Pflegeversicherung – Finanzen

Sie steht 2024 vor einer finanziellen Krise – 2025 noch zahlungsunfähig?

Die Pflegeversicherung ist ein umfassend öffentliches Thema, an dem die allermeisten Bundesbürger beteiligt sind. Daher diese Information im Dorsten-Lexikonmeisten. – Als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Frühjahr 2023 eine Pflegereform mit einer deutlichen Anhebung der Beiträge auf den Weg brachte, versprach er finanzielle Stabilität bis zum Ende der Wahlperiode. Im August 2024 kündigte der SPD-Politiker eine weitere Reform noch für diesen Herbst an, doch bisher stellte er öffentlich Leistungsverbesserungen in den Mittelpunkt. Von Finanzproblemen war nur verklausuliert die Rede. Tatsächlich wird aber bereits fieberhaft an einer Not-Operation gearbeitet. Denn: Werde nichts getan, sei die Pflegeversicherung spätestens im kommenden Februar zahlungsunfähig, hieß es in der Ampelkoalition. Das würde bedeuten, dass Pflegeheime, Pflegedienste sowie Pflegebedürftige und deren Angehörigen kein Geld mehr erhalten.

Immer mehr Pflegebedürftige aus bisher nicht geklärten Gründen

„Stell Dir vor, die Pflegeversicherung ist pleite, und keiner hat´s rechtzeitig bemerkt“, warnte der Dachverband der Betriebskrankenkassen. Für das Jahr 2024 rechnen die Pflegekassen mit einem Defizit von 1,5 Milliarden Euro, für 2025 mit 3,5 Milliarden Euro. Der Grund: Die Reform 2023 war nicht ausreichend finanziert, die damalige Beitragsanhebung war zwar kräftig, aber nicht kräftig genug. So steigt die Zahl der Pflegebedürftigen aus bisher nicht endgültig geklärten Gründen stärker als prognostiziert. Vor allem aber ist die Begrenzung der Eigenanteile für Heimbewohner deutlich teurer als von der Regierung angenommen – weil ebenjene Eigenanteile zum Beispiel wegen der steigenden Löhne für das Pflegepersonal immer neue Höhen erreichen.

Keine Reserven mehr in der Pflegeversicherung

Reserven gibt es in der Pflegeversicherung nicht mehr. Inzwischen schätzt die Regierung die Lage sogar schlechter ein als die notorisch pessimistischen Krankenkassen: Nach Angaben aus Regierungskreisen reicht die von den Kassen bisher geschätzte Anhebung des Beitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte nicht aus. In der Regierung wird stattdessen von einem Erhöhungsbedarf von 0,25 bis 0,3 Punkten ausgegangen. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass nach der Bundestagswahl im Herbst 2025 mit einer längeren Phase der Regierungsbildung zu rechnen ist. Deshalb müsse die Erhöhung so ausfallen, dass das Geld mindestens bis zum Frühjahr 2026 reiche. Aktuell 2024 gilt in der Pflegeversicherung ein allgemeiner Beitragssatz von 3,4 Prozent. Kinderlose zahlen vier Prozent. Für Familien mit mehr als einem Kind unter 25 Jahren gibt es Abschläge. Eine Beitragserhöhung von 0,3 Punkten klingt zwar nicht viel. Doch dabei wird es nicht bleiben, da auch in der gesetzlichen Krankenversicherung mit einem Beitragsanstieg gerechnet wird, und zwar um 0,7 Prozentpunkte. Zusammen ergibt das für Beschäftigte bei einem Einkommen von 3500 Euro eine Mehrbelastung von immerhin 17,50 Euro im Monat oder 210 Euro im Jahr.

Eine Beitragserhöhung wäre nicht die einzige Variante, die infrage käme

Möglich wäre auch ein Zuschuss aus Steuergeldern, der sich sogar gut begründen ließe: Noch immer sind Mehrkosten der Pflegeversicherung für Corona-Tests und Boni für das Personal aus der Zeit der Pandemie in Höhe von sechs Milliarden Euro offen. Zwar hat die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, das Geld aus Steuermitteln zu erstatten. Doch passiert ist das bisher wegen der angespannten Haushaltslage nicht. Ein gerade veröffentlichtes Gutachten im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit kommt allerdings zu dem Schluss, dass eine Erstattung sogar verfassungsrechtlich zwingend ist, weil es sich andernfalls um eine Zweckentfremdung von Geldern der Sozialversicherung handeln würde.

Erheblicher Widerstand

Im Regierungs-Koalitionsvertrag wurde auch zugesichert, die Pflegeversicherung von den Rentenbeiträgen für pflegende Angehörige zu entlasten, was drei Milliarden Euro mehr bringen würde. Doch hier wie bei den Pandemiekosten ist mit einem erheblichen Widerstand von Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu rechnen, weil er ansonsten die Schuldenbremse nicht mehr einhalten kann. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Kosten für die medizinische Behandlungspflege künftig von den Krankenkassen bezahlt werden. Dort gehören sie nach Ansicht vieler Experten auch hin. Das würde die Pflegekassen um bis zu drei Milliarden Euro entlasten.
Bei realistischer Betrachtung bleibt eine Beitragssatzerhöhung als einziger Ausweg. Sollte Lauterbach seine Ankündigung wahr machen, die Eigenanteile für Pflegeheimbewohner noch stärker zu begrenzen, werden jedoch selbst die bisher angedachten 0,3 Prozentpunkte nicht ausreichen.

Siehe auch: Krankenpflegeschule
Siehe auch: Beratungscenter Pflege
Siehe auch: Krankenversicherungen: Notpaket
Siehe auch: Demenskranke

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