Polizei: „Kurve kriegen“

Jugendkriminalität im Vest 2022 auf dem niedrigsten Niveau seit 18 Jahren

Das nordrhein-westfälische Präventionsprogramm „Kurve kriegen“ versucht seit 2011, rund 1000 kriminalitätsgefährdete Minderjährige vor einer „Karriere“ als Intensivtäter zu bewahren. Das Polizeipräsidium Recklinghausen gehört zu den 38 Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen, die sich an dem Programm „Kurve kriegen“ beteiligen. Mit diesem Engagement soll verhindert werden, dass straffällig gewordene Minderjährige komplett in die Kriminalität abrutschen. Die Erfolgsquote des Programms liegt nach Angaben des NRW-Innenministeriums landesweit bei 46 Prozent. Das heißt, fast jeder zweite Teilnehmer wird nicht mehr rückfällig. Das spiegelt sich auch in den Erfahrungen der Kreispolizeibehörde Recklinghausen, zuständig für den Kreis Recklinghausen und Bottrop, wider.
Die aktuelle Bilanz: Von 16 jungen Menschen, die zuletzt betreut wurden, sind sechs erfolgreich aus dem Programm entlassen worden, weitere sechs hätten die Kooperation vorzeitig abgebrochen. Die übrigen vier sind aus dem Vest weggezogen und werden jetzt von anderen Polizeibehörden betreut. Insgesamt sind nach Angaben des Polizeipräsidiums in den zurückliegenden vier Jahren insgesamt 36 Teilnehmer in der Initiative begleitet worden. Die ersten NRW-Polizeibehörden haben bereits 2011 mit „Kurve kriegen“ begonnen. Inzwischen wird das Programm landesweit in 38 von 47 Kreispolizeibehörden des Landes angewendet. Derzeit kümmern sich die Macher um 572 junge Delinquenten. Das Durchschnittsalter bei der Aufnahme ins Programm liegt bei 12,8 Jahren. „Kurve kriegen“ richtet sich an Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 15 Jahren, die mit mindestens einer Gewalttat oder drei Eigentumsdelikten auffällig geworden sind und denen eine „Karriere“ zum Intensivtäter droht.

„Bekämpfung der Kriminalität durch Mehrfach- und Intensivtäter/innen“

Nach Angaben des Polizeipräsidiums Recklinghausen befindet sich die Jugendkriminalität im Vest auf dem niedrigsten Niveau seit 18 Jahren. Im vergangenen Jahr konnten insgesamt 3527 Tatverdächtige unter 21 Jahren ermittelt werden. Ihr Anteil an allen Tatverdächtigen ist von 20,2 im Jahr 2020 auf 19,5 Prozent (2021) gesunken. Im Jahr 2007 betrug die Quote immerhin noch 30,2 Prozent. Das war auch das Jahr, in dem die Kreispolizeibehörde Recklinghausen ihr eigenes Konzept zur „Bekämpfung der Kriminalität durch Mehrfach- und Intensivtäter/innen“ eingeführt hat. Seitdem, so das Präsidium, lag der Anteil der jugendlichen Tatverdächtigen stets deutlich unter den Werten der Vorjahre. Die Bilanz: Seit Beginn der Umsetzung des Konzeptes sind insgesamt 368 Personen, die zuvor in großer Zahl Straftaten begangen haben, nicht mehr auffällig geworden. 208 junge Leute, die sich nicht positiv beeinflussen ließen und weiter Straftaten begingen, seien längerfristig in Haft gegangen. Auch dadurch hätten sich die Fallzahlen reduziert. Im Jahr 2021 wurden im Vest 22 Personen aus dem Konzept entlassen, da sie sich nichts mehr hatten zuschulden kommen lassen.

Das Projekt stößt international auf großes Interesse

„Kurve kriegen“ kostet den Angaben des NRW-Innenministeriums zufolge pro Teilnehmer etwa 11.000 Euro im Jahr. Bis zu seinem 25. Lebensjahr seien einem Intensivtäter durchschnittlich 100 Opfer und soziale Folgekosten in Höhe von etwa 1,7 Millionen Euro zuzurechnen. „Kurve kriegen“ verhindere solche „Intensivtäter-Karrieren“, unterstrich der NRW-Innenminister. „Kriminalprävention ist der beste Opferschutz.“ Die Erfolgsgeschichte von „Kurve kriegen“ hat sowohl in den Bundesländern als auch international großes Interesse geweckt. In Schweden sei geplant, das Programm ab März 2023 unter dem Namen „Back on track“ umzusetzen.


Quellen: Michael Wallkötter in DZ vom 29. Juli und 6. Dez. 2022

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