Middendorp, Clamor

„Helle Trompete“ und „lebendige Stimme des tönenden Wortes“

Gestorben 1596; Pfarrer an St. Agatha. – Wäre nicht ein Teil seines Grabmals in der Agathakirche bei der Zerstörung 1945 erhalten geblieben, wäre dieser Pfarrer dennoch nicht der Vergessenheit anheim gefallen. Denn einen Monat vor der Zerstörung von Stadt und Kirche schrieb der Schulleiter des Gymnasium Petrinum, Dr. Georg Feil, im Februar 1945 einen Brief an die Geschichts- und Kunstfreunde der Stadt, in dem er von der Entdeckung des Epitaphs, ebenfalls im Februar 1945, berichtete und eine Übersetzung der lateinischen Inschrift übermittelte. Der Brief beginnt vorausschauend:

Die große deutsche Not und die für Dorsten täglich wachsende furchtbare Kriegsgefahr sollen uns nicht abhalten, von einer kunstgeschichtlichen Entdeckung in Dorsten Kenntnis zu nehmen und uns darüber zu freuen. Der Bestand an Werken bildender Kunst in Dorsten ist gering – es sind einige kirchliche Denkmäler –; um so mehr freuen wir uns, wenn er um ein einfaches, aber schönes Stück vermehrt worden ist. Im Februar 1945 entdeckte Pfarrer Westhoff hinter dem linken Chorstuhl der katholischen Pfarrkirche in der Wand das Epitaph des 1596 verstorbenen Pfarrers Clamor Middendorp, dessen Haltung die Ursache war, dass in den Truchsessischen Wirren Dorsten uneingeschränkt beim alten Glauben geblieben ist. Die Inschrift lautet: „Dem liebenswerten, hochgelehrten Herrn und Magister Clamor Middendorp, dem wachsamen Hirten dieser Kirche, wegen seiner Frömmigkeit im alten Glauben und wegen seiner bewundernswerten Gelehrsamkeit von allen Guten geliebt, – um dem Verdienst eines solchen Mannes und dem allgemeinen Wunsch der Bürgerschaft gerecht zu werden und um die Trauer der Gemeinde in etwa zu trösten, – haben die Testaments-Vollstrecker dieses Denkmal gesetzt. Er starb im Jahre des Herrn 1596, den 25. April.

Epitaph Clamor Middendorp

Epitaph Clamor Middendorp

1958 wurde der aus dem Schutt der Kirche 1945 wieder geborgene untere Teil des Epitaphs für Besucher der Kirche zugänglich gemacht. Der Text des oberen verloren gegangenen Teils des Epitaphs, von dem es kein Foto gibt, hieß:

„Hier liegt die helle Trompete, die lebendige Stimme des tönenden Wortes, von hier schied er Markus an deinem Feste.“

Aufregende Zeiten: Reformation, Gegenreformation, Pest und Krieg

Clamor Middendorp erlebte aufregende Zeiten von Reformation und Gegenreformation und mochte wohl einen gehörigen Anteil an des Bürgermeister Peter de Weldiges Handeln gehabt haben, dass der Angriff des protestantisch gewordenen Landesherrn, Gerhard II. Truchseß von Waldburg, 1588 abgewehrt und Stadt und Agathakirche katholisch geblieben sind. Er erlebte die drückende Not durch plündernde Heerhaufen im Spanisch-Holländischen Krieg (1581 bis 1606) und die Pest, die 1566, 1587 und 1589 auch in Dorsten Opfer forderte. Middendorps Nachfolger Theodard Satorius (1598 bis 1606) bezeichnete ihn als einen tüchtigen Seelsorger, der in schweren und unruhigen Zeiten seine Herde kühl hütete, liebevoll vor den Wölfen verteidigte und sie im katholische Glauben bewahrte. Das tat er, denn rundum war zu jener Zeit alles evangelisch geworden: der Erzbischof und Landesherr zu Köln, Stadt und Kirche Recklinghausen, das Vest, die Gemeinden rund um Dorsten wie Rhade, Lembeck, Wulfen und Erle; in der Schlosskapelle Lembeck wurde kalvinisch gepredigt. Nur Dorsten in seinen alten Mauern hielt „den Wölfen“, wie Middendorps Nachfolger die Protestanten bezeichnete, stand.

Clamor Middendorp kam zu Ostern 1565 nach Dorsten und gehörte zu den ersten Pfarrern, die ihre Pfarrstelle nicht durch das Stift Xanten, sondern vom Bischof von Münster zugewiesen bekamen. Schon ein Jahr nach Amtsantritt hatte Middendorp die erste Bewährung zu bestehen. Als die Pest 1566 wütete, sollen ganze Straßen in Dorsten entvölkert worden sein, wie die Wiesen- und die Hühnerstraße. Die Kranken wurden zur Siechenkapelle außerhalb der Stadt verbracht. Sie lag auf Kirchhellener Gebiet und hatte keinen Seelsorger mehr, da der Stelleninhaber Alfred Külenschmid evangelisch und im benachbarten Gahlen ein Anhänger Zwinglis geworden war. Middendorp übernahm die Seelsorge der Pestkranken in der Siechenkapelle und bat den Erzbischof, die Kapelle der Dorstener Pfarrei einzugemeinden.

In Predigten wetterte er gegen evangelische Christen

Als Gahlen protestantisch wurde, kamen auch etliche nach Dorsten, um hier den neuen Glauben zu verbreiten. Pfarrer Middendorp wehrte sich zuerst mit Predigten, in denen er die Gläubigen zur Glaubenstreue aufrief. Als immer mehr Dorstener zu protestantischen Gottesdiensten die Stadt verließen, appellierte der Magistrat auf die Einhaltung des Status von 1547, wonach nur dem das Bürgerrecht gewährt wurde, der nicht im Verdacht stand, Wiedertäufer, Sakramentarier oder Sektierer zu sein. Clamor Middendorp war 31 Jahre lang Pfarrer in Dorsten. Als Einkünfte bezog er gerade 70 Taler im Jahr. Als er 1596 starb, wurde er im Chor der Pfarrkirche beigesetzt. Die „Testamentsvollstrecker“ setzten ihm das Grabmal in Dankbarkeit, dass er dem alten Glauben treu geblieben war und damit die gesamte Stadt Dorsten.


Quelle:
Brief Georg Feil von 1945 im Kirchenarchiv St. Agatha. – Nach Karl Jesper „Ein Denkmal für Pfarrer Clamor Middendorp“ in HK 2003.

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