30.000 Besucher kamen 1974 zur Eröffnung des Einkaufszentrums Marl
Blick in die Nachbarschaft: Zu Einkäufen mit anschließendem Kaffeetrinken fuhren in jenen Jahren auch viele Dorstener, denn ein solches Einkaufszentrum in der Nachbarstadt Marl hatte es ihnen angetan. In Dorsten gab es damals keins. „Wer bei der Eröffnung des Marler Sterns seine Nerven schonen möchte, dem ist zu raten, seinen fahrbaren Untersatz zu Hause zu lassen.“ So kündigte die Marler Zeitung den offiziellen Start des Marler Sterns am 24. Oktober 1974 an. Rund 2000 Parkplätze am neuen Einkaufszentrum reichten damals nicht aus. Am Ende wurden 10.000 Autos und rund 30.000 Besucherinnen und Besucher gezählt. Die Vestische setzte zur Eröffnung Sonderbusse ein. Der Einkaufstempel in der neuen Marler Stadtmitte ging nach zweieinhalb Jahren Bauzeit wie ein Stern am Himmel auf und zog Kauflustige und Neugierige magnetisch an. 72 Geschäfte und drei Kaufhäuser waren unter einem Dach vereint. Dazu gab es Büros und die neue Wirkungsstätte der Volkshochschule „insel“ im Riegelhaus. Im Sternmarsch marschierten die Spielmannszüge Brassert, Frentrop und Hamm auf ihren neuen Rathausplatz zum Platzkonzert vor dem Marler Stern.
136 Millionen Mark hatte das Prestige-Projekt für die boomende Stadt Marl gekostet, die sich damals noch auf dem Weg zur Großstadt wähnte. Buchstäblich bis zur letzten Minute waren Handwerker beschäftigt, den Ladenstraßen auf zwei Ebenen den letzten Schliff zu geben. Im Warenhaus Plaza durften sich zur Feier der Neueröffnung drei Hochzeitspaare für einen Warenwert von 300 D-Mark aus den Regalen bedienen. An alle Marler Haushalte waren zur Eröffnung Lose für die große Marler-Stern-Tombola verteilt worden.
Neun Tage wurde in Marl gefeiert
In einer mehrseitigen Sonderbeilage der Marler Zeitung warben die Geschäfte des Marler Sterns um Kunden. Das umfangreichste Warensortiment bewarb Plaza auf einer Doppelseite. Hier gab es das Toastbrot für 64 Pfennige, aber auch das Moped „Duette“ mit Doppelsitzbank für 498 Mark (Führerschein Klasse A). Ein Farbfernsehgerät der Marke Löwe Opta war für 1598 D-Mark im Eröffnungsangebot, die Schneider-Kompaktanlage mit Plattenwechsler für 748 Mark. In die Ladenzeilen zogen unterschiedlichste Fachgeschäfte ein. Neun Tage lang wurde die Eröffnung des Konsumtempels in der neuen Marler Stadtmitte gefeiert, unter anderem mit einem Hausfrauentag, einem Kindertag und einem für die älteren Mitbürger. Es gab einen Tag der Kunst, einen für die Mode und den Glückssterntag. Gerade noch rechtzeitig zur Eröffnung des Einkaufszentrums wurde auch der Brückenaufgang für Fußgänger von der Bergstraße fertig. Am Eröffnungstag des Marler Stadtkerns hielt zum ersten Mal ein Zug (aus Haltern am See) am gerade erst fertig gewordenen Bahnhof Marl-Mitte. Vom 210 Meter langen Bahnsteig ging es über eine Brücke zum Busbahnhof und zum Marler Stern. Geplant war, Marl-Mitte zu einem Bahnhof mit zwei Bahnsteigen noch weiter auszubauen.
Das öffentliche Interesse galt auch dem größten Luftkissen-Dach Europas
Während der Marlerinnen und Marler und mit ihnen viele Menschen aus dem Umland besonders das Einkaufserlebnis schätzten, kamen Journalisten aus dem ganzen Land aus einem anderen Grund nach Marl. Sie interessierten sich für das 180 Meter lange und 30 Meter breite größte Luftkissendach Europas, das sich bis heute über die Einkaufspassage hinweg spannt. Die beidseitig mit PVC beschichtete, lichtdurchlässige und wolkenförmig leicht wirkende Konstruktion wurde als architektonisches Highlight gefeiert. Der „Marler Stern“ war aber nur ein Glanzlicht der neuen Stadtmitte. Die Entwicklung des Stadtkerns hatte bereits mit dem Bau des Theaters 1953 begonnen. Den Traum von einer Mitte, in der das Herz der Stadt schlägt, hatte Architekt Philipp Rappaport sogar schon in einem Generalbebauungsplan von 1923/24 zu Papier gebracht, 50 Jahre später war die neue Stadtmitte fast komplett. Stolz waren die Marler darauf, dass sie in weiten Teilen für Fußgänger konzipiert war und Autos um die Mitte herumgeführt wurden. „Jetzt ist auch Marl eine Stadt mit Herz“ titelte die Marler Zeitung nach dem Eröffnungstag des Marler Sterns. Besucherinnen und Besuchern waren geteilter Meinung. „Das riecht jetzt richtig nach Großstadt hier“, äußerte eine Marlerin. Eine andere kritisierte: „Mich erinnert der Stadtkern an eine bessere Bahnhofshalle. Es fehlt der Pep.“
Quelle: Ruhr-Nachrichten /Dorstener Zeitung) vom 24. Oktober 2024