im Vest Recklinghausen mit den beiden Verfolgungszentren Stadt Recklinghausen und Dorsten wurden 94 Hexen und Zauberer verurteilt und hingerichtet. Zum Vergleich: in der Stadt und im Stift Essen gab es nur drei Hinrichtungen. Aus Dorsten sind anhand der Abrechnungen des Gefängnisses in Horneburg neun Fälle von Hinrichtungen belegt; es dürften aber mehr gewesen sein. Rensings Loyalität in Glaubensfragen und sein scharfes Durchgreifen bei den Hexenprozessen musste seinem Landesherrn gefallen haben, denn der Kölner Kurfürst machte ihn 1598 gegen Widerstände aus dem Vest zum Vestischen Statthalter. Vinzenz Rensing war – unabhängig von seiner taktischen Loyalität gegenüber dem Landesherrn – ein stets auf Geld und geldliche Vorteile bedachter Mann, was ihn letztendlich zu Fall brachte – aber erst nach zwei Jahrzehnten, als die eingesessene Ministerialität im Vest gegen den tüchtigen emporgekommenen Bürgersohn Rensing mit Intrigen und falschen Anschuldigen massiv vorging. Sie warf ihm Bestechlichkeit vor, er wurde in Bonn vor dem kürfürstlichen Gericht angeklagt, 1621 freigesprochen und dennoch entlassen. Sein Nachfolger wurde Graf Nesselrode-Reichenstein, der dem Kurfürsten einen Kredit in Höhe von 4.000 Reichstalern gab und erst nach dieser Transaktion seine Ernennungsurkunde ausgehändigt bekam (siehe Hexenverfolgung).

Rensingsche Haus an der Agathakirche

Bis zur Zerstörung 1945 stand das Rensingsche Haus an der Blinde Straße gegenüber der Agatha-Kirche (Ecke Ursulastraße/An der Vehme). Zuletzt waren in dem 1913 von der Kirchengemeinde St. Agatha für 73.000 Mark gekauften Patrizierhaus ein Jugendheim, Räume für den Jungmännerverein, eine öffentliche Lesehalle und die Borromäusbücherei untergebracht. Wenn der Kurfürst nach Dorsten kam, zuletzt 1794, wohnte er fünf Wochen lang in diesem Haus. Im Innern des Hauses befanden sich geschnitzte Treppengeländer mit dem kurkölnischen Wappen und Türrahmungen aus dem 17. Jahrhundert. 1923 wurde die Kirchenkasse in dem Haus untergebracht. Die anderen Räume baute die Gemeinde nach Auszug der Essener Kreditbank (später Deutsche Bank) in ein Jugendheim um. Im Jahr 1937 beschlagnahmte die Gestapo das Haus mit der Begründung, der katholische Jungmännerverein sei aufgelöst und das Vermögen zugunsten des Staates eingezogen. Die Kirchengemeinde legte Beschwerde beim Regierungspräsidenten Münster ein sowie beim Oberpräsidenten von Westfalen, bei der Geheimen Staatspolizei, beim Landrat und bei der Dorstener Polizeibehörde. Im Frühjahr 1938 wurde das Haus wieder freigegeben.

  • Erklärung zu den obigen Bildern: Stadtrichter Rensing; daneben Außen- und Innenansichten des Rensingschen Hauses. Bei seinen Aufenthalten in Dorsten nahm der Kölner Landesherr hier Wohnung. 1906 eröffnete die Essener Kreditbank eine Filiale; später kaufte die Agatha-Gemeinde das Haus und richtete eine Bücherei und ein Jugendheim ein. 1845 wurde das Haus durch Bomben zerstört.

Anmerkung:
Die Schreibweise in Veröffentlichungen und Originalquellen variiert zwischen Rensing und Renzing.

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