47 Kreispolizeibehörden: 29 Landratsbehörden und 18 Polizeipräsidien
Nach dem Grundgesetz ist die Polizei grundsätzlich Ländersache. In Nordrhein-Westfalen ist die Polizei zweistufig aufgebaut: Die Basis vor Ort bilden 47 Kreispolizeibehörden (KPB), davon 29 Landratsbehörden in 29 Kreisen und 18 Polizeipräsidien (PP) in den kreisfreien Städten, die z.T. für mehrere kreisfreie Städte zuständig sind (z.B. ist das PP Köln auch für die Stadt Leverkusen, das PP Essen auch für die Stadt Mülheim an der Ruhr zuständig). Das Innenministerium ist oberste Aufsichtsbehörde. Es führt die Aufsicht über alle Polizeibehörden und wird bei der Aufsicht der Kreispolizeibehörden von drei Landesoberbehörden (LOB) unterstützt. Die LOB nehmen darüber hinaus landeszentrale Aufgaben wahr. Diese sind das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP NRW), das Landeskriminalamt (LKA NRW) und das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD NRW).
Demokratischer Aufbau
Im Rahmen der sogenannten „Organleihe“ überträgt das Land NRW die Leitung der 29 Landratsbehörden den Landräten. Diese werden von den Bürgerinnen und Bürgern des Kreises gewählt. Für die Polizeipräsidien in den kreisfreien Städten besteht hingegen keine kommunale Leitung, stattdessen ernennt das Land Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten. Diese sind in der Regel Volljuristen, allerdings gibt es einige Fälle, in denen Polizeibeamte das Amt der Polizeipräsidentin bzw. des Polizeipräsidenten übernommen haben. Dass Polizisten in der Regel nicht Polizeibehörden leiten, hat historische Gründe: Seit dem Ende der Nazi-Diktatur in Deutschland 1945 gilt für die Behördenleiter bei der Polizei das „Prinzip der zivilen Führung“. Dies besagt, dass bei der Besetzung des Amtes von polizeilichen Behördenleitern gerade nicht Polizeibeamte, sondern grundsätzlich Zivilpersonen ausgewählt werden, um die demokratische Kontrolle der Polizei auch bei der Auswahl der obersten Führungskräfte zu versinnbildlichen. In NRW waren es bis zur Kommunalverfassungsreform im Jahr 1999 die Oberkreisdirektoren. Seit der Zusammenlegung der Ämter des ehrenamtlichen Landrats und hauptberuflichen Oberkreisdirektors im Jahr 1999 fungieren die hauptberuflichen Landräte als Leitung der KPB. Damit ist neben dem Prinzip der zivilen Führung auch die Bürgernähe durch einen direkt gewählten Vertreter der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet.
Polizeibeirat in den Kreisen – u. a. zuständig für Sicherheitsfragen
Darüber hinaus dient der in den Kreisen mit Kreistagsmitgliedern gebildete Polizeibeirat der Verzahnung, dem Meinungsaustausch sowie der Diskussion über Sicherheitsfragen zwischen kommunalpolitisch tätigen Verantwortungsträgern und der Spitze der landratsgeführten Kreispolizeibehörde, die wegen der auf Kreisebene gebündelten und vom Landrat geleiteten Verwaltungszuständigkeiten eine einzigartige synergetische Verknüpfung von Behörden bietet. Den Landräten unmittelbar zugeordnet sind die Abteilungsleiter Polizei (ALPol); diese sind erfahrene Polizeivollzugsbeamte aus dem höheren Dienst, die die Landräte in polizeifachlichen und -organisatorischen Fragen beraten, polizeiliche Einsätze auf Weisung der Landräte leiten und ihrerseits Vorgesetzte der in der KPB tätigen Polizeikräfte sind. Da für Polizeiaufgaben das Land NRW zuständig ist, sind die Leiter der Polizeibehörden, also Landräte als Chefs der Kreispolizeibehörde und Polizeipräsidenten, in dieser Funktion dem zuständigen Innenministerium des Landes NRW unterstellt. Das Land kann somit die Bearbeitung bestimmter Fälle auf eine andere KPB übertragen. Zwei der 31 Landräte leiten ihre KPB nicht: Dies gilt aus historischen Gründen für die Städteregion Aachen, in dessen Bereich – einschließlich der regionsangehörigen Stadt Aachen – das PP Aachen zuständig ist, sowie für den Kreis Recklinghausen mit seinen zehn einwohnerstarken Städten, für den das PP Recklinghausen zuständig ist.
Kreispolizeibehörde: Orts- und bürgernahe Polizeiarbeit
Im Regelfall ist jede Kreispolizeibehörde des Landes für das Gebiet eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt zuständig. Das ist sinnvoll: Zum einen ist damit eine orts- und bürgernahe Polizeiarbeit gewährleistet, zum anderen wird hierdurch das „Prinzip der Einräumigkeit der Verwaltung“ gewahrt. Dieses Prinzip besagt, dass die unterschiedlichen Verwaltungs- und Behördenzweige von Bund und Ländern nach Möglichkeit gleiche Gebietsgrenzen in Bezug auf ihre räumliche Zuständigkeit aufweisen sollten. Das gilt z.B. für Agenturen für Arbeit, Finanzämter oder Gerichte für einen Bezirk oder Region. Dies erleichtert Bürgern und Unternehmen, aber auch den Mitarbeitern öffentlicher Ämter und Dienststellen die Zuordnung von Ansprechpartnern und die Ermittlung von Zuständigkeiten von Behörden.
Die landratsgeführten Kreispolizeibehörden haben darüber hinaus einen weiteren entscheidenden Vorteil: In seiner Doppelfunktion als Leiter der Kreisverwaltung und der Kreispolizeibehörde hat der Landrat auch unmittelbare Zuständigkeiten und Eingriffsmöglichkeiten in den Bereichen Rettungsdienst, Straßenverkehr, Ordnungsamt, Katastrophenschutz etc. Die Zusammenarbeit der Ordnungsbehörden der Kreisverwaltung mit der Polizei ist damit gewährleistet.
2022: In NRW 37 Tumultlagen mit sieben Bezügen zur Clankriminalität
Die Polizei in NRW war 2022 wegen sogenannter Tumultlagen 37 Mal im Einsatz. In sieben Fällen gab es dabei Bezüge zur Clankriminalität. Die meisten der 209 Beteiligten hatten die deutsche Staatsbürgerschaft. Wenn in der Statistik von „Beteiligten“ gesprochen wird, sind das nicht nur Verdächtige, sondern auch Opfer. So taucht bei den 209 Beteiligten auch ein einjähriges Kind auf, das bei einem Tumult verletzt wurde. Über die Zahl der tatsächlich Beschuldigten liegen allerdings noch keine Angaben im Innenministerium vor. Unter den Beteiligten befanden sich 32 Frauen und 177 Männer. Mit 37 Tumultlagen gab es zwei mehr als 2021. 2020 waren es noch 67; im Jahr 2019 zählte man 93 und 2018 (dem Ursprung der Statistik) 179. Eine mögliche Erklärung für die gesunkenen Zahlen – zum Beispiel die Corona-Pandemie. Eine Tumultlage ist laut Innenministerium „eine polizeiliche Einsatzlage, die durch oder aus einer aggressiv auftretenden Personengruppe hervorgerufen wird, bei der die Anzahl der Personen, ihre Rolle beziehungsweise der Status einzelner Personen beim ersten Einschreiten nicht sofort zu bestimmen ist“. Dazu zählen etwa Massenschlägereien (dpa).
Siehe auch: Polizei (Artikelübersicht)