Lagebericht: In Hervest-Dorsten Waffen und Sprengstoff beschlagnahmt
W. St. – Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten hatten die Polizeiführer in 14-tägigen Abständen so genannte Lagemeldungen aus ihren Bereichen an den Chef der Schutzpolizei in Berlin zu schicken. Zuständig für das Dorstener Gebiet war der Polizeiführer in Recklinghausen, der seinen Vorgesetzten, den Höheren Polizeiführer West als Sonderkommissar des Ministers des Innern auf dem Dienstwege zu informieren hatte. Am 13. Mai 1933, knapp zwei Wochen nach Zerschlagung der Gewerkschaften, beurteilt der Polizeiführer in einem Rundschreiben (I d Nr. 1334/33 II) die Situation so (Auszug): „Betrifft: Lagemeldung für die Zeit vom 1. bis 15. Mai 1933: „[…] S.P.D. und Freie Gewerkschaften treten aktiv nicht mehr in Erscheinung. Die Gleichschaltung der Freien Gewerkschaften vollzieht sich weiter ohne Zwischenfälle […]. Im ganzen Befehlsbereich verliefen die Maifeiern bei sehr starker Beteiligung der Bevölkerung ohne Zwischenfälle. Die Kommunisten versuchten zwar an einigen Stellen eine Flugblattpropaganda durchzuführen und Flaggen und Festschmuck abzureißen. Zu Störungen kam es jedoch nicht […]. Zahlreiche Waffen wurden gefunden […]“
Maschinenpistolen, Munition, Sprengkapseln und Pistolen gefunden
Im gesamten Befehlsbereich des Höheren Polizeiführers West wurden mit Stand vom 10. Mai 7.777 Männer und 159 Frauen als Schutzhäftlinge festgestellt; aus politischem Anlass wurden in der Berichtszeit 687 Personen festgenommen. Auch wurden Waffen und Geräte gefunden und beschlagnahmt, darunter in Dorsten ein leichtes Maschinengewehr, 34 Karabiner und Gewehre, 13 Pistolen 9 mm, 18 Trommelrevolver und 126 Pistolen anderer Kaliber, 45 Dolche und Seitengewehre, 1.692 Gewehrpatronen, 40 kg Sprengstoff, eine Maschinenpistole, 84 Schlagringe, 1.503 Sprengkapseln und 5 Druckmaschinen. 14 Tage später verschickte der Polizeiführer erneut ein Rundschreiben mit seiner Beurteilung zur politischen Lage: „In der Bevölkerung macht sich nach den Zeiten der politischen Hochspannung eine wesentliche Beruhigung bemerkbar […]. In ländlichen Gegenden gibt es kaum noch Gegner der Reichsregierung.“ Als Gründe dieser Entwicklung führt er an: „Die Verwaltungs- und wirtschaftlichen Maßnahmen der Reichsregierung, insbesondere die zur Stützung der Landwirtschaft, ferner die fortschreitende Gleichschaltung aller Verbände und Vereine […].“
Die Schlagkraft der kommunistischen Bewegung ist gering
Über die Sozialdemokraten und Kommunisten schreibt der Polizeiführer: „Die Gleichschaltung er freien Gewerkschaften und die Beschlagnahme des Vermögens hat der SPD den letzten Rückhalt genommen. Die Schutztruppe der SPD, das Reichsbanner, hat sich im Befehlsbereich aufgelöst …“ Mit einem planmäßigen gewaltsamen Vorgehen der Kommunisten ist nicht mehr zu rechnen. Die vielen polizeilichen Unternehmungen gegen die kommunistische Bewegung lassen ihnen keine Ruhe. Die Schlagkraft der Bewegung ist gering […]. Die Tarnung der KPD ist weitgehend durchgeführt. Die Kampfeinheiten sind, soweit solche noch bestehen, Gruppen kleinsten Umfanges in Stärke von 3 bis 5 Mann. Versammlungen finden als „harmlose“ Familienabende in den Wohnungen oder auch im Freien in unbelebten Gegenden statt […]. Das Einkassieren der Beiträge wird in manchen Orten sehr streng gehandhabt, in anderen dagegen finden sich kaum Leute, die das Amt des Kassierers übernehmen wollen. An einigen Stellen sind auch getarnte Sammlungen beobachtet worden, z. B. als Kranzspenden, für Not leidende Familien und ähnliches mehr. Der Kurierdienst ist rege […].“
Siehe auch: NS-Machtübernahme1933 (I)