Im Jahr 1926 betrug der Jahresumsatz der Läden 200.100 Mark
Die Konsumgenossenschaften sind in der Folge der Industrialisierung entstanden. Sie waren eine besondere Form der Genossenschaft im Einzelhandel, die in erster Linie Nahrungs- und Genussmittel sowie verwandte Waren des täglichen Bedarfs beschafft und verkauft hatte. In der Vergangenheit wurde die Konsumgenossenschaft auch als Verbrauchergenossenschaft oder als Konsumverein bezeichnet. Sie wurde ursprünglich auf Initiative von Verbrauchern oder Gewerkvereinen gegründet oder von Sozialreformern aus bürgerlichen Kreisen, die die Lebenshaltung durch billigere Warenversorgung zu verbessern trachteten. Ihr Credo hieß:
„Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken.“
Schikanen der belgischen Besatzungssoldaten
Die Entwicklung der Konsumvereinsbewegung ist erst nach der Inflationszeit (1925) in einem für Initiatoren und Verbrauchern befriedigendem Maß erfolgt. Obwohl es in Dorsten und Hervest-Dorsten vor dem Ersten Weltkrieg eine gut gehende Abgabestelle der Genossenschaft „Wohlfahrt“ gab, gingen diese nach dem Krieg mehr und mehr zurück. Als dann Franzosen und Belgier das Ruhrgebiet, Dorsten und teilweise Holsterhausen und Hervest-Dorsten besetzten und den Verkehr zwischen den Gemeinden behinderten, war es der Genossenschaft unmöglich, die Abgabestellen in Dorsten, Holsterhausen und Hervest-Dorsten regelmäßig und rechtzeitig zu beliefern. Die Fuhrleute der Genossenschaft waren großen Schikanen der belgischen Besatzer und ihren Zollforderungen ausgesetzt. Nachdem die Genossenschaft in Dorsten auch noch ihr Lokal abgeben musste, wurden auch die beiden anderen Abgabestellen in Holsterhausen und Hervest-Dorsten geschlossen. In der Bevölkerung regte sich darüber Unmut. Nach dem Abzug der Belgier 1925 forderten die Bewohner in Dorsten die Rückkehr der preisregulierten Konsumläden. Doch der Konsumverein „Wohlfahrt“ konnte diese Forderung nicht sofort erfüllen, weil es an einem Verkaufsladen im Zentrum der Stadt fehlte. Immer wenn die Anmietung eines Ladenlokals vor dem Abschluss stand, reklamierte der bürgerliche Magistrat das Ladenlokal für andere Zwecke. Schließlich fanden die Initiatoren ein Lokal außerhalb der Stadt an der Bochumer Straße.
Abgabestellen in Holsterhausen und Hervest-Dorsten
In Holsterhausen und Hervest-Dorsten lagen die schneller errichteten Abgabestellen zentraler. Nach dem Geschäftsbericht der Genossenschaft hatten die drei Abgabestellen im ersten Jahr der Wiedererrichtung 1925 einen Jahresumsatz von 59.300 Mark, im nächsten Jahr bereits 200.100 Mark Die größeren Kaufhäuser der Genossenschaft in Essen und Bochum wurden auch von Besuchern aus dem Dorstener Bezirk frequentiert. Die Abgabeläden durften gesetzlich nur an ihre Mitglieder verkaufen. Erwirtschaftete Überschüsse wurden am Jahresende an die Mitglieder zurückgezahlt.
Nationalsozialisten warfen in Dorsten die Scheiben ein
Den Nationalsozialisten waren die zum linken politischen Spektrum zugeordneten Konsumläden ein Dorn im Auge, obwohl sie der sozialen Komponente dieser Läden zustimmten. In einer konzertierten Aktion wurden in Dorsten, Holsterhausen und Hervest die Scheiben der Abgabestellen eingeworfen und die Konsumgenossenschaft mit anderen im Reich 1933 als „Reichsbund der deutschen Verbrauchergenossenschaften GmbH“ gleichgeschaltet. Ab 1935 hieß sie „Deutsche Großeinkaufs-Gesellschaft mbH“ (Deugro). Damit war im Firmennamen kein Hinweis mehr auf die genossenschaftliche Herkunft.
Nach Kriegsende fanden sich überall die Konsumgenossenschafter zusammen und bemühten sich darum, die Genossenschaften wieder zu gründen und das verlorene Vermögen, soweit es noch existierte, zurück zu bekommen. In der DDR kam die organisatorisch veränderte Konsumbewegung zu neuer Blüte. Anfang der 1960er-Jahre erreichten die Konsumgenossenschaften in der Bundesrepublik mit 2,6 Millionen Mitgliedern, 79.000 Beschäftigten und fast 10.000 Läden ihren Höchststand. Fusionsbewegungen führten schließlich dazu, dass der weitaus größte Teil des ehemals konsumgenossenschaftlichen Handels in der Frankfurter co op AG versammelt war, an der die gewerkschaftliche BGAG maßgeblich beteiligt war. Mit den alten genossenschaftlichen Grundsätzen hatte die co op AG nichts mehr zu tun. Sie geriet immer mehr in wirtschaftliche Bedrängnis, auch bedingt durch kriminelle Machenschaften von Management-Angehörigen, was faktisch das Ende bedeutete. Reste der co op AG gingen als Deutsche SB-Kauf AG an den Metro-Konzern.