Eiskaltes Töten im Reitsportmilieu – Dorstenerin beteiligt und verurteilt
Kein „Tatort“-Krimi-Autor könnte die Geschichte besser erfinden. In einen Mordkomplott mit Tätern aus dem eigentlich gutbürgerlichen Reiter-Milieu war die 26 Jahre alte Dorstener Pferdesportlerin und Fleischereiverkäuferin Tanja Lischitzke beteiligt. Daher wurde sie Ende Juni 2012 zusammen mit ihrem Dortmunder 22-jährigen Freund Robin Hinz in Dorsten festgenommen und in Untersuchungshaft gebracht. Einen Tag später ihr Bruder Sven Lischitzke. Beteiligt war auch noch der von ihnen beauftragte 23-jährige Killer Steven McAndie, der die Frau dann erwürgte. Die aus Gründen der Habgier begangene Tat geschah am 21. Juni am Strandbad Lübars in Berlin-Reinickendorf. Das Opfer war die 21-jährige Freundin des Dortmunders, die Pferdewirtin Christin R., die zugunsten ihres vermeintlichen Freundes Robin Hinz erst am 1. Juni 2012 eine Lebensversicherung in Höhe von 245.000 Euro abgeschlossen hatte. Erschreckend ist die Kaltblütigkeit, mit der das „Trio infernale“ vorging, was selbst hartgesottene Ermittler schockierte.
Kaltblütiger Mord ausgedacht, geplant und ausgeführt
Robin Hinz und das Opfer Christin waren neun Monate ein Paar. Sie verband der Pferdesport, denn beide waren Pferdewirte von Beruf. Bis zu seiner Verhaftung war er als Springreiter im Reiterverein Rhede aktiv. Im April soll es zu einem ernsthaften Zwischenfall gekommen sein. Robin griff Christin offenbar mit einem Messer an. Später konnte er sie wohl überreden, seine psychisch kranke Mutter (55) Cornelia Hinz zu beschuldigen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen gefährlicher Körperverletzung. Dennoch wollte sich Christin nicht von ihrem Freund lösen, der sie betrog. Denn in Dorsten hatte er eine weitere Freundin, Tanja Lischitzke. Mit ihr wollte er einen Reiterhof in Westfalen aufmachen. Doch dazu brauchte das Pärchen Geld, das es nicht hatte. Die Bild-Zeitung schrieb: „Nun schmieden die beiden wohl einen teuflischen Plan, wie die Polizei ermittelte. Robin soll Christin zu einer Lebensversicherung zu seinen Gunsten überreden. Christin lässt sich nichts ahnend darauf ein, es geht um 245 000 Euro.“ Die Ermittlungen des Bundeskriminalamtes ergaben später ein Vielfaches dieser Summe.
Lebensversicherungen des Opfers waren das Todesurteil
Christin tut dies arglos und überschreibt ihrem Freund Robin die Lebensversicherung. Das war ihr Todesurteil. Weil er es sich selbst nicht zutraute, seine vermeintliche Freundin umzubringen, sollte seine Geliebte Tanja helfen. Diese sprach ihren Bruder Sven an, der aus einem Gefängnisaufenthalt einen Kumpel kannte, den 22-jährigen Steven McAndie, der sich laut Anklage bereit erklärte, Christin für 500 Euro zu töten.
Täter lauerte im Gebüsch, sprang heraus und würgte das Opfer
Am 20. Juni lockte Robin Hinz seine Ex-Freundin unter einem Vorwand in den beschaulichen Berliner Stadtteil Lübars. Doch Christin R. hatte eine Freundin dabei. Man trennte sich wieder. Nur eine halbe Stunde später bat er um ein zweites Gespräch. Als Grund log er ihr vor, die Dorstenerin Tanja Lischitzke wolle ein Pferd kaufen. Christin kam nun alleine. Dafür kam mit Robin die Dorstenerin mit, die Christin bereits flüchtig kannte und sie arglos für eine harmlose Bekannte hielt, die sich für ein Pferd interessierte. Angeblich sollte Christin dort von Tanja Lischitzke. einen Scheck für einen zuvor verabredeten Pferdekauf bekommen. Als sie auf dem Parkplatz am Freibad Lübars eintraf, lauerte Steven McAndie schon im Gebüsch. Von dem Mord gibt es zwischenzeitlich zwei Versionen. Der einen nach soll sich Christin in einen Wagen gebeugt haben, um eben diesen Scheck zu nehmen, als der Killer sie angriff. Die andere ist der Gipfel der Abscheulichkeit: ein Todeskuss! Robin Hinz soll seine Freundin innig geküsst haben, damit Steven sie von hinten packen und mit einem Seil erwürgen konnte. Die beiden anderen sahen zu. Danach versteckten sie Christins Leiche im Gebüsch. In der Hauptverhandlung stellte sich heraus, dass Robin und die Dorstenerin Tanja zugesehen haben, wie Steven Mc A. Christin mit einem Seil würgte, bis sie schließlich leblos zusammensackte. Es dauerte laut Anklage noch einige Minuten, bis Christin tot war. Als der mutmaßliche Mörder auf ihr kniete, soll er gebrüllt haben: „Wie lange lebt denn diese Schlampe noch?“
Dorstenerin vor der Polizei geständig; sie wird Kronzeugin der Anklage
Eine Anwohnerin fand die Leiche der 21-Jährigen am Morgen des 21. Juni beim Spaziergang mit ihrem Hund. Noch am selben Tag wurde Robin Hinz auf einem Pferdehof im brandenburgischen Friesack festgenommen. Der Verdacht lautete zunächst, er habe Christin erwürgt. Doch als die Polizei sein Handy untersuchte, kam heraus, dass er sehr häufig Kontakt zu Tanja Lischitzke aus Dorsten hatte. Daraufhin wurde sie festgenommen; sie erzählte von dem Mordkomplott. Auch davon, dass sie schon zuvor versucht hatte, Christin mit K.o.-Tropfen zu töten. Das scheiterte, weil das Opfer nicht genug von dem mit Gift durchsetzten Getränk zu sich genommen hatte. Die Beamten nahmen nach Tanja Lischitzkes Geständnis auch ihren Bruder und den mutmaßlichen Auftragsmörder fest. Drei Wochen nach der Tat wurde die Mutter des Ex-Freundes der Getöteten und Drahtzieher des Mordes an ihrem Arbeitsplatz in einer Bank in Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern) festgenommen. Hintergrund der Festnahme waren neue Ermittlungsergebnisse: Demnach soll die Mutter von Anfang an in die Mordpläne ihres Sohnes eingeweiht gewesen sein. Inzwischen geht die Polizei davon aus, dass Mutter Cornelia Hinz, die als Anlageberaterin in einer Bank arbeitete, der Kopf dieser Mordbande war; sie unterhielt in Friesack ein Gestüt namens „Sportpferde Hinz“.
Unterschriften unter den Lebensversicherungen teils gefälscht
Zudem war für die getötete Pferdewirtin nicht nur eine Lebensversicherung über 245.000 Euro abgeschlossen worden. Es existierten acht Versicherungen dieser Art über insgesamt 2,1 Millionen Euro. Begünstigter in allen Fällen: Robin Hinz, Ex-Freund des Opfers. Die Unterschriften unter Lebensversicherungen des Opfers zugunsten des mutmaßlichen Täters sind den Ermittlern zufolge zumindest teilweise gefälscht worden. Gefunden wurden bislang drei Gesellschaften, bei denen Lebensversicherungsverträge vorlagen. Das Bundeskriminalamt prüfte europaweit, ob weitere Lebensversicherungen auf den Namen des Opfers abgeschlossen wurden. Geprüft wird auch, ob die Unterschrift der Pferdewirtin unter den Verträgen gefälscht war. Im Dezember 2012 erhob die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage gegen die fünf Verdächtigen. Die mutmaßlichen Mörder, so das Ermittlungsergebnis, sollen es auf Lebensversicherungen ihres Opfers in Millionenhöhe abgesehen haben. Das Verbrechen war offenbar lange geplant.
Verhandlung vor dem Landgericht Moabit zog sich über zwei Jahre hin
Im März 2013 begann die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Moabit. Auf den Anklagebänken des Berliner Gerichts saßen Robin Hinz und seine Mutter Cornelia, die Dorstenerin Tanja Lischitzke und ihr Bruder Sven sowie dessen Kumpel Steven McAndie. Laut Anklage musste Christin R. sterben, weil Robin Hinz und dessen Mutter Cornelia H. Lebensversicherungen in Höhe von 2,4 Millionen Euro kassieren wollten. Die Angeklagte aus Dorsten, die 27-jährige Verkäuferin Tanja L., gab Anfang April ihre Beteiligung an dem Verbrechen als Kronzeugin zu und gestand einen gescheiterten Giftanschlag auf das 21-jährige Opfer. Als Auftraggeber nannte sie einen der beiden Hauptangeklagten, den 24-Jährige Robin Hinz. Er und seine mitangeklagte Mutter sollen den Mord geplant haben, um in den Besitz der Versicherungssumme zu kommen. Im Auftrag von Robin Hinz habe sie nach eigenen Aussagen auch einen Killer gesucht. Dieser, der 22-jährige Mitangeklagte Steven McAndie soll die Pferdewirtin mit einem Seil erdrosselt haben.
Bereits Mordversuch zu früherem Zeitpunkt
Im April 2012 kam es laut Staatsanwaltschaft zum ersten Mordanschlag. Cornelia Hinz, die vor ihrer Festnahme als Anlageberaterin arbeitete, soll die Freundin ihres Sohnes mit einem Messer attackiert haben. Ein fünf Zentimeter tiefer Stich, der aber lebenswichtige Organe verfehlte. Das Opfer konnte sich retten. Einen Monat später – Robin hatte inzwischen in der Fleischereiverkäuferin Tanja Lischitzke eine neue Freundin gefunden – der zweite Versuch: Der junge Mann kaufte Kaliumchlorid, um die Pferdewirtin zu vergiften. Dafür lockte Tanja Lischitzke das spätere Mordopfer auf einen Parkplatz. Sie tranken Sekt – in Christins Becher war das Gift. Doch der Mordversuch von L. blieb erfolglos, sie gestand ihn später der Polizei. Laut Staatsanwaltschaft waren ihr 50 000 Euro aus der Lebensversicherung zugesichert worden.
Robin H. stritt alles ab
Beim dritten Mal kurz darauf blieb es nicht beim Versuch. Tanja Lischitzke soll ihren Bruder Sven gebeten haben, einen Auftragsmörder zu suchen, den er offenbar in Steven McAndie fand. Sven Lischitzke saß zu dem Zeitpunkt im Gefängnis. 1.000 Euro sollte es für den Mord geben, 500 davon für Steven McAndie, so die Anklage. Nach fast einjähriger Gerichtsverhandlung hat im Juli 2014 der Hauptangeklagte und mutmaßliche Drahtzieher des Mordes sein Schweigen gebrochen. Er belastete seine Dorstener Geliebte schwer. „Ich bin nicht der Täter, nicht der Organisator, nicht der Planer des schrecklichen Verbrechens“, sagte der 25-jährige Springreiter Robin H. vor dem Landgericht. Er habe das 21-jährige Opfer geliebt. Nur durch die 28-jährige Mitangeklagte Tanja Lischitzke, die sich vermutlich eine Beziehung mit ihm erhofft habe, sei er unter Verdacht geraten. Mehr als zwei Jahre nach dem Mord an der 21-jährigen Pferdewirtin stand aus Sicht der Staatsanwaltschaft die Schuld der fünf Angeklagten fest. Gegen vier der Verdächtigen verlangte der Ankläger am 17. November 2014 die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafen. Der 26 Jahre alte Ex-Freund der Pferdewirtin sowie dessen 57 Jahre alte Mutter hätten aus Habgier das Mordkomplott geschmiedet. Für beide sowie dem 24-Jährigen angeheuerten Killer sei zudem eine besondere Schwere der Schuld festzustellen. „Mutter und Sohn, die einen Reiterhof in Brandenburg betrieben, hätten den Mordplan geschmiedet, um an knapp 2,5 Millionen Euro aus acht Lebensversicherungen der Pferdewirtin zu kommen“, meinte Staatsanwalt Horstmann.
Dorstenerin war geständig und als Kronzeugin Stütze der Anklage
Als Stütze der Anklage galt die 29-jährige Mittäterin Tania L. aus Dorsten. Nur sie hatte vor Gericht ein Geständnis abgelegt. In ihrem Fall plädierte Horstmann auf eine Strafe von 15 Jahren Haft wegen Mordes sowie Mordversuchs. „Diese Angeklagte war in den 26-Jährigen verliebt. Sie ist auf ihn, der sie gezielt manipuliert hat, hereingefallen.“ Der 26 Jahre alte Springreiter Robin Hinz, hatte die Darstellung seiner Ex-Geliebten und Kronzeugin vehement bestritten. Er habe sich in der Tatnacht mit der Pferdewirtin getroffen, um sie zu fragen, ob sie mit ihm nach Nordrhein-Westfalen ziehen würde, sagte er. Als sie abgelehnt habe, sei er enttäuscht zurück zu seinem gepachteten Pferdehof in Brandenburg gefahren. Als er abfuhr, habe die 21-jährige Pferdewirtin noch gelebt. Der Staatsanwalt hielt in seinem Plädoyer gegen: Der 26-Jährige habe „die Tat geplant, koordiniert, das Opfer in den Hinterhalt gelockt“, der Killer habe 500 Euro erhalten. Der Prozess wurde am 24. November mit den Plädoyers der Nebenklage sowie den Schlussvorträgen der Verteidiger der 29-Jährigen fortgesetzt.
Anwälte der Eltern forderten für die Angeklagten lebenslange Haft
Auch für die Anwälte der Nebenklage gab es im Prozess um den Auftragsmord an der jungen Berliner Pferdewirtin keine Zweifel an der Schuld der fünf Angeklagten Anwälte: „Man ist sprachlos über die Skrupellosigkeit und Perfidität“, erklärte einer der Nebenklage-Anwälte.: Der tödliche Anschlag auf eine junge Pferdewirtin vor mehr als zwei Jahren war auch aus Sicht ihrer Familie ein Mordkomplott. Die Anwälte der Eltern sowie der Brüder der 21 Jahre alten Frau verlangten für vier der Beschuldigten, darunter der 26-jährige Ex-Freund des Opfers, eine lebenslängliche Haft. Für die Dorstenerin eine begrenzte Gefängnisstrafe.
Die Verteidiger der Dorstenerin Tanja L. plädierten auf zwölf Jahre Haft, die des Hauptangeklagten Robin H. ..Freispruch vom Vorwurf des Mordes verlangt, auch für die Mutter des Hauptangeklagten mit der Einschätzung: „Es gibt keine Hinweise auf eine Tatbeteiligung.“ Da sie aber 2012 die junge Pferdewirtin durch einen Messerstich erheblich verletzt und sich deshalb der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hatte, plädierten die Verteidiger auf eine Haftstrafe von maximal drei Jahren.
Das Urteil: 14 Jahre für die Dorstenerin, für die anderen lebenslänglich
Vier der Angeklagten und Mordbeteiligten wurden zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Die fünfte Beteiligte, die 29-jährige Dorstener Fleischverkäuferin Tanja L. muss für 14 Jahre und sechs Monate hinter Gitter. Sie hatte als einzige eine Tatbeteiligung eingeräumt. Im Urteil hieß es, sie sei von dem Springreiter, in den sie verliebt war, manipuliert worden. Die Dorstener Hobbyreiterin suchte über ihren 25-jährigen Bruder Sven L. den Mörder. Sie hatte auch eingeräumt, der Pferdewirtin Christine R. Gift in einen Sektbecher gemischt zu haben, um sie zu töten. Diese Attacke war fehlgeschlagen. Der Dorstener Sven bekam lebenslänglich wegen Anstiftung zum Mord. Er ist knasterfahren, war bereits wegen Vergewaltigung verurteilt. Vorsitzender Richter Ehestädt hatte noch nie eine solche Tat zu verhandeln und war entsetzt von dieser Kaltblütigkeit.
„Da hatte sich eine Gruppe von ziemlich unauffälligen Menschen zusammengefunden, deren einziges Ziel es war, heimtückisch zu töten. Mit einem unbedingten Vernichtungswillen, völlig unbeeindruckt von zuvor missglückten Mordversuchen…“
Laut Urteil war es ein Mordkomplott aus Habgier und Heimtücke, um an knapp 2,5 Millionen Euro aus Lebensversicherungen des Opfers zu kommen. Das Gericht sprach im Urteil von einer „abscheulichen Tat auf sittlich niedrigster Stufe“. Weiter heißt es im Urteil: Das Verbrechen wurde „mit ungehemmter Geldgier und kaum zu übertreffender Gefühlskälte” verübt. – Gegen das Urteil wurde von den Anwälten Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Damit wird der BGH die Entscheidung des Berliner Landgerichts auf mögliche Rechtsfehler überprüfen.
Was bedeutet „lebenslange Haft“?
Bei einer Verurteilung zu lebenslanger Haft müssen in Deutschland mindestens 15 Jahre hinter Gittern verbüßt werden. Die Zeit in der Untersuchungshaft wird dabei mitgerechnet – was in diesem Fall bereits mehr als zwei Jahre sind. Danach kann die Reststrafe auf fünfjährige Bewährung ausgesetzt werden.
Was bedeutet es, wenn zusätzlich die besondere Schwere der Schuld festgestellt wird?
Eine vorzeitige Entlassung nach frühestens 15 Jahren ist nicht möglich. Im Durchschnitt verlängert sich die Haftdauer auf 23 bis 25 Jahre.
Quellen:
Henning Brinkmann und Alexandra Heimken „Frau in Berlin getötet. Mordkomplott: Festnahmen in Dortmund und Dorsten“ in WAZ vom 29. Juni 2012. – „Berliner Morgenpost“ vom 30. Juni 2012. – Andres Wegener und Jörg Löbker in „Bild“ vom 29. Juni 2012. – Sebastian Scherer in „Märkische Allgemeine“ vom 23. März 2013.