Symbiose von Kunst, Wissenschaft, Pädagogik und Provinz
Geboren 1942; Kunstlehrer, Dozent und wissenschaftlicher Autor. – Auch in seinem familiären Umfeld bewegt er sich in der Kunst. Seine Frau Ingrid ist Künstlerin und war Kunstlehrerin am Gymnasium Petrinum und Tochter des Künstlers Karl Korte, der ebenfalls als Kunstlehrer am Gymnasium lehrte. Auch er, Gert Kreytenberg, war dort Kunstlehrer und hatte seinen Weg durch die Kunstgeschichte bereits gemacht. Zumindest durch die von Florenz.
Gert Kreytenberg absolvierte 1962 das Altsprachliche Gymnasium in Emmerich, studierte bei Fritz Winter in Kassel, wo auch seine Frau studierte. Mit der Familie lebte er von 1973 bis 1979 in Florenz, um das Gesamtwerk von Andrea Pisano zu untersuchen. Mit der später publizierten Arbeit „Andrea Pisano und die toskanische Skulptur des 14. Jahrhunderts“ habilitierte sich Dr. Gert Kreytenberg 1982 (Ruhr-Universität Bochum). In Dorsten kaum beachtet, fand sein Werk Eingang in internationale Fachinstitute und Bibliotheken. Auch die internationale Presse berichtete seitenweise über den Bildband. John Pope-Hennessy, vormals Leiter des British Museums in London, lobte in der in den USA erscheinenden Zeitschrift „Apollo“ die Kreytenberg’sche Arbeit ebenso wie Julian Gardner, Englands führender Mittelalter-Experte für Italien, in „The Burlinghton Magazine“. Aber auch deutsche Zeitungen und Zeitschriften widmeten Kreytenberg halbseitige Rezensionen. Von Florenz 1979 nach Dorsten zurückgekehrt, unterrichtete das Ehepaar am Gymnasium Petrinum Kunst und Gert Kreytenberg dozierte nebenher am Kunsthistorischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Die Symbiose Kunst und Wissenschaft war und ist sein Metier. Jetzt, im Rentenalter, steht er ehrenamtlich dem privaten Duisburger Kunst Museum (DKM) zur Verfügung – sichert, ordnet, beschreibt, stellt aus. Wie er mit den höchst unterschiedlichen Welten der bürgerlichen Enge von Dorsten und der faszinierenden italienischen Leichtigkeit an der Lippe leben kann, verrät Gert Kreytenberg in einem Interview mit Marion Taube von der „Dorstener Zeitung“:
„Das ist ja das Wunderbare. Man braucht den Rückzug. Ich glaube, ich habe in guten Stunden in Dorsten mehr entdeckt als Kollegen in Monaten vor Ort. Die Distanz öffnet erst die Augen. Immer in er Fülle sein, da reagiert der Mensch nicht so. Das ist wie eine Übersättigung der Sinne.“
In Florenz widmete sich Kreytenberg mit wissenschaftlichem Kunstverständnis dem Dom und seinen Schätzen mit dem Ergebnis, über 4.000 Fotografien sortiert und mehrere Bücher herausgegeben zu haben, die in Fachkreisen für Aufsehen sorgten und auch heute noch gut im Handel sind. Hervorzuheben ist der Text-Bildband „Orcagna (Andrea di Cione). Ein universeller Künstler der Gotik in Florenz“. Dazu schreibt die FAZ (Auszug):
„Gert Kreytenberg legt die erste umfassende Monographie des Künstlers vor. Das Ergebnis darf als eine Sensation für die Erforschung des Florentiner Trecento gelten. Erstmals wird hier ein kritischer Katalog aller für Orcagna gesicherten und ihm jemals zugeschriebenen Werke vorgelegt – ein „Corpus Orcagnescum“. Schon das wäre für sich genommen ein hohes Verdienst. Kreytenbergs Ziel aber ist weitaus höher gesteckt: nämlich aus der Fülle des Materials heraus dem Maler, Bildhauer und Architekten feste Konturen zu geben und seine Bedeutung für die Florentiner Kunst seiner Zeit klar zu akzentuieren. […] Ausführlich setzt sich Kreytenberg in Fortführung eigener Vorarbeiten mit der Tätigkeit Orcagnas als Architekt, besonders seiner Rolle in der komplizierten Planungsgeschichte des Florentiner Domes, auseinander. Als wichtigstes Ergebnis sei hier Orcagnas Eingriff in die Gestaltung der Kuppel genannt. Die Einführung des Tambours, im Tabernakel von Orsanmichele vorbereitet, dürfte Orcagnas Idee gewesen sein. Insgesamt tritt Andrea di Cione, genannt Orcagna, in Bestätigung des Lobpreises von Lorenzo Ghiberti, aus der Dämmerung in helles Licht. Vieles in der Florentiner Kunst des vierzehnten Jahrhunderts wird neu gesehen und durchdacht werden müssen. Gert Kreytenberg gebührt mit dieser Publikation erneut ein erster Platz in der internationalen Trecento-Forschung.“
In der Kunstgeschichte hin und her gewandert
Man täte Gert Kreytenberg Unrecht, fokusierte man ihn nur auf das italienische Mittelalter. Er ist vielmehr – mit allem Respekt gesagt – ein „Hansdampf in allen Kunstgassen“. Er sagt selbst: „Ich bin in meinem Leben durch die Kunstgeschichte hin und hergewandert, aus der Moderne im Studium mitten hinein in das Mittelalter gerutscht, wo ich 30 Jahre verbracht habe, und aktuelle muss ich mit der Arbeit in DKM in Duisburg japanische, koreanische und vorderasiatische Kunstwerke ,pauken’. Wieder aufregend“ (DZ). – Die Söhne der Kreytenbergs, in Kindheit und Jugend mit der Kunst der Eltern stets in Verbindung gebracht, wählten andere Berufe. Den des Juristen der eine, den des Ökonomen der andere (siehe Kreytenberg, Ingrid).
Siehe auch:
Künstler, bildende (Artikelübersicht)
Quellen:
Wolf Stegemann „Der Name Dr. Gert Kreytenberg bürgt für hervorragende Qualität“ in RN vom 22. Februar 1988. – Marion Taube „Wandelnde Kunstgeschichte“ in DZ vom 10. März 2012.
Werke:
„Andrea Pisano und die toscanische Skulptur des 14. Jahrhunderts“, Bruckmann München (kostete bei Erscheinen 358 DM). – „Orcagna (Andrea di Cione). Ein universeller Künstler der Gotik in Florenz, Verlag Philipp von Zabern, Mainz, München 2000. 258 S., 432 S/W- und 48 Farb-Abb. auf Tafeln.