Müller, Erich

Ein erfolgreicher und politisch umstrittener Unternehmer

1905 in Dorsten bis 1980 ebenda; Industrieller. – Aufgrund seiner wirtschaftlichen Stellung als Mitinhaber und Geschäftsführer der Westfälischen Sand- und Tonwerke (heute Euroquarz) war er in Dorsten ein bekannter und einflussreicher Mann. – Nach der Reifeprüfung am Gymnasium Petrinum in Dorsten studierte Erich Müller, Sohn von Hermann Müller, an der Universität Marburg, dann in Bern (Schweiz) Staatswissenschaften. Er promovierte dort 1928, wurde Mitglied der renommierten schweizerischen Friedensgesellschaft in Lausanne und in der Studentenverbindung Zähringia, deren Altherrenschaft er bis zuletzt angehörte. Eigentlich wollte Erich Müller nach Ablegung seines 1. juristischen Staatsexamens in den konsularischen Dienst des Deutschen Reiches treten. Daher bereitete er sich seit 1932 als Syndikus wirtschaftlicher Verbände in Osnabrück auf  den Auswärtigen Dienst vor. Doch im Jahr 1933, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, änderte er seine Pläne. Sein vorgesetzter Syndikus, Amtrup, wurde 1933 Nationalsozialist und entließ mit dem Vorstand, in dem sich Juden wie Alsberg (Kaufhaus) befanden, auch Erich Müller. Daraufhin zog er sich in sein Elternhaus in Dorsten zurück. Als Mitglied im „Reichsverband Deutscher Volkswirte“ kam er in den gleichgeschalteten NS-Rechtswahrerbund und über den Deutschen Automobilclub in das Nationalsozialistische Kraftfahrerkorps (NSKK). Ausgetreten ist er nicht, weil er ein „großer Freund des Autosports“ war.

1939 in die NSDAP eingetreten

Nach dem Krieg bescheinigte ihm der Dorstener Polizei-Oberleutnant August Dreppenstedt, dass Erich Müller im Sinne der Nationalsozialisten politisch als „unzuverlässig“ galt. 1935 übernahm Müller nach Weggang des Geschäftsführers Carl Tillessen (siehe dort) die Geschäftsführung der väterlichen Westfälischen Ton- und Sandwerke in Dorsten, an denen er seit 1928 als Mitinhaber beteiligt war. 1937 trat er in die NSDAP ein, wandelte 1939 die Unternehmensform GmbH in eine Kommanditgesellschaft um und überlebte Krieg und Nationalsozialismus in seinem Betrieb, in dem auch Kriegsgefangene eingesetzt waren.

Sein Verhalten zu Kriegsgefangenen war umstritten

Obwohl Dr. Erich Müller im Entnazifizierungsverfahren „Leumundszeugnisse“ in Anspruch nahm, nach denen er als „innerer Gegner des Nationalsozialismus“ dargestellt wurde und der Amtsarzt i. R., Dr. Dorner, der in der NS-Zeit auch die Kriegsgefangenenlager kontrollierte, Müller bescheinigte, dass in seinem Unternehmen die Kriegsgefangenen „hochgepflegt“ und „hygienisch einwandfrei“ untergebracht waren, wusste Adolf Jakobi das Gegenteil zu berichten. Jakobi war Lokführer im Unternehmen und hatte Gelegenheit, die Zustände zu sehen, weil er den Gefangenen das Essen bringen musste, das aus „Wasser und Steckrübenschnitzeln oder Brennnesseln“ bestand, „sodass bei dieser Ernährung die Gefangenen abmagerten und nicht arbeiten konnten“. Als einem Gefangenen der Kot an den Beinen herunter lief, und er vor Schwäche nicht mehr arbeiten konnte, wurde er geschlagen, „in den Schnee geworfen und einige Stunden liegen gelassen“, danach mit einem anderen Gefangenen in eine Lore gelegt, die dann umgekippt wurde. „Der Betriebsführer, welcher in 10 m Entfernung stand, hat noch über diese Tat gelacht. Die beiden Gefangenen habe ich nie wieder gesehen.“ Adolf Jacobi berichtete noch über ähnliche Fälle im Gefangenenlager. Der dafür zuständige Betriebsführer Wirths [richtig Wirtz, Stellvertreter Müllers] wurde 1945 von den Amerikanern verhaftet und 17 Monate lang interniert. Danach wurde er „von Herrn Dr. Müller wieder angestellt […], während andere draußen blieben“. Jakobi beendete seinen Bericht vom 25. Juli 1947 mit der Einschätzung: „Daraus ist zu ersehen, dass der Geschäftsführer Dr. Müller noch immer Nationalsozialist ist und bleibt, da er die Verbrecher bevorzugt und in seinem Betrieb beschäftigt.“

Bei der Entnazifizierung als unbelastet eingestuft

Daraufhin verklagte Dr. Erich Müller den Maschinisten Adolf Jakobi und den Gahlener Holzschuhmacher Friedrich Mettler wegen Beleidigung vor dem Amtsgericht Dorsten. Letzterer hatte ebenfalls gesehen, wie Gefangene geschlagen wurden. Er gab noch zu Protokoll: „Ich selbst wurde auf die Anzeige des Dr. Müller hin von der Gestapo verhaftet und 14 Tage festgehalten.“ In einer öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts vom 18. Juni 1948 blieben die beiden bei ihren belastenden Aussagen. Andere Zeugen behaupteten das Gegenteil wie der Vorarbeiter im Unternehmen, Bückemeier, damals 67 Jahre alt. Er sagte aus: „Die Gefangenen wurden immer gut verpflegt und waren dick und fett.“ Um weitere Zeugen zu hören, wurde die Privatklage-Verhandlung vertagt. Über ihren Ausgang ist nichts bekannt, wohl aber über das Entnazifizierungsverfahren. Dr. Erich Müller wurde bei der Entnazifizierung vom Unterausschuss/Hauptausschuss als „unbelastet“ (V) eingestuft.

Florierendes Unternehmen des „Imperators“ Müller

Unter der Leitung von Dr. Erich Müller florierte das Unternehmen in der Zeit des Wiederaufbaus besonders. 1950 siedelten sich die Westfälischen Sand- und Tonwerke auch in Haltern an und förderten zwischen den Silberseen 12 und 2 sowie der A 43 Kies. 1956 nannte Müller sein Unternehmen in „Westdeutsche Quarzwerke Dr. Müller GmbH“ um, da  das Unternehmen mehrere Sand- und Kieswerke auch außerhalb von Westfalen errichtet hatte. 1971 hielt Erich Müller rund 26 Prozent des Aktienkapitals an der Dorstener Eisengießerei und Maschinenfabrik, was den Hauptaktionär Albert Stewing veranlasste, Erich Müller als „Imperator Müller“ zu apostrophieren. Die Erben verkauften die Aktien an die Flender-Werke. – Dr. Dr. Erich Müller starb 1980 (siehe Euroquarz; siehe Carl Tillessen).


Siehe auch:
Unternehmer (Artikelübersicht)


Quellen:
Steven Milverton-Hompage (2011). – Entnazifizierungsunterlagen priv. Ord.-Nr. 580, darin die Aussagen Friedrich Mettler vom 10. Juli 1947 (Blatt 224). – Selbstgeschr. polit. Lebenslauf  Dr. Müller, ohne Datum, vermutlich 1946/1947 (Blatt 225). – Schreiben Kreisobermedizinalrat Dr. Dorner vom 3. September 1947 (Blatt 228). – Protokoll Adolf Jakobi vom 25. Juli 1947 (Blatt 229). – Protokoll Friedrich Mettler vom 25. Juli 1947 (Blatt 230) – Aussageprotokoll Amtsgericht vom 18. Juni 1948 (Blatt 233).

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