Kanalbrücke Hervest I

75 Meter lang, 12,95 Meter breit, 470 Tonnen schwer, über 3 Mill. Euro teuer

Einschwimmen der neuen Kanalbrücke; Foto: Guido Bludau

Einschwimmen der neuen Kanalbrücke; Foto: Guido Bludau

Das alte Brückenbauwerk an der Straße von Hervest nach Marl hatte nach 107 Jahren ausgedient, wurde abgerissen und 2015 durch eine neue viereinhalb Millionen Euro teure Stabbogenbrücke ersetzt. Allerdings überbrückte das alte Bauwerk nicht nur den Wesel-Datteln-Kanal, sondern vorher bis 1949 die Mosel. Sie war ein „Secondhand“-Kauf und ziemlich desolat, als sie nach dem Krieg nach Marl kam. Denn die Brücke liegt auf Marler Stadtgebiet. Hier war sie ein wichtiges Bauwerk, denn über sie mussten die Kohlentransporte rollen. Mit den Jahren wurde sie immer baufälliger, bis sie ab 2002 nur noch einspurig befahren werden durfte und 2013 völlig gesperrt werden musste. Gleich neben ihr wurde im August 2015 die neue Brücke „eingeschwommen“ (Schieben der Brückenteile über den Fluss), damit im Oktober der Verkehr zwischen Dorsten und Marl wieder fließen konnte.
Fünfzehn Monate dauerte der Bau des Stahlkolosses von der Auftragserteilung durch das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Duisburg-Meiderich bis zum Millimeter genauen „Einschwimmen“ vor Ort. Die Stahlüberbauten wurden in einem Stahlwerk gefertigt und mittels Spezialtransportern in Einzelteilen mit Stückgewichten bis zu 50 Tonnen mit Autokränen zum Kanal gebracht und auf dem Vormontageplatz miteinander verschweißt. 500 Kubikmeter Beton wurden für die Widerlager der Unterbauten verbaut und eine Rampe aus 22.000 Kubikmeter Boden geschaffen. Die Brücke mit der amtlichen Nummer 423 ist 75 Meter lang, 12,25 Meter breit (somit 2,95 Meter breiter als die alte) und wiegt 470 Tonnen. In den Farben des Kreises Recklinghausen angestrichen, hält sie allen verkehrlichen Belastungen stand. Baustatistisch gesehen 80 Jahre lang. Die Bezirksregierung Münster hat für den Bau der Fahrbahn des Geh- und Radwegs und einer Distanzschutzplanke sowie für Rampen 1,956.200 Euro bewilligt. Die Gesamtkosten sind mit 3.009.600 Euro veranschlagt.

Interimsbrücke über die Lippe ist freigegeben: „Das wurde auch Zeit“

Nach 13 Monaten Bauzeit ist die Interimsbrücke zwischen Dorsten-Hervest und Marl für den Verkehr im August 2024 freigegeben worden. Schon vor dem symbolischen Scherenschnitt durch das rot-weiße Flatterband hatten zwei Beteiligte die Brückenverbindung zwischen Dorsten-Hervest und Marl getestet. Dorstens Bürgermeister Tobias Stockhoff kam zu Fuß von Norden über die Brücke zum Eröffnungstermin und scherzte, dass man ihn gebeten habe, eine Belastungsprobe zu machen. Minuten später nutzte auch ein Radfahrer die Gunst der Stunde, endlich wieder ohne Umwege von Hervest nach Marl zu gelangen. Sein Kommentar: „Das wurde auch Zeit.“ Die Brücke kann ab sofort wieder in beiden Richtungen befahren werden. Eine Ampelanlage regelt den Verkehr. Fachdienstleister Carsten Uhlenbrock vom Kreis sagte, dass vor allem zwei Gruppen auf die 200-Tonnen-Brücke angewiesen seien. Zum einen die Gruppe der Fußgänger und Radfahrer, die bislang einen Umweg von 4,5 Kilometern in Kauf nehmen mussten. Und auch die Feuerwehr und Rettungsdienste könnten nun wieder den direkten Weg nehmen. Keine Stunde später rückte der Löschzug Dorf Hervest tatsächlich zum Coca-Cola-Abfüllwerk an der Rudolf-Diesel-Straße aus und fuhr über die Brücke. Allerdings handelte es sich um einen Fehlalarm.

Marls Bürgermeister Werner Arndt:  „Die Brücke hat uns gefehlt“

Eigentlich sollte die Interimsbrücke auf den bestehenden Stützen gebaut werden. Doch dann gab es einige böse Überraschungen, wie Carsten Uhlenbrock sagte. Die Pfeiler waren in einem schlechteren Zustand als erwartet. Dann noch das Hochwasser zum Jahreswechsel: „Da stand hier alles unter Wasser.“ Herausfordernd sei der Brückenbau auch gewesen, da man im Naturschutzgebiet nicht viel Platz gehabt habe. Nicole Wölke-Neuhaus, stellvertretende Landrätin aus Dorsten, erinnerte daran, dass die fast 100 Jahre alte Brücke viel von Radfahrern genutzt werde. Werner Arndt, Bürgermeister aus Marl, sagte, dass man bei vielen Dingen die Wichtigkeit erst bemerke, wenn sie weg seien. „Die Brücke hat uns gefehlt.“ Dorstens Bürgermeister Tobias Stockhoff, sagte, dass Brückenbauer in Zukunft genügend Arbeit haben werden, da nun ein Sanierungsstau an vielen Stellen aufzuarbeiten sei. Die Brücke hat weiterhin eine Gewichtsbeschränkung von 12 Tonnen. Bis auf die Busse der Vestischen sowie die Fahrzeuge von Feuerwehr und Rettungsdienst muss der Schwerlastverkehr die Brücke demnach umfahren. Bis die eigentliche Ersatzbrücke gebaut ist, müssen sich Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer den knappen Platz auf der Brücke teilen. Die neue Brücke, versprach Uhlenbrock, soll dann deutlich komfortabler zu befahren sein. Dort werde es zwei Fahrstreifen sowie Geh- und Radwege geben.

Sperrung, da Gewichtsbeschränkungen von Lkw-Fahrern oft missachtet

Einen Monat nach der Inbetriebnahme der Interimsbrücke über die Lippe zwischen Dorsten-Hervest und Marl stand eine erste Kontrolle an. „Dafür legt die Fachfirma eine Nachtschicht ein, damit die Einschränkungen für den Verkehr so gering wie möglich sind“, heißt es in der Pressemitteilung des Kreises Recklinghausen. Von Montag, 30. September 2024, um 22 Uhr, bis Dienstag, 1. Oktober, um 5 Uhr, wwar die Brücke für den Verkehr gesperrt, eine Umleitung war ausgeschildert. Fußgänger und Radfahrer waren davon nicht betroffen, sie dürfen die Brücke auch in diesem Zeitraum nutzen. In der Nacht wurden alle Schraubverbindungen kontrolliert. Außerdem hstte es noch kleine Nacharbeiten an den Lagern geben, hießt es in der Pressemitteilung weiter. Tiefbau-Chef Carsten Uhlenbrock appellierte in diesem Zusammenhang an die Lkw-Fahrer, die Gewichtsbeschränkungen zu beachten. Die Erfahrungen der ersten Wochen nach der Freigabe haben gezeigt, dass die Gewichtsbeschränkung von den Lkw-Fahrern nur eingeschränkt beachtet wird. So beobachteten Mitarbeiter des Tiefbauamts jüngst, wie ein Auflieger mit einem Bagger die Brücke überquerte.
„Es handelt sich um eine provisorische Brücke, die in den nächsten Jahren für Fußgänger und Radfahrer, aber auch für Feuerwehr und Rettungsdienst eine wichtige Rolle spielt. Darum gelten weiterhin die Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h und die Gewichtsbegrenzung von 12 Tonnen. Die einzige Ausnahme sind die Fahrzeuge von Feuerwehr und Rettungsdienst sowie von der Vestischen. Der Schwerlastverkehr muss bis zur Fertigstellung der endgültigen Brücke die Umfahrung nutzen. Wir bitten dringend darum, dass sich alle an diese Regeln halten, damit die Verbindung bis zum Bau der neuen Brücke erhalten bleiben kann“, wurde Uhlenbrock in der Mitteilung zitiert.

Siehe auch: Brücken (Artikelübersicht)


Quellen: DZ vom 31. August 2024. – DZ vom 27. September 2024.

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