Stefan Theda – Polizeibeamten mit Strafverfahren überzogen
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Rathaus setzten sie schon 1934 eine Untersuchungskommission ein, um die kommunale Stellenbesetzung der Polizei zu überprüfen. Es sollten nur nationalsozialistisch gesinnte Beamte und Angestellte Dienst tun, andere entfernt werden. In ihren Ergebnisberichten entlang nationalsozialistischer Prämissen wurden vor allem die Polizisten im Hinblick auf ihre politische Weltanschauung sowie ihr Verhalten gegenüber der NS-Bewegung durchleuchtet. In einem als „Geheim“ eingestuften fünfseitigen Vorbericht für den NSDAP-Kreisbeauftragten für Kommunalpolitik in Recklinghausen, Rottmann, finden sich auch politische Begutachtungen über Dorstener Polizeibeamte. Der Bericht über den damals 36-jährigen Polizeihauptwachtmeister Theda aus Holsterhausen ragt dabei besonders heraus:
„[Er] ist infolge seiner Privatvergehen völlig haltlos hier geworden. Auch politisch trauen wir Theda nicht ganz viel zu. Im Interesse unserer Polizei müsste Theda unbedingt hier verschwinden. Man könnte es auch mit einer Versetzung in einen anderen Amtsbezirk noch mal versuchen.“
Geschlechtsverkehr in der Polizeiwache im Kommissariat?
Stefan Theda wurde am 1. April 1934 aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in den Ruhestand versetzt. Gegen den 1896 in Alt-Buttkerwitz geborenen und in Holsterhausen wohnenden Beamten wurde nach seiner Pensionierung vor dem Dorstener Schöffengericht ein Strafverfahren wegen „Verleumderischer Beleidigung“ eröffnet. Das Gericht verurteilte ihn zu fünf Monaten Gefängnis, erließ Haftbefehl und rechnete ihm die bereits verbrachte Untersuchungshaft im Dorstener Gefängnis an. Theda legte gegen dieses am 8. Mai 1936 ergangene Urteil (Az. 25 Ms 24/36) Rechtsmittel beim Landgericht Essen ein. Die IV. Große Strafkammer verwarf am 3. Juli 1936 die Berufung.
Theda wurde am 28. Januar angezeigt, da er über den Polizeikommissar i. R. Schulz, den Polizeimeister Grotthaus, die Maschinenschreiberinnen Muthweiss und Winck wider besseren Wissens, so die Anklageschrift, das Gerücht verbreitet hatte, dass Schulz mit Fräulein Muthweiss und Grotthaus mit Fräulein Winck in den Amtsräumen der Verwaltungsnebenstelle in Holsterhausen Geschlechtsverkehr ausgeübt hätten. Bürgermeister Dr. Josef Gronover stellte als Dienstvorgesetzter des Polizeimeisters Grotthaus und der Maschinenschreiberinnen Strafantrag gegen Theda. Der in den Ruhestand geschickte Polizist hatte bereits eine Vorstrafe. Am 10. Januar 1936 verurteilte ihn das Schöffengericht in Dorsten wegen Beleidigung des Polizeimeisters Grotthaus unter dem Aktenzeichen 25 Js 147/35 zu 100 Reichsmark Geldstrafe oder ersatzweise zu 20 Tagen Gefängnis.
Während Theda wegen verleumderischer Beleidigung zu fünf Monaten Haft verurteilt wurde, waren weitere Verfahren gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft Essen anhängig. U. a. soll er den Ortsgruppenleiter der NSDAP und Amtsbeigeordneten Otto Berke (Hervest-Dorsten) ebenfalls verleumdet und zusätzlich wissentlich falsch beschuldigt haben. Nachdem Theda die Gefängnisstrafe abgesessen hatte, eröffnete Bürgermeister Dr. Gronover gegen ihn ein Dienststrafverfahren. Nach Prüfung sämtlicher Strafakten durch den Landrat in Recklinghausen musste das Dienststrafverfahren eingestellt werden, da die Straftaten, deretwegen er verurteilt worden war, erst nach seiner Pensionierung begangen worden waren. Über das weitere Schicksal Stefan Thedas ist bislang nichts bekannt.
Andere Polizeibeamten im Visier der Untersuchungskommission
Die Untersuchungskommission kam zu dem Ergebnis, dass die Kommissarstelle in Holsterhausen eingespart werden sollte, „zumal der jetzige Kommissar Schulz (Alter 58 Jahre) pensioniert werden könnte“. Es folgte die politische Bewertung des Stelleninhabers Schulz, der in Holsterhausen liebevoll „Papa Schulz“ genannt wurde:
„Schulz war stets in der nationalen Sache tätig, Kriegsvereinsvorstand und Kreiskriegervorstandsmitglied. Er hat auch immer unserer Bewegung in den Zeiten der Verfolgung früh genug eine Warnung zukommen lassen. Auch in der Räte- und Ruhreinbruchzeit hat Schulz seinen Mann gestanden. Aber in Folge seiner Übernervosität wäre es doch am Platze, Schulz zu pensionieren. Die Kommissarstelle würde durch einen tüchtigen Polizei-Obermeister neu zu besetzen sein.“
Über Amtsobersekretär Heinrich Schulze von der Verwaltungspolizei sagt der Bericht aus, dass er „nicht befähigt [sei], seinen Posten zu versehen. Aus Mitleid habe man diesen Beamten dort scheinbar in Stellung gelassen. Um gerade auch im Verwaltungswesen der hiesigen Polizei einen nationalsozialistischen Umschwung herbeizuführen, müsste diese Stelle durch einen anderen nationalen Beamten besetzt werden“. Polizeimeister Heitkötter (geboren 1877) sei ein „älterer, biederer, preußischer Beamter. Im Interesse unserer Polizei würde es doch wünschenswert sein, wenn man diesen pensioniert und durch einen jungen Kriminalbeamten ersetzt“. Polizeihauptwachtmeister Hartnagel war 45 Jahre alt. Über ihn urteilte die Kommission: „Ist wenig zu gebrauchen, politisch alles und gar nichts.“
Quellen:
Kommissionsbericht vom 23. Mai 1934. – Bericht Amtsbürgermeister Dr. Gronover an den Landrat (Abt. N IIb) vom 11. Mai 1936, beides Privatbesitz.