Von der Ständevertretung zum Landschaftsverband (LWL)
Die Geschichte des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Nach den Befreiungskriegen wurde das preußische Staatsgebiet erheblich vergrößert und nach dem Wiener Kongress 1815 zur Förderung der inneren Integration der Landesteile in zehn Provinzen eingeteilt. Damit wurde auch in der neu gegründeten Provinz Westfalen mit der Provinzialhauptstadt Münster der Grundstein für die Selbstverwaltung gelegt. 1826 eröffnete Oberpräsident von Vincke den ersten westfälischen Provinziallandtag. Damit erhielt Westfalen zum ersten Mal eine politische Gesamtvertretung. Die Provinzialstände – Abgeordnete der Fürsten und Ritter, der Städte und Landgemeinden – durften jedoch lediglich für die Provinz bestimmte Gesetze beraten, Petitionen und Beschwerden, die die Provinz betrafen, an den König richten und über kommunale Angelegenheiten beschließen.
Im deutschen Kaiserreich nur bürgerlich-konservative Standesherren
Nach der Reichsgründung 1871 erhielt die Selbstverwaltung Westfalens durch die Neuordnung der Provinzialverfassung eine neue Grundlage und erstmals echte Selbstverwaltungskompetenzen. Es wurde ein durch den Provinziallandtag gewählter ständischer Verwaltungsausschuss als Organ der provinziellen Selbstverwaltung geschaffen und ihm zahlreiche Aufgaben zugewiesen, die mit staatlichen Finanzzuweisungen erfüllt wurden: Landarmenwesen, Fürsorgeanstalten für Blinde, Taubstumme und psychisch Kranke, das Straßenwesen, die Förderung von Kunst und Kultur sowie die Unterhaltung von Denkmälern.
Ab 1886 wurde mit der Provinzialordnung aus den bisherigen Provinzialständen ein kommunaler Provinzialverband errichtet, der sich auf den Kreisverbänden aufbaute. Somit änderte sich der Charakter des Provinziallandtages von einer ständischen Interessenvertretung zu einer Vertreterversammlung der Stadt- und Landkreise. Da jedoch die Wahl der Kreis- und Stadtvertretungen nach dem preußischen Dreiklassenwahlrecht erfolgte, setzte sich auch der Provinziallandtag ausnahmslos aus bürgerlich-konservativen Parteien und Mitgliedern zusammen. Der gewählte Landesdirektor, der in Westfalen seit 1889 die Bezeichnung „Landeshauptmann“ führte, leitete die Provinzialverwaltung. Ihm zur Seite standen ebenfalls gewählte Landesräte. Finanzielle Träger des Provinzialverbandes wurden die Stadt- und Landkreise, jedoch erhielt der Verband auch weiterhin staatliche Zuweisungen für die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben. Die Verfassung des neuen Provinzialverbandes mit seinen Organen Provinzialversammlung, Provinzialausschuss und Landeshauptmann entsprach weitgehend der des heutigen Landschaftsverbandes.
In der Weimarer Republik auch Sozialdemokraten und Frauen
In der Weimarer Republik wurde für die Provinziallandtage entsprechend der neuen demokratischen Grundsätze das allgemeine und direkte Wahlrecht eingeführt. Dadurch gelangten 1919 erstmals sozialdemokratische Abgeordnete in den Provinziallandtag und wenig später erstmals drei Frauen in das 134 Abgeordnete umfassende Parlament. Mit der Demokratisierung hatte der Provinziallandtag auch bedeutende politische Mitspracherechte erhalten. So konnten der Oberpräsident und die Regierungspräsidenten nur noch im Einverständnis mit dem Provinzialverband ernannt werden. Zudem wählten die Provinziallandtage die Mitglieder des preußischen Staatsrates und entsandten Vertreter in den Reichsrat, so dass die Provinzen an der Gesetzgebung Preußens und des Reichs beteiligt waren.
Autokratische Struktur im Nationalsozialismus
In der Zeit des Nationalsozialismus beseitigten die NS-Machthaber auf der Basis des Oberpräsidentengesetzes vom Dezember 1933 auch den Parlamentarismus auf Provinzebene und ebneten den Weg für eine monokratisch strukturierte Verwaltung mit dem Oberpräsidenten an der Spitze. Das Gesetz bestimmte den Oberpräsidenten zum Leiter des Provinzialverbandes, garantierte jedoch gleichzeitig die formale organisatorische Selbstständigkeit des Verbandes, da der Oberpräsident den Landeshauptmann als seinen ständigen Stellvertreter mit der „selbstständigen Erledigung“ der laufenden Geschäfte beauftragte. Insbesondere die Jugendhilfe, Fürsorgeerziehung und psychiatrische Versorgung wurden nach rassenhygienischen Grundsätzen ausgerichtet. Leistungen billigte man nur den „erbgesunden, wertvollen Volksgenossen“ zu, so genannte „Minderwertige“ wurden Opfer der selektiven Erb- und Rassenpflege. Bis 1945 wurden über 3.500 Patientinnen und Patienten der Provinzialheilanstalten zwangssterilisiert, fast 6.000 Patientinnen und Patienten wurden Opfer der NS-„Euthanasie“-Aktionen.Was ist der LWL und was macht er?
Als Landesverband Westfalen-Lippe in das Land NRW integriert
Nach dem Zweiten Weltkrieg löste die britische Militärregierung die preußischen Provinzen auf und verfügte 1946 die Zusammenlegung des nördlichen Rheinlands und Westfalens zum neuen Land Nordrhein-Westfalen, dem im Januar 1947 das bisher selbstständige Land Lippe angegliedert wurde. Während der Provinzialverband in der Nord-Rheinprovinz 1945 in die Provinzialregierung integriert wurde und nach der Landesgründung in der Landesregierung aufging, blieb der westfälische Verband als einziger Provinzialverband weiter bestehen. Vor allem in Westfalen setzten nach 1945 engagierte Bemühungen zur Wiederherstellung der landschaftlichen Selbstverwaltung in Nordrhein-Westfalen ein, was 1953 vom Landtag vollzogen wurde.
13.000 Personen arbeiten beim Landschaftverband Westfalen-Lippe
1953 wurde der Provinzialverband Westfalen zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), gleichzeitig konstituierte sich der Landschaftsverband Rheinland. Mit Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse im Land Nordrhein-Westfalen wurden die Landschaftsverbände nun wieder als Kommunalverbände konstruiert. Die Ergebnisse der Kommunal- und Kreiswahlen bestimmten die Zusammensetzung der Landschaftsverbände. Der in der Landschaftsverbandsordnung festgeschriebene Aufgabenkatalog spiegelt das Aufgabenspektrum der früheren preußischen Provinzialverbände wider und umfasst die Bereiche soziale Aufgaben, Jugendhilfe und Gesundheitsangelegenheiten, Straßenwesen, landschaftliche Kulturhilfe, Landes- und Landschaftspflege sowie Kommunalwirtschaft. Nach 1953 gab es mehrere Änderungen der Landschaftsverbandsordnung, die vor allem die Wahlbestimmungen zur Verbandsversammlung und die Zuständigkeiten der Verbände betrafen. Anfang 2001 gaben die Landschaftsverbände die Aufgaben im Bereich des Straßenbaus an einem Landesbetrieb für Straßenbau ab. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe mit Hauptsitz in Münster beschäftigt 13.000 Menschen und unterhält rund 100 Einrichtungen in allen Stadt- und Landkreisen Westfalens.
Quelle:
Gekürzt nach Ansgar Weisser „Der Landeshauptmann/Landesdirektor“ (LWL-Homepage).