Bislang weltweit mit 8,5 Milliarden Euro über 113.000 Projekten geholfen
Immer wieder taucht so nebenbei in etlichen Artikeln dieses Lexikons, vornehmlich mit kirchlichen Inhalten, der Name und Begriff „Misereor“ auf. Hier die Information über „Misereor“.
Das Bischöfliche Hilfswerk Misereor e. V. (lat. misereor ‚ich erbarme mich‘) ist eines der größten Hilfswerke der römisch-katholische Kirche in Deutschland und hat seinen Sitz in Aachen. Nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe unterstützte Misereor seit seiner Gründung im Jahr 1958 bis Ende 2022 über 113.000 Projekte in Asien und Ozeanien, Afrika, Lateinamerika und der Karibik mit insgesamt 8,5 Milliarden Euro. Unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht und Religion setzt sich Misereor für die Menschen ein, denen das Recht auf ein Leben in Würde, Freiheit und ausreichender und gesunder Versorgung verwehrt bleibt. Die Sorge um das „Gemeinsame Haus“, die Bewahrung der Schöpfung, ist Misereor ein zentrales Anliegen. Die Arbeit basiert auf der Hilfe zur Selbsthilfe und unterstützt die Armen dabei, sich mit eigener Kraft aus Not und Ungerechtigkeit zu befreien. Dabei arbeitet das kirchliche Unternehmen bei den Hilfeleistungen auch mit anderen Vereinen partnerschaftlich zusammen.
Entstanden aus dem deutschen Zweig der „Pax Christi Bewegung“
Bereits der 76. Deutsche Katholikentag in Fulda 1954 hatte die Bildung einer „deutsche[n] Institution für die Ausbildung und Betreuung qualifizierter Laienkräfte“ in Entwicklungsländern empfohlen. Internationale katholische Frauenverbände und die internationale Pax Christi Bewegung riefen zur Bekämpfung des Hungers auf; der deutsche Zweig der Pax Christi Bewegung begann in der Bundesrepublik Deutschland systematisch mit der Sammlung von Spenden für Hungernde, Aussätzige und Überseestudenten. Verbände wie KAB (Erzbistum Paderborn), Kolpingsfamilie und BdkJ starteten Aktionen. In seiner Weihnachtsansprache 1957 bat der Kölner Kardinal Josef Frings im Erzbistum um Spenden für das Erzbistum Tokio und deutete an, dass er Größeres plane. Auf Initiative von Alfons Erb, Vizepräsident von Pax Christi, bat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) 1958 die deutschen Bischöfe, in der Fastenzeit 1959 möge eine Aktion gegen Hunger in der Welt durchgeführt werden.
Aktion „Reis für Kalkutta“ erbrachte rund eine halbe Million DM
Der Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings nahm diese Bestrebungen zum Anlass und bat auf der Bischofskonferenz in Fulda im Herbst 1958 um die Einrichtung eines bischöflichen Hilfswerks, der „Aktion gegen Hunger und Krankheit in der Welt“ mit der Bezeichnung „Misereor super turbam“, um in den Entwicklungsländern besser Hilfe leisten zu können. Die Bischöfe stimmten dem Vorschlag einhellig zu. Der Name wurde jedoch auf das Wort Misereor verkürzt. In der Fastenzeit 1959 wurde die erste Fastenaktion durchgeführt, die 34 Millionen Mark erbrachte. Ein Jahr später zog Misereor in die Aachener Mozartstraße Nr. 9 ein, wo sie in direkter Nachbarschaft zur Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen einen Großteil des Gebäudetraktes von dem dort seit 1932 ansässigen Priesterseminar Aachen übernahm. Dort hat sie noch heute ihren Hauptsitz. Die ersten drei Hauptgeschäftsführer von Misereor waren Prälat Gottfried Dossing (1958–1976), Bischof Leo Schwarz (1976–1982) und Prälat Norbert Herkenrath (1982–1997). Von 1997 bis 2012 war Josef Sayer Hauptgeschäftsführer. Vorsitzender ist Erzbischof Stephan Burger. Dem Vorstand gehören Pirmin Spiegel, Dr. Bernd Bornhorst und Thomas Antkowiak an. Am Jahresende 2022 verfügte Misereor über 218 Vollzeit-Mitarbeiter und 149 Teilzeit-Mitarbeiter. Misereor ist Gesellschafter der „GEPA – The Fair Trade Company“ und prägt die Aktivitäten des Handelsunternehmens maßgeblich mit. Thomas Antkowiak ist Vorsitzender der Gesellschafterversammlung. Misereor arbeitet ferner im Aufsichtsrat mit und berät die GEPA-Geschäftsführung in entwicklungspolitischen Fragestellungen. Einen engen Austausch gibt es bei der Begleitung und Beratung von Weltläden und Aktionsgruppen.
Eigenkapital, Zustiftungskapital, Grundstücke, Finanzanlagen
Das Stiftungskapital setzt sich aus dem Grundstockvermögen und den Zustiftungen zusammen. Ende des Jahres 2022 verfügte „Misereor“ laut Jahresbericht über ein Vermögen in Höhe von rund 24 Millionen Euro. Darunter Grundstücke und Ausstattung (rund 420.000 Euro), Finanzanlagen (Aktien, Anteile rund 21,5 Millionen Euro), immaterielle Vermögenswerte (Lizenzen und Software) in Höhe von rund 135.000 Euro. Das Zustiftungskapital enthält zweckgebundene Beträge in Höhe von 10,2 Millionen Euro (Vorjahr: 9,5 Millionen). Finanziert wird Misereor auch durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie aus kirchlichen Haushaltsmitteln.
Zu den Projektarbeiten gehört auch der Kampf für Menschenrechte
Misereor arbeitet mit den Menschen, die unter Krankheit, Armut oder einer anderen menschlichen Not leiden, um dadurch Gerechtigkeit, Freiheit, Versöhnung und Frieden in der Welt zu fördern. Zentrale Themen in der Projektarbeit sind der Kampf für Menschenrechte, für jeden Menschen zugängliches Trinkwasser, der Kampf gegen AIDS, Klimawandel, die Armut in Städten oder Genderproblematiken. Schlüsselbereiche der Förderung sind ländliche Entwicklung, das Gesundheitswesen, die Berufs- und Erwachsenenbildung, die Kleingewerbeförderung, Selbsthilfewohnbau, Projekte der Sozialarbeit, Frauenförderung, Menschenrechtsarbeit sowie die Schulung örtlicher Führungskräfte. Misereor arbeitet mit ortsansässigen Partnerorganisationen zusammen.
Misereor in Mitgliedschaften und Kooperationen
Misereor arbeitet mit anderen Institutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft in Kooperationen und Bündnissen zusammen: Klima-Allianz Deutschland. – Coopération Internationale pour le Développement et la Solidarité (CIDSE), Allianz 18 katholischer Entwicklungsorganisationen aus Europa und Nordamerika. – Bündnis Entwicklung Hilft (zusammen mit Brot für die Welt, Welthungerhilfe, terre des hommes, medico international, Kindernothilfe, Christoffel.Blindenmission). – VENRO, Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen e. V. – MARMICK (Bündnis der katholischen Werke Missio Aachen + München, Bischöfliche Aktion Adveniat, Renovabis, Caritas International, Kindermissionswerk). – Bündnis für nachhaltige Textilien. – TransFair e. V. der deutschen Siegelorganisation für den „Fairen Handel“.
Misereor-Fastenaktionen und Hungertücher
Seit 1989 werden jährlich Fastenaktionen unter bestimmten Namen durchgeführt: Die letzten Jahre: „Gib Frieden!“ (2020), „Es geht! Anders“ (2021), „Es geht! Gerecht“ (2022), „Frau, Macht, Veränderung“ (2023). Über den Zeitraum von meist jeweils zwei Jahren steht den Kirchengemeinden in der Fastenzeit ein Hungertuch zur Verfügung, das zur Meditation und zur Auseinandersetzung mit Themen der Entwicklungsarbeit einlädt. In den letzten Jahren waren die Themen: „Mensch, wo bist du?“ (2019/20, Deutschland), „Du stellst meine Füße auf weiten Raum – Die Kraft des Wandels“ (2021/22, Chile), „Was ist uns heilig?“ (2023/24, Nigeria).
Allein in Lateinamerika in einem Jahr gab es 335 Hilfsaktionen
Im Jahr 2022 führte Misereor in Lateinamerika 335 Hilfsaktionen mit über 63 Millionen Euro aus, in Afrika und Naher Osten waren es 355 Vorhaben mit rund 79 Millionen Euro, in Asien waren es 320 Aktionen für 65,5 Millionen Euro. Und in Europa und einigen internationalen Ländern waren es 120 Hilfsaktionen für knapp über 34 Millionen Euro. Davon fanden in Ostdeutschland 16 Hilfsaktionen mit knapp über 6 Millionen Euro statt. 2022 interstützten Bürger, Vereine, Kirchenbesucher und Kirchengemeinden Misereor mit 61,7 Millionen Euro. Bankzinsen bereicherten die Konten um 0,3 Millionen Euro, dazu kamen Zuwendungen aus kirchlichen Haushaltsmitteln mit 6,8 Millionen Euro sowie 164 Millionen aus öffentlichen Haushaltsmitteln. – 2023 sind in Lateinamerika/Karibik 380 neue Vorhaben mit einem Gesamtvolumen von 53 Millionen Euro geplant. In Asien/Ozeanien 300 Vorhaben mit ebenso 53 Millionen Euro und in Afrika/Naher Osten sind es 390 Vorhaben mit 63 Millionen Euro.
Holsterhausen
Erinnerung an Misereor-Aktion Mitte der 1970er-Jahre:
Eine heute Mittfünfzigerin erinnert sich an ihre Grundschulzeit in Holsterhausen mit den Besuchen von Gottesdiensten:
„Zu Beginn der Fastenzeit nach Aschermittwoch bekamen wir Kinder in der Schule einen Bastelbogen mit darauf vermerkten Angaben, wie wir ihn zu falten hätten. Wir falteten ihn und daraus entstand dann ein kleiner papierener Behälter. Darin sollten wir unser eigenes Münzgeld stecken und auch in der Familie Münzen sammeln. In der Bonifatiuskirche mussten wir dann das Geld mitsamt dem von uns gebasteltet Papierbehälter in den Klingebeutel werfen. Wir trauerten nicht um das Geld, sondern um das Papiertütchen. Uns wurde erklärt, das Geld ginge an Misereor für gute Zwecke in Afrika! So haben sie uns unser Taschengeld jedes Jahr abgeknöpft!“
Siehe auch: abc-Gesellschaft
Siehe auch: Afrikafreunde Wulfen
Quellen: Wikipedie (Aufruf 2023). – Online-Informationsseite Misereor (Aufruf 2023).