1945 wurden Kommunisten Bürgermeister und Polizeichefs
Noch bevor in Berlin am 1. Januar 1919 die KPD reichsweit gegründet wurde, bildeten sich auch in Holsterhausen und Hervest frühestens Ende Dezember 1918 kommunistische Gruppierungen sowie eine KPD-Spartakusgruppe. Laut Zeitungsbericht vom 30. Dezember 1918 gehörten ihr meist jüngere Leute an. Am 14. Januar 1919 schreibt die Zeitung, dass die KPD „durch ihre große Mitgliederzahl eine gewaltige Macht erhalten hat“. Sogleich heizte die KPD in den Auseinandersetzungen zwischen Arbeiter- und Soldatenräten und den Bürgerwehren die Konfrontationen an. Denn für die KPD war der Arbeiter- und Soldatenrat zu kompromissbereit. 1920 beteiligten sich die Kommunisten an den Unruhen der Roten Ruhrarmee, deren Frontkommandant Gottfried Wilhelm Karusseit (Gelsenkirchen) im Dorstener Hotel „Schwarzer Adler“ sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Erst 1922/23 entwickelte sich aus den kommunistischen Stammtisch- und Stubenversammlungen sowie Treffen unter freiem Himmel eine Partei, die von der bereits bestehenden Unterbezirksleitung der Recklinghäuser KPD Starthilfe bekam.
Georg Meiss war langjähriger Vorsitzender
Erster langjähriger Vorsitzender war Georg Meise. Nach seinem Tod noch vor 1933 übernahm Hans de Bayer die Führung der Ortsgruppe, die damals noch über kein festes Parteibüro verfügte. Sie trafen sich in Gaststätten, im Sommer auf dem Friedensplatz in Holsterhausen oder auf dem Brunnenplatz in Hervest, bis sie an der Halterner und an der Borkener Straße Parteilokale einrichteten. In den Bergarbeitersiedlungen verteilten die Kommunisten die KPD-Zeitung „Westfälischer Kämpfer“ und hatten unter den vielen Erwerbslosen großen Zulauf. Der Hellweg in Hervest hieß bald nur noch „Klein-Moskau“.
Die Dorstener Ortsgruppe der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO), der kommunistischen Gewerkschaft, hatte 16 Mitglieder, die vor allem auf der Schachtanlage und in der Eisengießerei arbeiteten. Der Vorsitzende hieß Josef Pieck; zum Vorstand gehörten noch Paul Vogel und Gustav Labendz. Ende 1932 hatte die KPD noch eine Unterabteilung, den „Internationalen Bund“ mit 60 Mitgliedern, dem Bernhard Borzan vorstand. Der kommunistische Gottlosen- und der proletarische Freidenkerverband hatten 40 Mitglieder, außerdem gab es noch das „Komitee für Kirchenaustritte“.
Viele Schlägereien zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten
Während der Wahlkämpfe 1930, 1931 und 1932 lieferten sich Nationalsozialisten und Kommunisten in Hosterhausen und Hervest blutige Auseinandersetzungen, wobei es vor dem NSDAP-Lokal Lohaus auch etliche Schwerverletzte gab, denen mit Messern in den Kopf gestochen wurde. Die Polizei nahm 14 der kommunistischen Rädelsführer aus Dorsten, Holsterhausen und Hervest fest, die 1932 vom Landgericht Essen wegen Landfriedensbruch mehrmonatige Gefängnisstrafen erhielten. Auch eine Schlägerei zwischen „Hakenkreuzlern“ und Kommunisten vor dem Arbeitsamt endete vor dem Strafrichter. Bei einem Waldfest in der Gaststätte Einhaus in Hervest gab es eine Auseinandersetzung mit Schlagstöcken und Mistgabeln. Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise rangen bei Wahlen in den Bergbau-Gemeinden das Zentrum und die KPD um die höheren Prozentzahlen. In Dorsten hatte die KPD 1933 mit 7,9 Prozent (Zentrum 43,9 Prozent) keine Chance. In Hervest konnte die KPD bei den Reichstagswahlen 1930 als stärkste Partei 40,4 Prozent auf sich vereinigen, in Holsterhausen erreichten 1932 die Kommunisten 34,2 Prozent und kamen dem Zentrum mit 35,1 Prozent gefährlich nahe.
Verbot der KPD in nationalsozialistischer Zeit
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden im März 1933 die KPD-Lokale von SA-Männern und Polizei geschlossen, Funktionäre in der Herrlichkeit und Dorsten in Schutzhaft genommen und die KPD verboten. Otto Budzus kam Ende 1933 wieder aus dem KZ, Max Fabian, Gustav Ossa, Johann Nuschler waren mehrere Monate im KZ Papenburg, Heinrich Bolz vier Jahre lang im KZ.
KPD-Politik in der Nachkriegszeit von sozialen Zielen geprägt
Nach Ende des Krieges wurde 1945 Gustav Ossa Bürgermeister von Hervest, Otto Budzus Kripo-Chef in Hervest, Hans Nuschler Kripo-Chef in Holsterhausen. Sie gehörten zu den Gründern der Nachkriegs-KPD in Holsterhausen und Hervest-Dorsten. In Dorsten-Stadt wurde die KPD erst im Frühjahr 1946 gegründet. Am Ende des Jahres soll die KPD bereits 500 Mitglieder gehabt haben. Sie hatte mit Hans de Beyer, Gustav Ossa, Heinrich Schröter und Friedrich Klein vier Beiratsmitglieder in dem von den Engländern nach der politischen Zusammensetzung von vor 1933 zusammengestellten „Ratsgremium“. Nach der ersten Kommunalwahl am 15. September 1946 saß von ihnen keiner mehr im Stadtrat. Die Politik der Dorstener KPD war bis 1949 vor allem durch soziale Ziele gekennzeichnet, wie Errichtung einer Volksspeisehalle, Bereitstellung von Hausbrand im Winter, Beschaffung von Winterbekleidung u. a. Auch trat die KPD „für die Rechte der Unterstützungsempfänger, Kriegsopfer, Flüchtlinge, Witwen und Waisen auf ein menschenwürdiges Dasein“ ein. Olaf Herzfeld kommt in seiner Studie über die „Entwicklung der politischen Parteien in Dorsten zwischen 1945 und 1956“ zu dem Schluss, dass „die KPD in Dorsten zwischen 1946 und 1949 eine nicht unbedeutende Rolle in der Dorstener Parteienlandschaft spielte“. Sie erhielt bei der ersten Gemeindewahl am 15. September 1946 mit 20,17 Prozent der Stimmen ihr bestes Ergebnis. Sie rutschte aber bei den weiteren Wahlen auf unter zehn Prozent. Die Partei scheiterte schließlich am antikommunistischen Grundkonsens in der Bevölkerung und an der antikapitalistischen Zielsetzung der Partei, die mit dem einsetzenden so genannten Wirtschaftswunder nicht übereinstimmte. Außerdem verhinderte eine bedingungslose Einbindung der Partei in das Moskauer weltkommunistische Lager ein eigenständiges Handeln.
Freie deutsche Jugend
1946 gründeten die Brüder Edmund und Ehrenfried Labendz in Dorsten die kommunistische „Freie Deutsche Jugend“ (FDJ), die nach Angaben von Edmund Labendz mit 200 Mitgliedern die stärkste Jugendgruppe in Dorsten war. Sie wurde bereits 1951 verboten und in die Illegalität gedrängt. 1954 löste sie sich auch im Untergrund auf. Rechtliche Grundlage des Verbots war der Artikel 21,2 des Grundgesetzes (Beseitigung oder Gefährdung der demokratischen Grundordnung).
KPD in Westdeutschland 1956 wieder verboten
Bevor die Kommunistische Partei am 17. August 1956 vom Bundesverfassungsgericht verboten wurde, stand sie unter Beobachtung der Polizei. In Dorsten gab es immer wieder Hausdurchsuchungen bei Kommunisten. Am 30. September 1950 berichteten die „Ruhr-Nachrichten“ in aggressivem Ton unter der Überschrift „Gegen den Volksfeind“ über eine Razzia gegen das örtliche Büro der KPD in Hervest-Dorsten an der Halterner Straße: „Dabei wurde eine ansehnliche Menge belastendes Material beschlagnahmt, das die Friedfertigkeit dieser Leutchen am besten unter Beweis stellt.“ Als in den Vormittagsstunden des 17. August 1956 die Partei verboten wurde, nahm der KPD-Stadtvertreter Alex am Nachmittag noch an einer Ratssitzung teil. Die Beschlüsse in dieser Ratssitzung wurden in einer späteren neuen Sitzung ohne KPD-Ratsherren Dirks, Hellmann und Alex neu gefasst. Ansonsten blieb das Verbot in Dorsten ohne große Resonanz. Lediglich die „Ruhr-Nachrichten“ mutmaßten, dass die KPD-Wähler nun in den Untergrund gingen und „von hier aus mit den raffiniertesten Tarnungsmitteln weiterhin ihre Angriffe auf die soziale und politische Ordnung der Bundesrepublik“ versuchten. Doch hatte sich die KPD zu diesem Zeitpunkt bereits im gesamten Bundesgebiet zu einem unbedeutenden Faktor entwickelt gehabt.
Quellen:
Wolf Stegemann „Mit Schalmeienklängen und Steinwürfen gegen Arbeitslosigkeit“ und „Funktionäre in Schutzhaft genommen“ in „Dorsten unterm Hakenkreuz. Der gleichgeschaltete Alltag“, Bd. 3, Dorsten 1985. – Ders. „Sie waren die Männer der ersten Stunde“ in „Dorsten nach der Stunde Null“, Bd. 4, Dorsten 1986. – Olaf Herzfeld „Die Entwicklung der politischen Parteien in Dorsten zwischen 1945 und 1956“, Schriftlichen Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt, Münster 1995.