Es war zu ihrer Zeit nicht üblich, als Dame öffentlich aufzutreten
1814 in Dorsten bis 1882 in Anholt; Dichterin. – Die westfälische Heimatdichterin Maria Lenzen, nach der in Östrich eine Straße benannt ist, zählt nicht zu den Großen in der westfälischen Literatur des 19. Jahrhunderts. Dem Vergleich mit einer Annette Droste-Hülshoff, der von Dorstener Heimatkundlern mitunter gezogen wird, kann sie nicht standhalten. Andererseits ist ihre Bedeutung häufig auch unterschätzt worden. Maria Lenzen war die Tochter des Dorstener Stadtarztes und kgl.-preußischen Sanitätsrats Dr. Rüdiger Sebregondi und hinterließ nach ihrem Tod in Anholt ein reichhaltiges heimatdichterisches Werk in 20 Bänden mit Lyrik und Prosa (44 Romane, über 100 Gedichte). Maria Lenzen besuchte bis zu ihrem 15. Lebensjahr die Ursulinenschule. Danach musste sie ihrer kränklichen Mutter bei der Betreuung ihrer Schwestern Alexandrine, Mathilde, Adolphine, Elise und einer adoptierten Nichte helfen. Maria Lenzen gehörte – wie es damals üblich war – einem Damenkränzchen an, das sich im Hause ihres Vaters am Markt traf und sich mit Literatur beschäftigte. Als Maria Lenzen sich erkühnte, selbst als Literatin öffentlich aufzutreten, fielen etliche der Damen in ihre Riechfläschchen-Ohnmacht. Denn es war nicht schicklich, als Dame öffentlich aufzutreten – auch nicht in Dorsten. „Es zischelte der Neid, es sträubte sich die Mittelmäßigkeit“, schrieb Dr. Wiedenhöfer in seinem 1908 erschienenen Buch über die Dichterin, die „kein schönes, aber ein anmutiges Gesicht“ sowie etwas „Herzgewinnendes“ an sich hatte. Welche eine Umschreibung von Hässlichkeit.
In zweiter Ehe mit dem Domänenverwalter Ignaz ten Brink verheiratet
In Dorsten hieß es immer „am Hofe“, wenn die Familie Sebregondi gemeint war. Wer niveauvolle Unterhaltung und geistige Erbauung suchte, verkehrte in dem Arzthaus. Als 16-Jährige lernte sie 1832 ihren Mann Gustav Lenzen kennen, der nach zehn Monaten Ehe starb. Die zweite Ehe ging sie mit dem fürstlich Salm-Salmschen Geheimen Domänenverwalter und Schlossverwalter Ignaz ten Brink 1848 in Anholt ein. 1850 wurde der Sohn Franz geboren. ihr Ehemann starb 1875. Als der Papst die adelige Herkunft ihrer Familie bestätigte, nannte sie sich fortan „Maria Lenzen di Sebregondi“. Ihr Grab ist auf dem Friedhof in Anholt zu sehen (Foto: W. Stegemann). Im Alten Rathaus der Stadt ist noch der Grabstein ihrer Schwestern zu sehen, die während der Cholera-Epidemie 1841 starben. – Am 9. Februar 1882, zwei Tage vor ihrem Tod, diktierte Maria Lenzen di Sebregondi ihr letztes Gedicht:
Du Herr, hast mich so sehr geliebt,
Ich habe Dich so schwer betrübt;
Jetzt machst den letzten Schritt mir sacht,
Der abwärts führt zur letzten Nacht.
O milder Mittler, treuer Freund,
Vor Dir hat unerhört geweint
Kein Aug, und durch den guten Tod
Befreist Du uns aus aller Not.
Zur Erinnerung an die Dichterin hat der Dorstener Verein für Orts- und Heimatkunde 2020 an der Stelle, wo ihr Geburtshaus im Markt stand, eine Gedenktafel angebracht. Das Haus wurde in den letzten Kriegstagen 1945 zerstört und danach wieder aufgebaut (heute Targo-Bank).
Werke: „Nekodas“, Erzählung, Regensburg 1841; „Angela“, Erzählung, Regensburg 1842; „Melete, oder der Sieg des Glaubens“, Erzählung, Regensburg 1842; „Die Bettler in Köln“, Roman, Leipzig 1843; „Glandorf“, ein moderner Roman, Leipzig 1844; „Ciullo d’Alcamo“, histor. Roman, Leipzig 1845; „Magnus Krafft“, Roman, Leipzig 1847; „Aus der Heimat“, Novellensammlung, Köln 1871; „Das erste Jahr“, Lyr. Gedichte, Köln 1872; „Zwischen Ems und Wupper“, 2 Bd., Novellensammlung, Köln 1872; „Blumen der Heide“, Erzählungen, Trier, ersch. in den 1870er Jahren; „Drei Erzählungen“, Trier, ersch. in den 1870er-Jahren; „Auf einsamen Wegen“, Novelle, Trier, ersch. in den 1870er-Jahren; „Der Prozeß“, Novelle, Trier 1874; „Das Fräulein aus dem Sassenreich“, Historie vom Niederrhein, Köln 1876; „Schloß und Heide“, Novellensammlung, Köln 1877; „Sunehild“, histor. Novelle, Köln 1879; „Geheime Schuld“, Novelle, Paderborn 1879; „Vor einem halben Jahrhundert“, Novellensammlung, Köln 1881; „Unter Sommerlaub und Winterschnee“, Novellensammlung, Köln 1881; „Drückende Fesseln“, Roman, Köln o. J.; „Trüber Morgen, goldener Tag“, Roman, Köln 1884; „Gefehlt“, Novelle, Köln 1888. – Ihr unveröffentl. Nachlass: 16 Waldlieder, 20 Frühlingslieder, elf Herbst- und Winterlieder, 14 Abend- und Nachtlieder, sieben Wanderlieder und 57 andere Gedichte.
Literatur: Dr. Joseph Wiedenhöfer „Maria Lenzen geb. di Sebregondi. Ausgewählte Gedichte. Mit einer Lebensbeschreibung“, Dorsten 1908. – Edelgard Moers „Maria Lenzen, Schriftstellerin des 19. Jahthunderts aus Dorsten und Anholt“, HW-Verlag Dorsten, 2015.– Edelgard Moers „Die Schriftstellerin“, Historischer Roman, Books on Demant Norderstedt 2019.
Siehe auch: Literaten, verstorben (Artikelübersicht)
Siehe auch: Rüdiger Sebregondi