Auf dem Zechengelände entsteht neues Zentrum
Wie die Volksparteien der Bundesrepublik ihren Standort als die jeweilige „Mitte“ bestimmen, so scheint es, dass in Dorstens Stadtteilen „neue Mitten“ die Schlagzeilen bestimmen. Nach Altstadt und Wulfen auch Hervest. Neue Mitte in Hervest soll das alte Zechengelände von Fürst Leopold werden. Das Kerngelände mit den denkmalgeschützten Gebäuden will die Tempelmann-Gruppe (TeDo) mit einem Dreiklang aus Kultur, Freizeitwirtschaft und Handel beleben. Nach einigen Querelen einigten sich die Stadt, die RAG, Investor und Hervester Kaufleute auf einen Kompromiss, der das Etikett „Spreiz-Lösung“ anhaftet. Als Verlängerung der Geschäftsstraße „Im Harsewinkel“ sollen auf der Fürst Leopold-Fläche ein Discounter und Fachmärkte angesiedelt werden und an der Halterner Straße ein Lebensmittelmarkt. Auch sind ein neues Hervester Jugendzentrum und ein Sozialkaufhaus geplant. Das soziale „Kaufhaus Kaktus“ war bereits im Herbst 2011 von Wulfen an die Halterner Straße übergesiedelt. Das unter Denkmalschutz stehende Zechenbauwerk mit den Dampfmaschinen ist der NRW-Stiftung übertragen worden und wird vom Verein für Bergbau- und Industriegeschichte betreut.
Die Stadt hat durch Förderzusagen der Bezirksregierung die Möglichkeit, durch den Erwerb der benachbarten Ruhrgas-Flächen ein eigenes Verkehrskonzept realisieren zu können, was für die beteiligte RAG-Montan-Immobilie wichtig ist. Sie will auf einem 45.000 Quadratmeter großen Gelände nördlich des Kernbereichs Gewerbe ansiedeln. Die Mieteinnahmen aus Discounter und Lebensmittelmarkt auf Fürst Leopold sollen der eigens aber nicht nur für Fürst Leopold 2010 gegründeten „Ruhrstadt Stiftung“ zufließen, die daraus und aus Kapitalerträgen den Betrieb in den Altgebäuden subventionieren will. Die private Stiftung fördert Bildung, Erziehung, Ausbildung, Kunst und Kultur, Denkmalpflege, Natur- und Umweltschutz. Parallel dazu wird die Erschließung der Gewerbeflächen im nördlich angrenzenden Areal vorangetrieben Zeche, Ruhrgas). Das Unternehmen RAG-Montan-Immobilien geht davon aus, dass dort 2014 die ersten Betriebe angesiedelt werden können. Das Gebäude der Versuchsanlage zur Kohlevergasung – ursprünglich als Standort für ein Jugendzentrum im Gespräch – könnte dabei zum Gründerzentrum werden (siehe Bergbau).
Soziokulturelles Zentrum Hervest
Das geplante Soziokulturelle Zentrum Hervest wird unter dem Namen „Leo“ als „Leuchtturmprojekt“ für die Jugendarbeit des Stadtteils auf dem ehemaligen Zechengelände geplant. Träger dieser Einrichtung soll eine gemeinnützige GmbH werden, in der möglichst alle Beteiligten an der Jugendarbeit in Hervest vertreten sein sollen. Die beiden Kirchen haben bereits zugestimmt. Der „Förderturm“, das offene Jugendheim der ev. Kirche, soll seine Arbeit im „Leo“ weiterführen und ausweiten. Eine Kooperation mit den beiden Grundschulen im Ortsteil und den weiterführenden Schulen in der Nachbarschaft ist ebenso vorgesehen wie mit der Straßen-Arbeit am Brunnenplatz und die neu entwickelte am Ellerbruch. Der Grundstücksanteil für das Soziokulturelle Zentrum ist 2.300 qm groß. Die Planung und Errichtung hat einen Kostenrahmen von 1,3 Millionen Euro. Für die „Soziale Stadt“ bewilligte die Bezirksregierung Münster im Januar 2012 eine Zuwendung in Höhe von 3,932 Millionen Euro aus Mitteln des Stadterneuerungsprogramms des Landes NRW. Damit und aus Bundesmitteln soll das integrierte Handlungskonzept für den Stadtteil Hervest weiter umgesetzt werden: Grün- und Wegeverbindung, Stadtteilplatz auf dem Zechengelände, Aufwertung vorhandener Plätze, Schaffung von „Mehrgenerationen-Kommunikationsorten“ und Jugendtreffpunkten, Neugestaltung von Schulhöfen, Umgestaltung der Halterner Straße und Aufwertung der Straße „Im Harsewinkel“. Bleibt zu hoffen, dass für dieses engagierte Programm die fast vier Millionen Euro ausreichen.
Aufregung um Bebauungsplan für das Zechengelände
Für das Zechengelände gibt es einen rechtgültigen Bebauungsplan, in dem festgelegt ist, welche Branchen in welcher Größenordnung dort angesiedelt werden dürfen. Einem Gerücht zufolge (oder war es mehr?), äußerte Mitte 2015 die zur Tempelmann-Gruppe (Investor des Geländes) gehörende Tedo GmbH, dass sie über den akzeptierten Bebauungsplan hinaus mehr Einzelhandelsgeschäfte ansiedeln möchte. Dagegen wehrt sich vehement der Einzelhandel der Innenstadt. Die Interessengemeinschaft Altsstadt (DIA), in der Innenstadt-Einzelhändler vertreten sind, appellierte an Rat und Verwaltung, solches Ansinnen nicht zu genehmigen. Dabei geht es vor allem um den östlichen Bereich des Hervester Zechengeländes, wo der Holsterhausener Kaufmann Ralf Honsel 2016 einen Edeka-Markt mit 2.300 Quadratmetern Grünfläche bauen wird. Da die vorgesehene Ansiedlung eines Tierfutter-Unternehmens nicht realisiert wird, geht der Streit jetzt nicht nur um die Verwendung dieser 800 Quadratmeter, sondern auch um andere Bereiche in der Nachbarschaft, wo laut Bebauungsplan kein „nahversorgendes Sortiment“ erlaubt ist. Würde die Stadt dem Ansinnen der Tedo GmbH entgegenkommen, müsste der Bebauungsplan in einem öffentlichen Verfahren geändert werden. Maßgebliche Vertreter des Innenstadt-Handels kündigten für diesen Fall ein Klageverfahren an. Denn aufgrund der bereits bestehenden Leerstände in der Innenstadt könnte einen Erweiterung der Einzelhandelsflächen in der Nähe der Innenstadt nicht hingenommen werden. Diese Ansicht vertritt auf die Industrie- und Handelskammer Nord/Westfalen. Die „Dorstener Zeitung“ zitierte am 20. Juli 2015 Dorstens Stadtbaurat Holger Lohse: „Der Investor steht in der Konzeptentwicklung, darüber ist gesprochen worden“. Damit meinte er die Zusammenkunft der Ratskommission für Stadtentwicklung am 11, Juni 2015 hinter verschlossenen Türen. Bislang blieb das Ansinnen von Tedo auf der Ebene eines Gerüchts. Vielleicht war es lediglich ein Versuchsballon, um Reaktionen zu prüfen. Nach dem Sommerloch hat sich die Aufregung darüber offensichtlich wieder gelegt.
Quellen:
Ludger Böhne/Martin Ahlers „Fürst Leopold: Die Zielmarke ist gesetzt“ in WAZ vom 26. Januar 2011. – Ludger Böhne „Ruhrgas-Fläche: Platz für neue Arbeitsplätze“ in WAZ vom 1. März 2011.