Polizeiarbeit vor 200 Jahren

Diebstähle, Verstöße gegen Feuerschutz, Schulschwänzen und ein Kindsmord

Kennt man Polizeiberichte, die heute von den Pressestellen zur Veröffentlichung an die Zeitungen täglich ausgegeben werden, dann können die einen oder anderen Delikte in Polizeiberichten früherer Zeiten amüsieren, wie die hier aufgelisteten aus den 1820er-Jahren. In dieser Zeit festigte sich der preußische Staat in seiner neuen Provinz Westfalen. Unter anderem mit Verordnungen Regierungsweisungen, polizeilichen Anordnungen und Verboten und deren Kontrolle. Hauptsächlich waren es Diebstähle, mit denen sich die Polizei zu befassen hatte, andere Delikte sind einfach nur als Vergehen genannt, die nicht vom Gericht geahndet sondern von der Polizei durch Geldstrafen. Nachdem die Schulpflicht gesetzlich verschärft wurde, fällt vor allem auf, wenn Kinder von ihren Eltern lieber in den Stall oder auf das Feld zur Arbeit geschickt wurden anstatt zum Lernen in die Schule. Dadurch häufen sich die Zahlen der Delikte. Besonderes Augenmerk legte die Polizei auf die Kontrolle der gesetzlichen vorgegebenen Richtlinien zum Feuerschutz, da gerade Feuer stets große Schäden an Leib und Leben sowie an Häusern und manchmal sogar in der ganzen Stadt anrichten konnten. Mit offenem Feuer wurde damals nicht immer sorgsam umgegangen, wie die vielen Stadtbrände zeigen.

Feuerschutzversicherungen wurden gesetzlich und Pflicht

Großflächige Brände in Dörfern und Städten Westfalens waren – sieht man einmal vom Bombenkrieg ab – noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erleb- und erfahrbare Katastrophen, kurz: mögliche Lebensrisiken ihrer Einwohner, die von jetzt auf gleich das Leben der Menschen verändern konnten. Zwischen 1837 und 1852 gab es in Westfalen 71 Ortsbrände. Auch danach verebbte die Gefahr nicht: Am 4. August 1857 zerstörte eine Brandkatastrophe in Vreden rund 80 Prozent des Orts und warf ihn in seiner wirtschaftlichen Entwicklung zurück. Nur wenige Tage später, am 31. August 1857, zerstörte eine Brandkatastrophe in Olfen 142 Häuser und damit rund 80 Prozent der Immobilien der Stadt. Und am 13. Oktober 1863 vernichtete ein verheerender Stadtbrand rund 90 Prozent der Bausubstanz von Ahaus. Besonders hart traf es den kleinen Ort Hirschberg, der 1778 und 1788 abbrannte. Viele Hausinschriften zeugen noch heute von der doppelten Katastrophe. Bereits 1722 unterschrieb Friedrich Wilhelm I. von Preußen ein „Reglement“ zur Gründung einer Feuer-Sozietät für das „Herzogthum Cleve“ und die „Graffschafft Marck“. Hintergrund dieses Reglements war die Tatsache, dass durch die im frühen 18. Jahrhundert zunehmende Bevölkerungsdichte die Feuerstellen in Häusern und damit die ausgebrochenen Feuer zunahmen. Mit dieser Unterzeichnung wurde der erste Schritt zur Gründung einer Westfälischen „Sozietät gegen Feuersgefahr“ und damit zu einer frühen Form der Versicherung gemacht. Anfang des 19. Jahrhunderts waren größere Versicherungsunternehmen entstanden, von denen manche heute noch existieren, wie die Kölnische Feuerversicherungsgesellschaft, die spätere Colonia. Im heutigen Nordrhein-Westfalen entsprang im Jahre 1752 der Brand-Assecurations-Ordnung die Lippische Brand-Assecurations-Societät mit einer Pflichtversicherung für alle Gebäude in der Grafschaft Lippe die spätere Lippische Landes-Brandversicherungsanstalt. In den Folgejahren mehrten sich Gründungen verschiedener Feuer-Sozietäten. Zum 1. Januar 1837 wurden sämtliche in der Provinz Westfalen bestehenden Sozietäten zur „Provinzial-Feuer-Sozietät der Provinz Westfalen“ verschmolzen. Es wurden Verordnungen, Verbote erlassen, die von der Polizei kontrolliert und Verstöße geahndet wurden. Beispielsweise mussten Tabakpfeifen Tabakdeckel versehen sein, schnell entzündliche Stoffe mussten sicher gelagert werden und mit offenem Feuer als Licht durfte nicht mehr frei und offen umgegangen werden. Offenes Feuer zum Kochen durfte in Räumen vorsichtig und nur nach den verordneten Regeln umgegangen werden.

Feuerwehren und Nachwächterdienste gehörten zur Polizei

Die Feuerwehren gehörten, wie auch der Nachwächterdienst, in den 1820er-/1840er-Jahren zur Polizei. Die Feuer-Ordnung wurde im Jahr 1826 eingeführt und umfasste drei Feuer-Compagnien, die 1839 neu aufgestellt wurden. Der I. Compagnie, auch Wacht-Compagnie genannt, stand der Ratsherr von Wieck aus „Feuerherr“ vor. Sie bestand aus vier Unteroffizieren und 16 Feuerwehrmännern. Die II. Compagnie war die Rettungs-Compagnie und unterstand mit zwei Unteroffizieren und 12 Feuerwehrmänner dem Ratsherrn Wilckes. Die III. oder Lösch-Compagnie bestand aus drei Spritzenmeistern, drei Schlauch- und sechs Schwengel-Dirigenten, fünf Leiter-Dirigenten, vier Haken-Dirigenten, ebenso vielen Wasserkufen-Dirigenten, zwei Wasserringel-Dirigenten und vier Eimer-Dirigenten. Sie alle unterstanden dem Ratsherrrn Rensing bzw. dessen Vertreter Heinrich Drecker. Den Nachtwächterdienst versahen die Pförtner Goswin Wolters und Joseph Vogel. Städtischer Förster und Flurschütz war seit 1833 Otto Duesberg. Die Beaufsichtigung des Schwickings Busches wurde schon im Mai 1831 dem dort wohnenden Bernhard Fallböhmer übertragen.

Bürger-Compagnien wurden für Vagabunden-Jagden eingesetzt

Städtischer Polizeidiener war Friedrich Schneider, der dieses Amt viele Jahre versah, bis er 1836 starb. Als sein Nachfolger wurde 1837 Gerhard Henricus Schröder angestellt und vereidigt. Größere polizeiliche Maßnahmen, vor „namentlich für die Abhaltung von Vagabunden-Jagden“, war die gesamte Bürgerschaft der Stadt in „3 Theile Bürger-Compagnien getheilt“. Seit Einführung der Städteordnung standen die Ratsherren von Wieck, Wilckes und Rensing als Hauptleute vor.  Für die Unterbringung der Polizei-Gefangenen und „durchpassierenden Criminal-Gefangenen“ befanden sich zwei Zellen im Keller des heute genannten Alten Rathauses am Markt, das 1837 ausgebaut worden war.

Diebstähle, Verstöße gegen den Feuerschutz und Schulschwänzer-Delikte

1822: Die Polizei meldete acht Diebstähle, wovon in zwei Fällen die Täter ermittelt werden konnte. Die Delikte waren allerdings nicht in Dorsten ermittelt aber hier ermittelt worden. Die Polizei rügte 38 Übertretungen vor allem Mängel bei der allgemeinen Feuerversicherung. Ein Forstfrevel wurde durch das Forstgericht abgeurteilt.

1823: Von 13 begangenen Diebstählen wurden vier aufgeklärt und bestraft, 158 Menschen wurden gerügt und bestraft, weil sie gegen die allgemeinen Feuerversicherungsbestimmungen verstoßen hatten.

1824: Von den fünf Diebstählen wurde einer in soweit aufgeklärt, als dass ein Verdächtiger in Haft genommen werden konnte. Ansonsten wurden 49 Dorstener wegen irgendwelcher Vergehen polizeilich bestraft.

1825: Ein in Dorsten in der Planung befindliches „gefährliches Diebescomplot“ wurde der Polizei verraten und den Tätern der Prozess gemacht. Die Polizei ahndete zudem 13 Vergehen.

1826: Von acht Diebstählen konnten die Täter ermittelt werden. Weitere Diebstähle wurden von einer Bande aus dem Duisburgschen Raum begangen, welche die Bürger der Stadt beunruhigten. Daher ordnete die Polizei Nachtwachen bzw. Patrouillen an, die durch die Stadt und die Bauerschaften streiften. Gegen Ende des Jahres wurde die Maßnahme wieder aufgehoben. Wegen polizeilicher Vergehen wurden „80 Individuen bestraft worunter die Meisten wegen Nachlässigkeiten in Abräumung der Wege, und verbotenen Betretens der städtischen Holzungen“ belangt.

1827: Von sechs „begangenen Verbrechen wurde der Thäter eines Diebstahls entdeckt und gerichtlich bestraft“. Ein anderer wurde der Tat verdächtigt, inhaftiert und freigesprochen. 76 Dorstener wurden wegen Vergehen polizeilich bestraft.

1828: Sieben von 16 Verbrechen konnten aufgeklärt und die Täter ermittelt werden. Wegen polizeilicher Vergehen wurden 338 Dorstener belangt. Darunter Delikte wie Mängel am Feuerschutz und Verstoß gegen das Schulgesetz, wenn Eltern ihre Kinder nicht zur Schule schickten.

1829: „Wirkliche Verbrechen wurden zwei begangen, wegen polizeilicher Vergehen aber 162 Individuen einschließlich der Schulabsenten (Kinder nicht zur Schule gegangen) bestraft.“

1830: Von 18 Verbrechen wurden fünf aufgeklärt. Einschließlich der Schulschwänzer-Delikte wurden 234 polizeiliche Vergehen festgestellt und geahndet.

1831: Acht Verbrechen wurden begangen, davon die Hälfte aufgeklärt. 150 Dorstener, einschließlich der Schulschwänzer-Eltern, und Mängelfeststellungen an den Vorschriften der Feuerschutzversicherung wurden bestraft.

1832: Wiederum die Hälfte von 14 Verbrechen konnten aufgeklärt werden. Darunter eine Kindsmörderin namens Elisabeth Baters aus Orsoy, welche auf dem Lande zur Nachtzeit einkehrte, und ihr dort geborenes Kind in den Brunnen geworfen hatte.

Siehe auch: Kindsmörderin
Siehe auch: Polizeiwesen I (Essay)
Siehe auch: Polizeiwesen II (Essay)
Siehe auch: Polizeiwesen III
Siehe auch: Polizei-Sondereinsatzkommando
Siehe auch: Polizei / Bürgerbeschwerden 2016
Siehe auch: Mord und Totschlag
Siehe auch: Kriminalität 2017
Siehe auch: Wasserschutzpolzei


Quelle: „Chronik der Stadt und Bürgermeisterei Dorsten“, Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2017

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