„Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“

„Revolution“ der Klinikwelt – Transformationsfonds von 50 Milliarden Euro

Das „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“ nimmt die wichtigste Hürde im Parlament. Dabei geht es um einen längeren Umbau. Was heißt das für Patienten? Karl Lauterbach gab noch einmal alles: „Wir brauchen diese Reform, und zwar jetzt“, mahnte der Bundesgesundheitsminister kurz vor der Abstimmung über die Krankenhausreform im Bundestag, die er selbst eine „Revolution“ nennt. Der Kliniksektor im Land sei in einer Krise, es gebe „ein paar Hundert“ Krankenhäuser zu viel, so der SPD-Politiker. Nach kontroverser Debatte beschloss der Bundestag schließlich mit den Stimmen der Koalitionsparteien die Reform. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu dem Vorhaben.

Warum ist eine Reform der Krankenhäuser nötig?

In Deutschland stehen rund 1700 Krankenhäuser für die medizinische Versorgung zur Verfügung. Vier von fünf Kliniken schreiben rote Zahlen. Das liegt unter anderem daran, dass sie im Schnitt nur zu 70 Prozent ausgelastet sind. Um ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern, versuchen die Kliniken, möglichst viele Eingriffe vorzunehmen. Das führt dazu, dass Deutschland im internationalen Vergleich bei der Häufigkeit von Operationen auf vorderen Rängen steht, insbesondere beim Einsatz von künstlichen Hüft- und Kniegelenken. Diese Strategie hat jahrelang funktioniert, sie stößt aber nun an ihre Grenzen – weil das Personal fehlt und seit der Coronapandemie weniger Menschen ins Krankenhaus gehen wollen. Immer mehr Kliniken rutschen dadurch in die Insolvenz.

Was sieht die Krankenhausreform vor?

Lauterbach will an zwei Stellen ansetzen: bei der Finanzierung und der Qualität. Künftig sollen die Kliniken nicht mehr allein pro Eingriff („Fallpauschalen“) bezahlt werden, sondern auch für das Vorhalten von Behandlungskapazitäten. Diese „Vorhaltepauschalen“ sollen 60 Prozent des Budgets ausmachen. Kleinere Kliniken bekommen Zuschläge, unter anderem für die Notfallversorgung, die Intensivmedizin und die Geburtshilfe. Damit soll es für die Krankenhäuser nicht mehr notwendig sein, möglichst viel zu operieren, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Zur Erhöhung der Qualität soll es zudem für alle Eingriffe bundesweite Vorgaben für die technische und personelle Ausstattung geben.

Was hat es mit den „Leistungsgruppen“ auf sich?

Alle medizinischen Leistungen der Krankenhäuser werden in 65 Einheiten eingeteilt, zum Beispiel „Herzchirurgie“ oder „Wirbelsäuleneingriffe“. Die Qualitätsvorgaben für jede Leistungsgruppe, etwa die Zahl der nötigen Fachärzte, sind bundesweit einheitlich. Ein Krankenhaus muss diese Anforderungen erfüllen, damit es eine Gruppe von den Landesbehörden zugewiesen bekommt. Der bisherige Grundsatz „Alle dürfen alles“ gehört damit der Vergangenheit an.

Welche neuen Elemente enthält die Reform noch?

Eine wichtige Rolle soll eine neue Krankenhausform spielen, bezeichnet als „sektorübergreifende Versorgungseinrichtung“. Das sollen Kliniken sein, die sich um Routine-OPs oder um die (Kranken-)Pflege insbesondere älterer Menschen kümmern. Dafür kommen kleinere Krankenhäuser infrage, die sich heute mit qualitativ schlecht gemachten größeren Eingriffen geradeso über Wasser halten.
Durch die Reform soll zudem die bisher strikte Trennung zwischen dem ambulanten Sektor – also den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten – sowie dem stationären Sektor aufgeweicht werden. Wer einen Arzttermin benötigt, kann künftig zur Behandlung auch direkt in eine Klinik gehen. Das gilt für Krankenhäuser, die für die Versorgung der Bevölkerung besonders wichtig sind („Sicherstellungshäuser“), für Bundeswehrkrankenhäuser und für die neuen Versorgungseinrichtungen. Der direkte Zugang ist allerdings nur dann möglich, wenn in der Region in der nachgefragten Fachrichtung ein Mangel herrscht.

Wann startet die Reform? Lauterbach hofft, dass die Reform zum Jahresanfang in Kraft treten kann. Doch vorher muss das Gesetz den Bundesrat passieren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Reform dort durch die Anrufung des Vermittlungsausschusses aufgehalten wird. Die Länder wollen mehr Ausnahmen bei den Qualitätsvorgaben durchsetzen, um Kliniken auch aus politischen Gründen erhalten zu können. Selbst wenn es nicht zu Verzögerungen kommt, dauert es aber, bis die Reform greift: Bis spätestens Ende 2026 sollen die Länder festlegen, welche Behandlungen die einzelnen Kliniken weiterhin anbieten dürfen. Erst dann wird sich die Krankenhauslandschaft neu sortieren. 2027 und 2028 wird das neue Finanzsystem schrittweise eingeführt, sodass es erst ab 2029 voll wirksam ist.

Wer bezahlt die Reform? Für den Umbau der Krankenhauslandschaft soll ein „Transformationsfonds“ von 50 Milliarden Euro angelegt werden, der je zur Hälfte von den Ländern und den gesetzlichen Kassen gespeist wird. Auch die private Krankenversicherung soll sich beteiligen. Zahlen die privaten Versicherungen nicht freiwillig, ist eine gesetzliche Regelung vorgesehen.

Die PKV wehrt sich aber. Sie verweist darauf, dass für die Finanzierung der Krankenhausinfrastruktur allein die Länder zuständig sind. Bleibt die PKV außen vor, dann kostet die Reform die gesetzlich Versicherten jedes Jahr 0,15 Beitragssatzpunkte. Das sind bei einem Einkommen von 3500 Euro jährlich rund 30 Euro.


Quelle: Tim Szent-Ivanyi in RN (DZ) vom 18. Oktober 2024

 

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