Traditionspflege der Veteranen noch aus Zeiten der Befreiungskriege
Der erste Kriegerverein in Deutschland wurde von ehemaligen Soldaten der Befreiungskriege 1815 gegründet. Das Entstehen der ersten Kriegervereine im Vest fiel in die Zeit der „drei großen Vaterländischen Kriege“ (1864, 1866, 1870/71). Der Dorstener Kriegerverein war 1866 nach Datteln die zweite Gründung im Vest, denen die der anderen Gemeinden folgten. In Dorsten gab es auch einen „Vaterländischen Frauenverein“, deren Vorstand sich vor dem Ersten Weltkrieg aus der Bürgermeistergattin, den Ehefrauen von drei Ärzten sowie der Verlegergattin zusammensetzte.
Beamte-Arbeiter-Handwerker
Die Kriegervereine hatten regen Zulauf. Jeder zehnte männliche Einwohner der Stadt (Kinder und Alte mitgerechnet) gehörten dem Kriegerverein an, ebenso jüdische Kriegsveteranen. Kaisers Geburtstag und Stiftungsfeste waren die großen Vereinsfeste des Jahres. Drei verschiedene Mitgliedstypen fanden sich in den Vereinen: Zur ersten Kombinationsform gehörten Beamte-Arbeiter-Handwerker, zur zweiten Gewerbetreibende, untere Beamte, Handwerker und zur 3. Arbeiterschaft und Handwerker. Im Vest und in Dorsten war die dritte Gruppierung anzutreffen, Kleinbürger also, „denen ein gesellschaftlicher Kontakt mit jenen Schichten, in denen Besitz und Bildung zusammenkamen, entweder sehr erschwert oder fast unmöglich war“, und solche Arbeiter, „die sich durch kleinen Besitz zum Bürger konsolidiert hatten“. Die „Liebe und Treue für Kaiser und Reich“ führte zu einem Zusammenschluss dieser Gruppen, um ein „Bollwerk gegen die Sozialdemokratie“ zu bilden.
Alle Traditionsverbände im NS-Reichkriegerbund aufgegangen
Der Kriegerverein Dorsten hatte unter Leitung ihres Führers Lenhardt und Unterführers Kitzelmann eine aktive Kyffhäuser-Jugendgruppe, die auf Wanderungen und Ausflügen nationale Lieder sang und vom Besitzer des Hedoli-Filmpalastes geschlossen zu freien Filmvorführungen eingeladen wurde, wenn Militärfilme über die Leinwand flimmerten, wie beispielsweise im März 1932 „Der Stolz der Kompanie“. Durch Verordnung erfolgte 1938 die Eingliederung aller Kriegervereine und soldatischen Traditionsverbände in den nationalsozialistischen Reichskriegerbund, die Jugendorganisation wurde in die Hitlerjugend integriert. In Holsterhausen hieß der Verein „Krieger- und Landwehrverein“. Vereint waren die Kriegervereine der Herrlichkeitsdörfer im „Kriegerverband der Herrlichkeit Lembeck“, der seine Delegiertentagungen auf dem Freudenberg abhielt. Die Kreiskriegerverbände waren im Westfälischen Kriegerverband organisiert.
Fahnen mussten von der Regierung genehmigt werden
In Wulfen wurde der Kriegerverein an Kaisers Geburtstag des Jahres 1900 gegründet und hatte bereits zur Fahnenweihe 1906 über 112 Mitglieder. Im Ersten Weltkrieg kam das Vereinsleben zum Erliegen, das 1922 mit 157 Mitgliedern wieder aufblühte. 1912 gründete sich in Deuten-Sölten ein eigener Kriegerverein. Auch die Altendorf-Ulfkotter hatten ihren Kriegerverein. In Lembeck taten sich fast 50 Kriegsteilnehmer 1871 zusammen. In ihren Statuten legten sie fest, dass „die Liebe und Treue für König und Vaterland zu erhalten und zu beleben“ sei. Mitglied konnte jeder werden, der einem deutschen Truppenteil des Landheeres oder der Marine angehörte. 1891 bat der Verein den Amtmann Koch, eine eigene Fahne führen zu dürfen. Allerdings waren die Behörden mit den Entwürfen mehrmals nicht einverstanden, weil sie gegen die Vorschriften verstießen. Da der Verein aber auf der unrechtmäßig gestalteten Fahne bestand, versuchten die Lembecker auf dem Gnadenwege höheren Orts ihre Fahne durchzusetzen, was ihnen allerdings nicht gelang. Die königliche Regierung in Münster empfahl den Lembeckern, so weit sie auf der Fortführung ihres offiziellen Antrags bestünden, „hierzu die Allerhöchste Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers und Königs“ zu erbitten. Erst zweieinhalb Jahre später und nach Einreichung von Gutachten und Schreiben bekamen die Lembecker Vereinskrieger ihre heiß ersehnte Fahne genehmigt:
„Seine Majestät der Kaiser und König haben mittels Allerhöchster Order vom 17. v. Mts. [17. Juli 1893] ausnahmsweise zu genehmigen geruht, dass der Kriegerverein zu Lembeck eine Fahne führen darf, wie solche durch die eingereichte Zeichnung näher dargestellt ist.“
Lediglich von der Spitze der Fahnenstange mussten die Initialen RW für Rex Wilhelm entfernt werden. 1901 schloss sich der mittlerweile 104 Mitglieder starke Kriegerverein dem Preußischen Landeskriegerverband an und beschaffte sechs Jahre später eine neue Fahne, die heute zusammen mit der Fahne des Kriegervereins Rhade im Treppenaufgang zum Heimatmuseum Lembeck im Schloss Lembeck hängt.
Aus Vorsitzenden wurden Kameradschaftsführer
Zur Feier des 50-jährigen Jubiläums errichtete der Kriegerverein ein Kriegerdenkmal, das am 21. Mai 1922 feierlich eingeweiht wurde; inzwischen hatte der Verein 235 Mitglieder und eine eigene Musikkapelle. Ende 1933 wurde der Lembecker Kriegerverein in die SA überführt, aus Vorsitzenden wurden Kameradschaftsführer, die Mitglieder rückten mit wenigen Ausnahmen in die SA-Reserven ein. Die Kriegervereine Lembeck, Wulfen und Deuten gehörten dem SA-Sturm 20 unter Sturmführer Wolthaus (Deuten) im Sturmbann 4 unter Sturmbannführer Wiemeyer (Hervest) an. Juden mussten im Januar 1934 ausscheiden. Obwohl 1943 die Dachverbände der Kriegervereine und die Kreisverbände verboten wurden, blieben die örtlichen Vereine bestehen. Nach Ende des Krieges verboten die Alliierten 1945 alle örtlichen Kriegervereine.
Quellen:
Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Kriegervereins Wulfen, Wulfen 1925. – Manfred Steiger: „Der Kriegerverein Lembeck von 1871“ in HK 2003.