Das Dorstener Bürgerprojekt ist eine überregionale Erfolgsgeschichte
Von Wolf Stegemann – Das Jüdisches Museum Westfalen ist als Antwort auf die 1986 aufgekommene Frage von Mitgliedern der Forschungsgruppe Regionalgeschichte/Dorsten unterm Hakenkreuz entstanden, die einen Raum für ihre während der Tätigkeit angesammelten Exponate und eine umfangreichen Foto-Ausstellung über den Nationalsozialismus in Dorsten suchten. Diese Idee, ein kleines Dokumentationszentrum zu errichten, trug Wolf Stegemann den anderen Mitgliedern der Forschungsgruppe – Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel, Sr. Johanna Eichmann, Anke Klapsing, Christel Winkel – vor, die zunächst mit Skepsis, dann mit Zuspruch reagierten. Aus der Idee entwickelte Stegemann die Konzeption für ein Museum. Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit in Dorsten und im Kreis Recklinghausen sowie die Jüdische Kultusgemeinde Bochum-Herne-Recklinghausen und das Land Nordrhein-Westfalen unterstützten die Planung für das Projekt. 1987 gründete die Forschungsgruppe den Trägerverein für das künftige Museum, der noch „Dokumentationszentrum für jüdische Geschichte und Religion in der früheren Synagogenhauptgemeinde Dorsten im Kreis Recklinghausen“ hieß und später in „Verein für jüdische Geschichte und Religion“ umbenannt wurde. 1992 konnte das Museum an der Julius-Ambrunn-Straße durch Ministerpräsident Johannes Rau eröffnet werden. Johanna Eichmann übernahm die Museumsleitung, 2007 folgte Dr. Norbert Reichling. Ihm im Jahr 2020 Dr. Kathrin PIeren. Im 2011 erweiterten Garten ist eine Skulpturen-Sammlung untergebracht. Zur Eröffnung des Museums erschien in Herausgeberschaft von Wolf Stegemann und S. Johanna Eichmann ein von der Nordrhein-Westfalen-Stiftung finanziell geförderter 279 Seiten starker Katalog „Jüdisches Museum Westfalen. Ein Beitrag zur Geschichte der Juden in Westfalen“.
Lehrhaus und Bibliothek sowie Gründung einer Stiftung
Das Museum zeigt Gegenstände der jüdischen Religion, Kultur und Geschichte, deren Ankäufe die NRW-Kulturstiftung finanziell unterstützte. Zudem gibt es eine Bibliothek, eine Galerie sowie ein Lehrhaus, in dem Vorträge und Seminare stattfinden. Schon 1993 veröffentlichte das damalige Vorstandsmitglied des Trägervereins W. Stegemann eine Denkschrift über eine mögliche und notwendige Erweiterung des Hauses, die im Jahr 2001 für 2,75 Millionen DM realisiert werden konnte. Das Land NRW übernahm 90 Prozent der Kosten. Zudem haben 1999 die Kreissparkasse Recklinghausen, der Kreis und das Land NRW die „Stiftung Jüdisches Museum“ mit einem Stiftungsvermögen von 2,5 Millionen DM gegründet, von deren Erträgnissen die hauptamtliche Stelle des seit Beginn tätigen Wissenschaftlichen Mitarbeiters Thomas Ridder bezahlt wird.
Projekte über mehrere Förderprogramme finanziert
2007 erschien im Verlag für Regionalgeschichte in Bielefeld ein neuer 200 Seiten starker Katalog, der unter dem Titel „Von Bar Mitzwa bis Zionismus“ Einblick in die Dauerausstellung gibt und zugleich Lesebuch ist, das jüdische Traditionen und Lebenswege in Westfalen aufweist. Im Jahre 2009 lobte das Museum erstmals einen Schülerpreis aus. Wettbewerbsbeiträge sollen sich mit dem Judentum oder Nationalsozialismus auch auf lokaler Ebene befassen. Eine Jury aus Geschichtslehrern, Historikern und Mitgliedern des Vereins für jüdische Geschichte und Religion ermittelt die jährlichen Preisträger. 2009 wählte die Jury drei Gymnasiastinnen auf die ersten Plätze, deren Arbeiten sich mit dem Schicksal jüdischer Familien aus Borken und Vreden in der NS-Zeit beschäftigten und moderne Formen der Holocaust-Gedenkkultur am Beispiel der Aktion „Stolpersteine“ beleuchteten. – Mit knapp 420.000 Euro – das entspricht zwei Drittel des Gesamtvolumens von 630.000 Euro – förderte Anfang 2011 die Kulturstiftung des Landschaftsverbandes (LWL) das mehrjährige Vorhaben des Museums, das unter dem Arbeitstitel „Heimatkunde: Juden – Nachbarn – Westfalen“ auf wissenschaftlicher Grundlage neue Ansätze regionalgeschichtlicher Forschung zum westfälischen Judentum herausarbeiten will. Mit diesem Projekt wird den Fragen nachgegangen, ob Juden ein besonderes, spezifisches Verhältnis zu ihrer Heimat haben und wenn ja, worin die begründet sei. Dabei werden geschichtliche Spuren, vorwiegend aus dem 19. und 20. Jahrhundert, exemplarisch für diese Region untersucht und voraussichtlich 2014 präsentiert.
Finanzielle Engpässe
In der Mitgliederversammlung des Trägervereins Anfang 2011 berichtete Museumsleiter Dr. Reichling über die angespannte finanzielle Situation des Museums. Freiwillige Mitarbeiter ersetzten dem Haus Arbeitskräfte im Wert von 150.000 Euro jährlich. Allerdings fehlten dem Museum jährlich 100.000 Euro öffentlicher Förderung, sollte die bisherige Arbeit inhaltlich und personell im Wesentlichen fortgesetzt werden. Dr. Reichling hoffte, dass die öffentliche Hand das Geld zur Verfügung stellen werde, ansonsten bereits im Jahre 2012 „einige Lichter im Museum“ ausgehen müssten. Von den Sparmaßnahmen der Stadt 2012 ist der Zuschuss der Stadt in Höhe von 40.000 Euro an das Museum nicht betroffen. – Mitte 2011 bekam der Altbau des Museums für 20.000 Euro einen rötlichen Anstrich. Nach dem hellen und freundlichen Grau bei der Gründung 1992 und nach der Umfärbung in Gelb nach Fertigstellung des Anbaus 2002, ist dies die dritte Farbe. Mit Gelb habe man sich im Museum immer etwas „schwer getan“, war aus Museumskreisen zu hören und nachzulesen, da die Farbe Gelb im Judentum „ja eine belastete Farbe“ sei. Auch wurden die Rasenflächen vergrößert und der Museumsgarten neu gestaltet.
Land erhöhte den Zuschussanteil
In der Mitgliederversammlung im Juni 2013 wurde die defizitäre Lage des jüdischen Museums festgestellt. Jährlichen Fixkosten von 269.000 Euro stünden 180.000 Euro Einnahmen gegenüber. 2013 erreichte das von den Mitgliedern beschlossene Budget des Hauses 474.000 Euro. Rund 205.000 Euro flossen in das Ausstellungs-, Forschungs- und Buch-Projekt „Heimatkunde“. – Das Land erhöhte 2012 den Zuschussanteil für Gedenkstätten in NRW um 90.000 Euro, von dem allein das jüdische Museum mit 30.000 Euro bedacht wurde, was den Museumsleiter veranlasste, diese Summe als „erbärmlich“ zu bezeichnen (WAZ vom 7. Juni 2013). Anlässlich der Verleihung des Vestischen Preises für bürgerschaftliches Engagement stellte Lanbdrat Cay Süberkrüb im Dezember 2014 das Jüdische Museum als beispielhaft heraus: „Hier arbeiten zwei Hauptamtliche und 30 Ehrenamtliche“.
Museum hat ein Alleinstellungsmerkmal
Im August 2015 gingen Museumsleitung und Trägerverein erneut an die Öffentlichkeit und wiesen auf spürbare Einsparungen im Programm hin, zu denen die ernste Finanzlage des Museums zwang. Dazu hatte das Auslaufen des mehrjährigen Projekts „Heimatkunde“ geführt. Denn seit dieser Zeit gab es keine Finanzierung einer halben Personalstelle mehr. Zudem hätten bei dem Projekt Kostenüberschreitungen stattgefunden. Museumsleiter Dr. Reichling will sich um weitere Förderungen für 2016 bemühen. Das hatte Erfolg. Die Landeszentrale für politische Bildung NRW stelle in ihren Haushalt für 2016 eine Fördersumme in Höhe von 100.000 Euro für das jüdische Museum ein. In der Begründung heißt es: „Das jüdische Museum Dorsten hat eine herausragende Stellung in der nordrhein-westfälischen Kulturlandschaft und wird bei der hohen Qualität der Ausstellung sogar größtenteils durch viele engagierte ehrenamtliche Helfer am Leben gehalten. Damit hat dieses Museum und Dorsten ein Alleinstellungsmerkmal.“
Zahlen aus dem Jahresbericht 2015
Das Museum wurde im Jahr 2015 von über 7630 Gästen besucht. Davon kam fast die Hälfte aus Dorsten. Rund ein gutes Drittel der Besucher war 61 Jahre alt und älter. Jährlich finden im Museum 40 bis 50 eigene und fremde Veranstaltungen statt. Ehrenamtliche Mitarbeiter haben mindestens 2600 Stunden für das Museum gearbeitet, was einen Geldwert von rund 120.00 Euro entspricht. Als neue Form der Zukunfssicherung wurde ein Förderkreis gebildet, dem mittlerweile 30 Personen angehören. 2017 soll die Dauerausstellung des Museums überarbeitet und zwei Jubiläen können gefeiert weren: 30 Jahre Trägerverein und 25 Jahre Museum.
Im Facebook wurde gegen das jüdische Museum in Dorsten gehetzt
Im Mai 2013 wurde auf einer Facebook-Seite mit rassistischen und antidemokratischen Kommentaren gegen das Jüdische Museum Dorsten gehetzt. Museumsleiter Dr. Reichling bezeichnete den Vorgang als „Volksverhetzung“. Dorstens Bürgermeister erstattete daraufhin Anzeige. „Dass alleine 83 Leser diese Seite positiv bewertet haben“, so der Bürgermeister, „erschreckt mich besonders.“ Die Seite wurde entfernt. Im Dezember 2013 wurde der vom Jüdischen Museum für ganz Nordrhein-Westfalen ausgeschriebene Geschichtspreis verliehen. 1. Preisträgerin war Katharina Escher vom Anne-Frank-Gymnasium Werne mit dem Projekt Stolpersteine in ihrer Stadt. Der 2. Preis wurde zweimal vergeben: Für seine Arbeit über jüdische Soldaten im Ersten Weltkrieg zwischen Heimatliebe und Ausgrenzung wurde Lennart Reich (Gymnasium St. Ursula, Dorsten) ausgezeichnet und Lucas Classen (Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium, Dülmen) für seine Arbeit über die Wiedergutmachungsverfahren für NS-Verbrechen am Beispiel jüdischer Familien aus Dülmen. Der dritte Preis ging an drei Schülerinnen des Städtischen Ruhr-Gymnasiums in Witten für ihre Arbeit „Juden und die damalige Synagoge in Witten“. Den Gruppen-Sonderpreis teilten sich Schermbecker Schüler, die für ihre Inszenierung der Oper Brundibar eine Ausstellung „Kinder und Jugendliche als Opfer des Holocaust“ inszeniert haben mit Gesamtschülern aus dem Nettetal, die ihre Studienreise nach Auschwitz beleuchteten.
Ehrennadel in Gold für den Museumsleiter – 2020 neue Museumsleiterin
Im Februar 2017 hat die NRW-Landesstiftung beschlossen, das Projekt mit 100.000 Euro zu fördern. Weitere Spenden und Fördermaßnahmen sollen den Restbetrag abdecken. Im Mai 2017 feierte das Museum sein 25-jähriges Bestehen mit einer Sonderausstellung von Exponaten, die ansonsten im Depot gelagert sind. Darunter Holzstiche, Aquarelle des jüdischen Malers Levin, historische Bücher sowie das Gästebuch, das bei der Eröffnung des Museums 1992 angelegt worden war. Die Stadt Dorsten verlieh dem seit 2006 tätigen ehrenamtlichen Leiter des Jüdischen Museums Westfalen, Dr. Norbert Reichling, die Ehrennadel in Gold. – Seit 2020 wird das MUseum erstmals professionell und hauptamtlich von Dr. Kathrin Pieren geleitet (siehe Kathrin Pieren, Link unten).
Jubiläumsbroschüre 2017: 26 Augenblicke in 25 Jahren
Zum 25. Jahrestag des Bestehens des Museums erschien Ende 2017 eine Festschrift mit dem Titel „25 Jahre – 26 Augenblicke“. Zu diesen Augenblicken gehören u. a. die festliche Eröffnung 1992 mit Ministerpräsident Johannes Rau, die erste Kunstausstellung mit Werken Igor Ganikowskys im Jahr 1993, die „Herbstgespräche 1994 des Freundeskreises Dorsten Hof Hasharon 1994 mit Lieselotte Funcke, Ignatz Bubis, Zentralrat der Juden u. a., das Wolf-Biermann-Konzert 1997, die Gründung der Stiftung 1999 und die Eröffnung des Museumsneubaus 2001.
Bildungspartnerschaft Jüdisches Museum/Gymnasium St. Ursula
Die Leiterin des Gymnasiums St. Ursula, Elisabeth Schulte Huxel, und der Leiter des Jüdischen Museums, Norbert Reichling, haben Anfang 2017 einen Vertrag unterschrieben, demzufolge sie offiziell Bildungspartner sind. Das bedeutet, dass die Schüler regelmäßig das Museum besuchen, an Führungen teilnehmen und sich dort mit so genannten Zeitzeugen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieg unterhalten. Ziel ist es, dass die Schüler diese Epoche, das Judentum, seine Religion und Kultur gut kennenlernen. Norbert Reichling hofft, dass die Bildungspartnerschaft mit dem St. Ursula-Gymnasium dazu führt, dass auch andere Schulen das Angebot des Museums noch intensiver nutzen. Die erste Bildungspartnerschaft hat das Museum im Dezember 2016 mit der Don-Bosco-Schule aus Lippstadt vereinbart, einer Förderschule.
Anerkennung für neueröffnete Dauerausstellung 2018
Nach drei Jahren Vorbereitungszeit wurde im Dezember 2018 im Jüdischen Museum eine neue Dauerausstellung mit dem Titel „L‘ Chaim – Auf das Leben!“ eröffnet. Elf Sponsoren machten die Ausstellung finanziell möglich. Vertreter von drei Hauptsponsoren würdigten in ihren Grußworten das in die Region ausstrahlende Projekt. Klaus Kaiser, „Wir müssen zeigen, dass jüdisches Leben hier willkommen ist, alles tun, dass sich jüdische Menschen hier wohlfühlen.“ Eckhard Uhlenberg, Präsident der NRW-Stiftung unterstützt seit Planung des Museums 1987 und Eröffnung 1992 das Museum. Dieter Gebhard, Vorsitzender der LWL-Landschaftsversammlung: „Das Museum hat eine große gesellschaftliche Relevanz, so fiel es uns leicht, diese notwendig gewordene Aufarbeitung zu unterstützen. Das Judentum ist mehr als eine Opfergeschichte. Hier werden Besucher in moderner Weise an die Hand genommen, um die Vielfalt des Judentums zu zeigen. Das Museum ist eine große Bereicherung des kulturellen Angebots in unserem Land.“
Ab 2020 jährlich 100.000 Euro vom Landschaftverband Westfalen-Lippe
Die Arbeit des Jüdischen Museum Westfalen wird ab 2020 jährlich mit einem Betrag von 100.000 Euro gefördert. Alle zuständigen Ausschüsse des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe haben diesem LWL-Verwaltungsvorschlag gefolgt. Bislang wurde nur auf Antrag gewissen Projekte gefördert. „Wir sehen diesen Beschluss als eine Anerkennung nicht nur des großen bürgerschaftlichen Engagements seit den 1990er-Jahren, sondern auch als Bestätigung, dass in den Dorstener Ausstellungen, in Bildungsarbeit, Veröffentlichungen, Kulturveranstaltungen ein professionelles Niveau erreicht wurde, das nicht mehr wegzudenken ist“, heißt es. Neue Herausforderungen in Gesellschaft und Kultur, ein vielfältiges Publikum, eine sich verändernde jüdische Gegenwart und auch geschichtsrevisionistische Tendenzen verlangen vielmehr eine Steigerung der Anstrengungen, so das Jüdische Museum. Der jetzige Beschluss eröffne neue Entwicklungsmöglichkeiten.
Stadtrat genehmigt einen Zuschuss von 200.000 Euro
In der letzten Sitzung des Jahres 2021 hatte der Stadtrat dem Jüdischen Museum Westfalen einen stattlichen Zuschuss für die Zeit bis 2026 in Höhe von 200.000 Euro gewährt. Den Antrag hatten CDU, SPD und FDP gestellt, aus den anderen Fraktionen widersprach niemand. Zwei formale Hinweise machten die drei Antragsteller allerdings. Kämmerer Karsten Meyer soll die freiwillige Ausgabe möglichst „durch verbesserte Jahresabschlüsse“ wieder ausgleichen. Und: Der Verein darf in den ersten Jahren jährlich nicht mehr als 40.000 Euro ausgeben, „um verringerte Zuweisungen der Stiftung Jüdisches Westfalen auszugleichen“. Zum zweiten Mal nach 2016 unterstützt die Politik die „unverzichtbare Arbeit“ des Jüdischen Museums über einen längeren Zeitraum. Neben dem Landtag von NRW, dem Kreis Recklinghausen und der Stadt Dorsten spielt seit 2021 auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe eine wichtige Rolle bei der dauerhaften Förderung des Jüdischen Museums an der Julius-Ambrunn-Straße.
Im Museum 2021: „Jüdischer Kultursommer“
Mit 10.900 Euro unterstützte die Kulturstiftung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe die Veranstaltungsreihe „Jüdischer Kultursommer“ des Vereins für Jüdische Geschichte und Religion in Dorsten, Trägerverein des Jüdischen Museums Westfalen. Die Stiftung vergab mehr als eine Million Euro an 25 Kulturprojekte in Westfalen-Lippe. Das Projekt war ein Beitrag zum bundesweiten Festjahr „Jüdisches Leben in Deutschland“. Seit 1700 Jahren leben Jüdinnen und Juden nachweislich auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Das Festjahr war der Anlass für die LWL-Kulturstiftung für einen entsprechenden Förderschwerpunkt: „Das Jüdische Museum Westfalen in Dorsten ist in unserer Region das einzige Haus mit diesem thematischen Schwerpunkt. Sowohl der LWL als auch die LWL-Kulturstiftung unterstützen das Museum seit langer Zeit, und es ist – nicht nur mit Blick auf das Themenjahr – ein bedeutender Akteur unserer vielfältigen Kulturlandschaft.“
Zusammen mit Jürgen Kaub stellten Ingrid Kreytenberg und Jürgen Kaub im August 2021 im Jüdischen Museum Westfalen 20 Bilder aus. Der thematische Schwerpunkt in Kreytenbergs Bildern lag dabei auf dem Thema Licht, das in ihren Arbeiten ihr ein großes Anliegen ist. Sie selbst beschreibt ihre Werke als gegenstandslos. Klare Linien und geometrische Flächen bestimmen den Inhalt des Bildes. Eigene Emotionen spielen darin keine Rolle. Die Bilder stehen für sich. Die Künstlerin drückt damit keine eigenen Gefühle aus. Im Gegensatz dazu stehen die Bilder Jürgen Kaubs. Mit seinen provenzalischen Werken möchte er einen Rückzugsort schaffen. Dabei stellt er das Licht ebenfalls in den Fokus. „In meinem Urlaub in der Provence vor zwei Jahren habe ich sehr viele Fotos gemacht. Die Werke, die am Samstag zu sehen sind, sind davon inspiriert“, erzählte der Künstler.
Schüler-Wettbewerb des Jüdischen Museums 2021 mit fünf Preisträgern
Zehn Schülerarbeiten aus ganz NRW zu den Themen Judentum, Nationalsozialismus, Antisemitismus und Rassismus sind 2021 für die Verleihung des 13. Margot-Spielmann-Preises des Jüdischen Museums Westfalen in Dorsten eingereicht worden. Fünf Beiträge wurden prämiert. Laura De Giorgio vom Heinrich-von-Kleist-Gymnasium in Bochum befasste sich in ihrer in einem Hebräischkurs entstandenen Facharbeit mit der Frage, wie sprachliche Erscheinungen die Wahrnehmung von Geschlechterbildern in der hebräischen Bibel beeinflussen. Für Nikolas Reitemeier vom Burggymnasium in Essen stellte sich die Frage, ob christliches Gerechtigkeitsverständnis zur Handlungsmaxime werden kann. Paul Scharmann vom Gymnasium Georgianum in Vreden untersuchte in seiner Facharbeit, wie Nationalsozialismus und Holocaust im Geschichtsunterricht der Gymnasien in Nordrhein-Westfalen in den späten 1960er-Jahren behandelt wurden, exemplarisch betrachtet an seiner Vredener Schule. Victoria Kömmelt, ebenfalls vom Gymnasium Georgianum in Vreden, beschrieb sehr eindringlich das Schicksal einer Großtante. Diese hatte früh ihre Eltern verloren und geriet mit 14 Jahren wegen mehrerer Anzeigen wegen angeblich unmoralischen Verhaltens in die Mühlen der nationalsozialistischen Straflagersysteme. Eine zweite Projektarbeit stammt von zwei jungen Sechstklässlerinnen aus Münster vom Gymnasium Paulinum. Sie sind die bisher jüngsten Preisträgerinnen. In ihrer Projektarbeit befassen sie sich mit dem Münsteraner Motorradrennfahrer Leo Steinweg. Aus einem erfolgreichen Rennfahrer mit eigenem Geschäft und Werkstatt wurde nach 1933 ein Ausgegrenzter und Flüchtling, der mit seiner nicht-jüdischen Frau unter ärmlichen Verhältnissen im niederländischen Exil lebte. Nachdem er verraten wurde, verschleppten ihn die Nationalsozialisten nach Auschwitz und ermordeten ihn dort.
Ausstellung 2022: Jüdische Stars im deutschen Sport säumen den Südwall
Die Open-Air-Ausstellung am Jüdischen Museum Westfalen, die einen ganzen Straßenzug säumte, zeigte 20 jüdische Porträts des deutschen Sports zwischen Erfolg und Verfolgung. Eine Ausstellung des Jüdischen Museum und den Gemeinschaftseinladung von Jüdischem Museum und des Stadtsportverbands – eine Veranstaltung im Rahmen der „Dorstener Tage des Grundgesetzes“, die sich in diesem Jahr schwerpunktmäßig den Themen „Rassismus und Ausgrenzung“ widmete. Konzipiert hatte die Ausstellung Dr. Henry Wahlig, Sporthistoriker beim Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Dass die Ausstellung draußen aufgebaut wurde, gehörte übrigens zum Konzept. „Wenn die Menschen nicht ins Museum gehen, muss das Museum zu den Menschen gehen“, zitierte ihn die „Dorstener Zeitung“. „Da der Sport zu den wenigen gesellschaftlichen Bereichen gehöre, über die man alle sozialen Schichten erreichen könne, seien so vor allem auch die heutigen Jugendlichen für die Themen Zivilcourage und Diskriminierung zu erreichen.“ Zu jeder Skulptur gab es eine Erklärung. So konnten die Passanten zum Beispiel erfahren, dass Lilli Henoch, erfolgreichste Leichtathletin der 1920er-Jahre, nach ihrer Deportation in der Nähe von Riga ermordet wurde, während die nach Ungarn emigrierte Basketball-Legende Ralph Klein 1983 als Bundestrainer der deutschen Basketball-Nationalteams in sein Geburtsland zurückkehrte – obwohl sein Bruder und Vater von den Nazis in Auschwitz ermordet worden waren.
Fotos des einstigen Sex-Symbols Marilyn Monroe im Jüdischen Museum
Kurz vor ihrem Tod porträtierte Fotograf Bert Stern die Hollywood-Diva Marilyn Monroe für eine Modezeitschrift. Das Jüdische Museum Dorsten zeigte in einer Ausstellung die legendären Bilder. Gelöst, heiter, kokett lächelnd: Das Porträt des einstigen Sex-Symbols Marilyn Monroe auf dem großen Banner an der Stirnseite des Jüdischen Museums in Dorsten zeigte die Hollywood-Legende in überaus positiver Stimmung. 56 Fotos waren bis September 2022 im Jüdischen Museum zu sehen. Mal zeigte sich die Schauspielerin, die übrigens nach ihrer Heirat mit dem jüdischen Schriftsteller Arthur Miller vom Protestantismus zum Judentum konvertierte, nachdenklich, mal verletzlich, mal provokant.
Ausstellung Herbst 2022: „This is me – queer und religiös?“
Zur Eröffnung der Ausstellung „This is me – queer und religiös?“ im Jüdischen Museum Westfalen sprach die Menschenrechtsaktivistin Julia Monro, die in der Ausstellung porträtiert wiurde, mit großer Offenheit über die Lebensrealität von trans-Personen. Die Referentin begann mit Beispielen von frühkindlicher Prägung im Verständnis der Rolle, die Frauen und Männer traditionell einnehmen, angefangen von den hellblauen respektive rosafarbenen Kleinkinderkleidern, den Piraten- und Abenteuerspielen für Jungs Aber was macht eigentlich eine Frau, was macht einen Mann wirklich aus? Julia Monro nahm bei ihrer Präsentation ihr Publikum spielerisch in die Pflicht. Innerhalb weniger Minuten waren für selbstverständlich gehaltene Ideen vom Tisch gefegt. Aber wenn Geschlechteridentitäten nicht eindeutig sind, warum beharrt die Gesellschaft dann immer noch auf einem unverrückbaren binären Geschlechtermodell? Dass bei den Behörden und vor dem Gesetz immer noch sehr traditionelle Rollenverständnisse vorherrschen, wurde im Vortrag bald klar. Monro, die selbst eine Transition durchlaufen hat, erklärte in aller Offenheit, wie langwierig und oft erniedrigend ein solcher Prozess sei. Die Referentin setzt sich daher als Beraterin der Bundesregierung dafür ein, dass die veraltete Gesetzgebung durch eine neue ersetzt wird. – Julias Geschichte ist eine von 15 Geschichten in der Ausstellung „This is me – queer und religiös? Die Ausstellung war bis zum 13. November 2022 im Jüdischen Museum Westfalen zu sehen.
Lesung zum 80. Todestag der NS-Widerständlerin Sophie Scholl
Anlässlich des 80. Todestages von Sophie Scholl hatte das Kommunale Integrationszentrum (KI) des Kreises Recklinghausen am 22. Februar 2023 zur Lesung der Biografie Sophie Scholls ins Jüdische Museum eingeladen. Maren Gottschalk las aus ihrem 2021 erschienenen Werk „Wie schwer ein Menschenleben wiegt. Sophie Scholl“. Die Studentin Sophie Scholl hatte mit anderen als Teil des inneren Zirkels der Widerstandsbewegung „Weiße Rose“ mutig ihre Stimme gegen den Nationalsozialismus erhoben und bezahlte dies am 22. Februar 1943 mit ihrem Leben.
Theaterproduktion „Weinhebers Koffer“ im Jüdischen Museum
Am 1. Juni 2023 wurde die Theaterproduktion „Weinhebers Koffer“ aufgeführt. Das Stück beruht auf dem gleichnamigen Roman von Michel Bergmann und wird hier produziert von der Kölner „Rimon Productions“. Zum Theaterstück: Elias Ehrenwerth, Journalist im heutigen Berlin, sucht für seine Freundin Lisa ein Geburtstagsgeschenk. Bei einem Trödler entdeckt er einen Lederkoffer mit ihren Initialen. Darin findet er die Visitenkarte seines Vorbesitzers Leonard Weinheber. Da beginnt die Spurensuche. Weinheber war ein jüdischer Schriftsteller. Er hatte Berufsverbot, sah sich zur Emigration gezwungen und wollte in das damalige Palästina auswandern. Seine Geliebte, Lenka Rosen, war ihm bereits vorausgereist. Doch als er die Nachricht von ihrem Tod erhält, verlässt ihn zeitweise aller Mut und Lebenswille.
Museum gab drei alte Bücher an jüdische Gemeinden zurück
Im Bestand des Jüdischen Museums hat ein Historiker Bücher entdeckt, die ursprünglich jüdischen Gemeinden in Frankfurt, Berlin und München gehörten. Dahin sollen die Bücher wieder zurück. Im Zuge des Projekts „Provenienzforschung“ schaut sich Sebastian Braun seit Juni 2020 die Objekte in der Sammlung des Museums genau an und erforscht ihre Herkunft. Die drei Ausgaben der „Populär-wissenschaftliche Monatsblätter. Zur Belehrung über das Judentum für Gebildete aller Konfessionen“ (19. Jahrhundert) gehörten bis zur Auflösung der Gemeinden in nationalsozialistischer Zeit laut Besitzstempeln im Buch den jüdischen Gemeinden in Berlin, Frankfurt am Main und München. Nach 1945 wurden Gegenstände, die früher im Besitz der jüdischen Gemeinden waren, von der „Jewish Cultural Reconstruction“ zusammengesucht (NS-Raubgut), in Depots gelagert, um sie ins Ausland zu bringen. Dazu gehörten lt. Eintragung in den Einbänden auch diese drei Bücher, um sie ins Ausland zu bringen. Warum sie dann doch in Deutschland blieben ist nicht bekannt. Der Dorstener „Verein für jüdische Geschichte und Religion“ hatte die drei Bücher Ende der 1980er-Jahre, für das damals noch geplante Museum erworben.
Neue Ausstellung im Jüdischen Museum zeigt besondere Kombination
Im Jüdischen Museum wurde Ende November 2022 eine besondere Ausstellung eröffnet. Künstler Abi Shek verbindet in seiner Ausstellung im Jüdischen Museum Westfalen Tierdarstellungen und landwirtschaftliche Elemente mit Werken jüdischen Inhalts. „Ich glaube, diese Kombination ist ganz neu“, sagte Museumsleiterin Kathrin Pieren. Sheks Hauptthema sind die Tiere und die Holzschnitte, die ein wichtiger Teil seiner Arbeit sind. Die jüdischen Werke sind nur ein Teil seiner Arbeit. Die jüdischen Ausstellungsstücke sind metallene Wandobjekte, die aus der Beschäftigung mit religiösen Traditionen und Schriften hervorgegangen sind.
Ausstellung blickt zurück auf die Verflechtung von Juden und Preußen
Vom Februar bis April 2023 zeigt das Museum die Ausstellung „Jüdisch? Preußisch? Oder was? Beziehungen und Verflechtungen im 18. und 19. Jahrhundert“. Im Zentrum der vom LWL-Preußenmuseum Minden entwickelten Ausstellung stehen die vielfachen Beziehungen zwischen Juden und der nicht-jüdischen Mehrheitsgesellschaft im preußischen Königreich, zu dem ab 1815 auch Westfalen gehörte. Die Ausstellung spricht Themen an wie Migration, Identität, sozialer Aufstieg, religiöse Praxis, Partikularismus und Universalismus, die auch heute relevant sind. Sie eignet sich daher auch für Schulen ab dem 9. Schuljahr.
Weltfrauentag: Musikpädagogin stellte jüdische Komponistinnen vor
Anlässlich des Weltfrauentags spielte die in der Ukraine geborene Pianistin und Musikpädagogin Margarita Feinstein am 8. März 2023 im Jüdischen Museum Westfalen, ausschließlich Kompositionen von jüdischen Komponistinnen wie Alice Santer, Jekaterina Tschemberdschi, Ruth Schonthal, Ludmila Schuljewa sowie Stücke aus ihrem eigenen Werk. Eingeleitet wurde der Abend von Kim Wiesweg, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Dorsten.
Klassikfestival PIANO! im Jüdischen Museum 2023/24
Das Europäische Klassikfestival wird seine Reihe „PIANO! – KlassikFAKTen“ im Jüdischen Museum Westfalen mit der Unterstützung durch das Museum und die Sparkasse Vest Recklinghausen langfristig fortsetzen. Es stehen zwei Konzerte mit den herausragenden Pianistinnen Oleksandra Makarova und Anna Karácsonyi auf dem Programm. Das erste Konzert (27. Oktober 2023) fand mit einem der größten Klaviertalente der Ukraine, der 19-jährigen und bei internationalen Wettbewerben hochdekorierten Ausnahmepianistin Oleksandra Makarova statt. Auf dem Programm standen Werke von Mozart, Schumann, Brahms, Debussy, Rachmaninow und Ravel. Zum Neujahrskonzert am 4. Januar 2024 wurde mit der 21-jährigen Pianistin Anna Karácsonyi ein Local Hero eingeladen. Geboren in Herten und aufgewachsen in Marl studiert sie an der „Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden“. Sie ist Gewinnerin einer Vielzahl internationaler Klavierwettbewerbe. Mit Werken von J. S. Bach, Beethoven, Schumann und Chopin wird sie das Jahr 2024 melodiös und harmonisch beginnen lassen.
Igal Avidan über das Zusammenleben von Juden und Araber in Israel
Mit seinem neuen Buch, „…und es wurde Licht! Jüdisch-arabisches Zusammenleben in Israel“, das rechtzeitig zum 75. Jahrestag der Staatsgründung erschienen ist, setzte der in Deutschland lebende israelische Journalist Igal Avidan (geboren 1962 in Tel Aviv) ein Zeichen der Hoffnung im ganz besonders heute aussichtslos scheinenden Nahost-Konflikt. Er schreibt dazu: „Gute Nachrichten sind selten eine Meldung wert – auch nicht, wenn sie in diesen Tagen aus Israel kommen.“ Am 12. November wurde im Jüdischen Museum aus dem Buch gelesen. Der israelische Journalist und Autor Igal Avidan berichtet, entgegen der üblichen Fernsehbilder, aus einer bewegten Gesellschaft, in der Juden und Araber längst ein Zusammenleben gefunden haben, das den Vorstellungen von ewigem Hass nicht entspricht. Gegenseitige Pogrome sind zwar an der Tagesordnung, gegenseitige Hilfe, Solidarität, Nachbar- und Freundschaft aber auch. Dieses Buch zeigt, dass die israelische Gesellschaft trotz allem dabei ist, zusammenzuwachsen. Igal Avidan wurde 1962 in Tel Aviv geboren und studierte in Israel Englische Literatur und Informatik sowie Politikwissenschaft in Berlin. Seit 1990 arbeitet der Nahostexperte als freier Berichterstatter aus Berlin für israelische und deutsche Zeitungen und Hörfunksender. 2017 erschien sein viel gelobtes Buch „Mod Helmy. Wie ein arabischer Arzt in Berlin Juden vor der Gestapo rettete“ (dtv). Das hier vorgestellte Buch „…und es wurde Licht! Jüdisch-arabisches Zusammenleben in Israel“ erschien im Mai 2023 im Berenberg Verlag (Quelle: Barabara Seppi in DZ vom 9. Nov. 2023).
2024 die jüdische Malerin Ruth Rebecca Fischer-Beglückter gewürdigt
Das Jüdische Museum präsentiert von Januar bis April 2024 eine Werkschau der Künstlerin Ruth Rebecca Fischer-Beglückter. Die Werke sind großformatig. In ihnen wohnt eine immense erzählerische Kraft inne, die sich im Laufe des Ausstellungs-Rundgangs mehr und mehr ins Abstrakte verdichtet. Begegnen den Betrachtenden im Untergeschoss des Jüdischen Museums Westfalen noch ebenso surreal wie düster anmutende und figurativ bestücke Bilder (auch ein Berggeist in südamerikanischer Fantasie-Bergwelt harrt dort seiner Entdeckung), wird es im Stockwerk drüber immer gegenstandsloser und verschwenderischer, schieben sich kräftig leuchtende Ölfarb-Reliefschichten energisch übereinander. Somit ist die große und chronologisch gestaltete Einzelausstellung der heute 96-Jährigen und bei ihrer Tochter in Spanien lebenden Künstlerin eine echte Entdeckungsreise.
Ruth Rebecca Fischer-Beglückter hatte ein „überaus spannendes und abenteuerliches Leben geführt“, wie die Museumsleiterin Pieren sich in der Dorstener Zeitung äußerte. Und diese bewegende Biografie hat sich immer wieder auch als Inspiration in ihrer Kunst niedergeschlagen. Beispiel in der Retrospektive sind zwei expressive Bilder aus der Serie „Noce de cristal“, in der sich die Künstlerin Jahrzehnte später mit der Reichspogromnacht auseinandersetzt, die sie als damals elfjährige Schülerin des jüdischen Reformgymnasiums in Köln 1938 miterleben musste. Ein Jahr später glückte ihrer alleinerziehenden Mutter mit Ruth Rebecca und ihren beiden weiteren Kindern die Flucht nach Chile. Ruth Rebecca nimmt später in Santiago ein Psychologie-Studium auf, meldet sich 1948 für den Unabhängigkeitskrieg Israels, lernt dort ihren Mann Enrique Rothschild kennen, der zwei Monate nach der Heirat an der Front stirbt. Sie kehrt nach Chile zurück, heiratet erneut, wird Mutter, beendet ihr Studium spät im Jahre 1970, wird Dozentin – und widmet sich schließlich komplett ihrer Kunst, mit der sie sich seit den frühen 1970er-Jahren beschäftigt. Die Auswirkung von Diktaturen musste Ruth Rebecca Fischer-Beglückter selbst noch ein weiteres Mal erfahren. Im August 1981, kurz nach ihrer ersten Ausstellung, verlässt sie Chile, weil ihr Schwager vom dortigen Pinochet-Regime inhaftiert wurde. Sie kehrt nach Europa zurück, lässt sich ihrer alten Heimatstadt Köln nieder und arbeitet dort quasi hinter verschlossenen Türen und unentdeckt weiter an ihrer Kunst (Quelle: Michael Klein in DZ vom 12. Jan. 2023).
Anlässlich Weltfrauentag 2024: Höhepunkte moderner Klassik
Es war eine Veranstaltung anlässlich des Weltfrauentages, die die ukrainisch-deutsche Pianistin Margarita Feinstein ins Jüdische Museum Westfalen führte. Feinstein hatte zu dieser Gelegenheit Kompositionen von vier jüdischen Komponistinnen mitgebracht. Eigentlich fünf, denn am Ende des Konzertes spielte sie auch ein Werk aus ihrer eigenen Feder. „Ein Weltfrauentag ist immer noch notwendig, immer noch werden Frauen Opfer ihrer Partner oder Ex-Partner, daran muss erinnert werden“, sagte die stellvertretende Gleichstellungsbeauftrage der Stadt Dorsten, Jacky Möllers, bei ihrer Begrüßung des Publikums. Immer noch gäbe es häufig weniger Geld für die gleiche Arbeit, als männliche Kollegen bekämen, und weniger Anerkennung. Letzteres merkte auch Feinstein an, Kompositionen von Frauen sind rar auf den Programmzetteln der Klassikkonzerte. „Dabei gibt es doch eigentlich nur gute und schlechte Musik, egal wer sie geschrieben hat.“ Werke von Frauen seien häufig sogar viel komplexer.
Ihre Auswahl, um dies zu untermauern, war exzellent. Feinstein widmete sich in diesem Programm der modernen Klassik, alle Schöpferinnen der Werke sind im 20. Jahrhundert geboren. Die bekannteste jüdische Komponistin, die Romantikerin Fanny Mendelssohn, kam daher nicht zum Zuge. Dafür außergewöhnlich starke expressive Klänge. Ruth Schönthal (1924-2006) mit Toccata und Arietta und Japanese Sketches, Alice Samters (1908-2004) Eskapaden für Klavier Nummer 3, Katja Tschemberdjis (geb. 1960) mit Haiku für Klavier und die Bilder aus Odessa von Ludmilja Schuljeva, geboren 1926, von der keine weiteren Quellen zu ihrem Leben nach 1972 bekannt sind, zeigten eindrucksvolle Tonkunst. A-tonale Passagen, Verknüpfungen zu verschiedenen Volksweisen, Brüche und Tastenexplosionen – und das alles in großartiger Ausführung durch Feinstein. Die Veranstaltung war nicht nur als Konzert konzipiert. Feinstein erzählte aus dem Leben der Musikerinnen, Geschichten von Exil, von Verfolgung und von der Problematik, rein von der Musik nicht leben zu können, sondern anderen Berufen nachgehen zu müssen (sep).
Europäisches Klassikfestival: Pianistin Fatima Dzusova war 2024 zu Gast
Zauberhafte Klavierklänge der Pianistin Fatima Dzusiva lockten am 6. Juni 2024 ins Jüdische Museum. Es war bereits das siebte Klavierkonzert des Veranstalters „Europäisches Klassikfestival“ im Jüdischen Museum, seit zwei Jahren präferiert der künstlerische Leiter Volker Zwetzschke den Saal an der Julius-Ambrunn-Straße für seine Reihe. Das Museum sei ein kultureller Anker für Dorsten, habe ein treues und engagiertes Stammpublikum, und „die jüdische Kultur ist ein fester Bestandteil Europas, darauf hinzuweisen ist uns ein Anliegen.“
Fatima Dzusova begann mit Franz Schuberts „Vier Impromtus“, und es wurde sehr schnell klar, warum sie eine international begehrte Künstlerin ist. Unglaubliche Präsenz am Flügel, technisch klarer Anschlag, gepaart mit einem intensiven Gefühl, eine virtuose Schnelligkeit. Schwindelerregendes Tempo im zweiten Satz, perlende, plätschernde Wasserfälle im dritten. Ein Genuss. Claude Debussy „Suite Bergamasque“ mit dem „Claire de Lune“, eines der wohl bekanntesten Stücke des Komponisten, verwandelte den blau ausgeleuchteten Saal in ein Traumland. Zusammen mit Volker Zwetzschke wurde das Voer-Hände Dzück „Norwegische Tänze“ von Edvard Grieg geboten. Zum Abschluss gab es von Dzusova Franz Liszts „Six grande études de Paganini“. Noch einmal rasendes Tempo auf den Tasten, so wie einstmals der italienische Maestro auf der Geige, das Publikum applaudierte mit stehenden Ovationen und bekam den „Liebestraum“ von Liszt als Zugabe. – Zwetzschke und sein Europäisches Klassikfestival gastieren am 9. Oktober 2024 wieder im Jüdischen Museum.
Europäische Tage der Jüdischen Kultur 2024
Der jüdische Friedhof bei Dorsten, bekannt unter dem Namen Judenbusch, wurde erstmals im Jahr 1628 erwähnt. Von 1815 bis 1941 gab es dort ungefähr 80 Bestattungen. Anlässlich der Europäischen Tage der Jüdischen Kultur, die am 1. September 2024 beginnen, organisiert das Jüdische Museum Westfalen eine Führung auf diesem Friedhof. Teilnehmer können dabei mehr über die hebräischen Inschriften und Symbole auf den Grabsteinen lernen sowie Kurzbiographien der dort bestatteten Menschen aus Dorsten erfahren. 2024 waren die Veranstaltungen dem Thema „Familie“ gewidmet. Bereits am ersten Tag dieser europaweiten Veranstaltungsreihe bot das Jüdische Museum Westfalen eine Führung auf dem Jüdischen Friedhof in Dorsten an. Eine offene Führung durch die Sonderausstellung folgt eine Woche später. Am 1. September wurde vormittags der Jüdische Friedhof an der Hasselbecke im Judenbusch besucht. Die erste urkundliche Erwähnung des Friedhof erfolgte im Jahr 1628. Zwischen 1815 und 1941 fanden rund 80 Bestattungen statt. – Am 8. September führte die Sammlerin Tanya Rubinstein-Horowitz durch die aktuelle Sonderausstellung „Shtetl – arayn un aroys“ des Museums. Kunst der jüdischen Renaissance aus der Sammlung Rubinstein-Horowitz. Sie erläuterte einzelne Werke eingehend erläutern und erzählte von ihrer Sammelleidenschaft.
Weltklasse-Pianistin Anna Malikova gastiert im Jüdischen Museum
Das Europäische Klassikfestival freut sich, im Rahmen seiner Reihe „PIANO! – KlassikFAKTen“ im Jüdischen Museum am 9. Oktober ab 19.30 Uhr Anna Malikova, eine der „großen Pianistinnen unserer Zeit“, begrüßen zu dürfen. Die Weltkarriere der in Usbekistan geborenen Pianistin begann 1993 mit dem Gewinn des ARD-Wettbewerbs in München, bei dem ihr der 1. Preis zuerkannt wurde – zur damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit und eine ganz besondere Auszeichnung. Die nächsten 25 Jahre waren dann ein einziger Triumphzug über nahezu alle Bühnen dieser Welt auf fünf Kontinenten nebst einer Vielzahl von CD-Produktionen, bis Anna Malikova sich 2018 dann entschloss, eine Professur an der renommierten Universität für Musik und darstellende Kunst Wien anzunehmen und eine Solistenklasse zu betreuen. Die Veranstalter sind sehr glücklich, dass es ihnen auch dank der Unterstützung durch die Sparkasse Vest Recklinghausen gelungen ist, eine solche Pianistin ins Jüdische Museum, zu holen, wie sie in ihrer Pressemitteilung betonen. Auf dem Programm stehen Werke von Domenico Scarlatti – Fünf Sonaten, Anatoli Ljado – Préludes (Auswahl), Walzer op. 9/1, Musikalische Spieldose op. 32, Drei Klavierstücke op. 57 und Frédéric Chopin – Walzer op. 42, Drei Mazurken op. 59, Variationen op. 2 über das Thema „La ci darem la mano“ von W. A. Mozart. – Karten gibt es zu VVK-Preisen von 20, ermäßigt 15 Euro (AK-Zuschlag 3 Euro) bei der Stadtinfo Dorsten, Lippestraße 41, sowie zuzüglich Systemgebühren unter www.eu-klassikfestival.de und in allen Eventim-Ticketshops.
Museum suchte 2024 „Führungskräfte“ – Gute Einarbeitung ist gewährleistet
Das Jüdische Museum Westfalen suchte im September 2024 nach neuen freien Mitarbeitenden, um sein Führungsteam zu ergänzen. Hauptzielgruppe des Museums sind Schüler, allerdings nutzen auch Erwachsene, Vereine und andere Interessengruppen das Führungsangebot des Museums. Das hauptamtliche Vermittlungsteam benötigt Unterstützung, um das große Volumen an Führungen bewältigen zu können. Die neuen Teammitglieder werden sich vor allem um die Betreuung von Schulklassen kümmern. Dazu gehören Führungen durch die Dauerausstellung sowie die Durchführung von Workshops zu Themengebieten wie jüdische Religion und Geschichte, Antisemitismusprävention, Zivilcourage und Erinnerungskultur. Interessierte Bewerber sollten Grundkenntnisse oder ein Interesse an der jüdischen Religion und dem jüdischen Leben in Deutschland mitbringen. Die Arbeit erfolgt auf Honorarbasis, wobei der Einsatz nach Bedarf und auf Rechnungsstellung der Honorarkraft erfolgt. Die Einarbeitung in die Aufgaben erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem hauptamtlichen Team.
Sichtbare Überwachung des Museums mittels Streifenwagen
Unmittelbar nach dem versuchten Angriff auf die Synagoge in Halle an der Saale und den tödlichen Schüssen eines Rechtsradikalen im Oktober 2019 Woche wurde bundesweit die Polizeipräsenz vor jüdischen Einrichtungen verstärkt. Nach Angaben des Innenministeriums stehen seitdem in Nordrhein-Westfalen 67 jüdisch-israelische Einrichtungen unter Polizeischutz. Auch das Jüdische Museum in Dorsten wird rund um die Uhr von Polizeibeamten in einem gut sichtbaren Streifenwagen an der Wall- und Grabenanlage bewacht. Bereits nach der Eröffnung des Museums im Jahr 1992 wurde das Museum mit einem Streifenwagen, der direkt vor dem Haus stand, ebenfalls ohne direkten Anlass monatelang für alle sichtbar bewacht. In einem Gespräch des Vorstandsmitglieds Wolf Stegemann mit der Polizeibehörde wurde die sichtbare Überwachung eingestellt.
Siehe auch: Jüd. Museum (Übersicht)
Siehe auch: Jüd. Museum III
Siehe auch: Jüd. Museum I
Siehe auch: Jüd. Museum: Altgebäude
Siehe auch: Dr. Kathrin Pieren
Siehe auch: Dr. Norbert Reichling
Siehe auch: Wolf Stegemann
Grundsätzliche Berichtigung 2018: In Interviews, Berichten, Essays über das 1992 eröffnete Jüdische Museum Westfalen in Dorsten wird Sr. Johanna Eichmann – nicht immer, aber immer wieder– als einzige Gründerin genannt; manchmal sogar die Ursulinen. Das war und ist falsch. Richtig ist, dass das Museum von den Mitgliedern der Forschungsgruppe Dorsten unterm Hakenkreuz gegründet wurde, die jahrelang unter Leitung von Wolf Stegemann stand. Dieser hatte auch die inhaltliche und technische Konzeption des Museums (über Gründung eines Vereins) entworfen und in der (lokal- und landespolitischen) Öffentlichkeit durchgesetzt und die Realisierung überwacht. Sr. Johanna, die 1982 zur Forschungsgruppe stieß, die damals noch „Arbeitskreis zur Erforschung der jüdischen Gemeinde“ hieß, eine Initiative von Dirk Hartwich und Wolf Stegemann, wurde zur Eröffnung des Museums 1992 als Museumsleiterin eingesetzt. Im Eingangsbereich des Museums befand sich noch einige Jahre nach Gründung eine Tafel, auf der Sr. Johannas Name noch als einer von fünf Namen der Gründer stand. Die Tafel wurde irgendwann entfernt.
Literatur (Auswahl): Wolf Stegemann/Sr. Johanna Eichmann OSU „Jüdisches Museum Westfalen. Dokumentationszentrum und Lehrhaus für jüdische Geschichte und Religion in Dorsten“, Dorsten 1992. – Wolf Stegemann/Anke Klapsing „Spuren sichern und erhalten“ in „Spurensuche. Eine jüdische Gemeinde, die nicht mehr besteht“, Essen 1990. – Wolf Stegemann/Anke Klapsing „Jüdisches Museum in Dorsten“ in „Kirche und Schule“, Nr. 90, Münster 1994. – Bundeszentrale für politische Bildung „Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation“, Bonn 1995. Katalog „Von Bar Mitzwa bis Zionismus“, Bielefeld 2007.