Jüd. Museum: Altgebäude

Interessante Sozialgeschichte eines Hauses aus dem 19. Jahrhundert

Jüd. Museum: Altgebäude – heutige Ansicht, Foto: JF

Wohnhaus, Bank, Heimatmuseum, NSDAP-Gau-Haushaltungsschule, Militärquartier, Flüchtlingsherberge, Obdachlosenasyl und heute Jüdisches Museum Westfalen. – Das zweieinhalb Stockwerke große massive Steingebäude am Bismarckwall 13 (später Südwall und heute Julius-Ambrunn-Straße 1, seit 1992 jüdisches Museum, wurde Ende des 19. Jahrhunderts gebaut. Die Bauakte ging im letzten Krieg verloren. Bauherr und Erstbesitzer war die Familie Hoffstätter (heute Mülheim/London). Nach Hoffstätter (oder später) übernahm die Dorstener Stadtsparkasse das Gebäude. Als die Kreis- mit der Stadtsparkasse Dorsten zusammengelegt wurde, die bis dahin Kassenräume in dem Haus unterhielt, war das Gebäude für die Bank überflüssig geworden. Es ging 1921 in das Eigentum der Stadt über, der es heute noch gehört. Den im Haus wohnenden Mietern, die Familien Hoffstätter, Rive und Fiege, wurde gekündigt, denn 1931 eröffnete in dem Haus das Dorstener Heimatmuseum, welches vier Jahre in das Alte Rathaus am Markt umzog.

Das spätere jüd. Museumsgebäude als Gau-Haushaltungsschule in der NS-Zeit

Das spätere jüdische Museumsgebäude als Gau-Haushaltungsschule in der NS-Zeit

NSDAP-Gau-Haushaltungsschule bis 1939

1935 bis zum Kriegjahr 1939 war in dem Gebäude die Gau-Haushaltungsschule der NS-Frauenschaft untergebracht. Das städtische Gebäude wurde von der NS-Volkswohlfahrt, eine Einrichtung der NSDAP, verwaltet, die es an die NS-Frauenschaft für 60 Reichsmark monatlich vermietete. Auf dem 30-stündigen Wochenprogramm standen Kochlehre, praktisches Kochen und Staatsbürgerkunde im Sinne der NSDAP. 1938 erhielt die Schule, zu der auch eine Viehwirtschaft gehörte, auf Antrag die offizielle Anerkennung als Privatschule. Sie wurde als „Haushaltungsschule (Berufsfachschule) des Deutschen Frauenwerks, Gaustelle Westfalen-Nord“ geführt. Geleitet wurde sie von Gertrud Schreckenberg. Im Hause wohnte die Lehrerin Hedwig Holtkotte (Adressbuch 1936).
Der Beginn des Zweiten Weltkriegs beendete den Betrieb als Haushaltungsschule, denn die Wehrmacht beschlagnahmte das Gebäude, in dem eine Flugabwehrabteilung Quartier bezog. Daher kündigte die NSDAP-Gaustelle Westfalen-Nord trotz Wehrmacht-Beschlagnahme das Mietverhältnis und wollte es erst nach dem Endsieg wieder aufnehmen. Doch aus dem Endsieg wurde bekanntlich nichts. Das Militär kündigte im Oktober 1944 das Mietverhältnis, so dass das Wohnungsamt der Stadt bereits Pläne für die Neubelegung des Hauses erarbeitete: Einziehen sollte der stellvertretende Amtsarzt Dr. Schute sowie die durch Bombardierung obdachlos gewordenen Familien Pasterkamp, Baumann und Große-Gung.

Bombardierung der Stadt 1945 überstanden

Das Gebäude überstand als eine der wenigen Häuser der Innenstadt den großen Bombenangriff vom 23. März 1945. Danach wurden Ausgebombte und jahrelang Flüchtlinge einquartiert, auch Obdachlose. Das Gebäude verkam immer mehr, bis die Stadt es abreißen lassen wollte. Dazu kam es aber nicht. Mitte der 1980er-Jahre wollten Dorstener Künstler das Gebäude als „Cunst-Haus“ einrichten, wozu die Stadt keine Genehmigung erteilte. Daraufhin stellte 1987 der von der Forschungsgruppe „Dorsten unterm Hakenkreuz“ gegründete Verein „Dokumentationszentrum für jüdische Geschichte und Religion in der früheren Synagogenhauptgemeinde Dorsten im Kreis Recklinghausen e. V.“ (spätere Trägerverein für das Jüdische Museum Westfalen) den Antrag, in dem zu sanierenden Gebäude das jüdische Museum einzurichten. Die Stadt genehmigte den Antrag. Die Finanzierung des Umbaus und die Einrichtung des Museums wurden hauptsächlich vom Land, von der Stadt, vom Kreis und von der NRW-Stiftung übernommen. 1992 wurde es eröffnet und 2002 ein moderner Anbau errichtet.

Siehe auch: Jüd. Museum (Übersicht)
Siehe auch: Jüd. Museum III
Siehe auch: Jüd. Museum I
Siehe auch: Jüd. Museum II
Siehe auch: Dr. Kathrin Pieren


Quellen:
Wolf Stegemann in „Schalom“-Bauzeitung, Juni 1992. – Anke Klapsing „Blickpunkt Südwall 13: Ewald und Christa Setzer schrieben einen Beitrag zur Geschichte des Gebäudes…“ in DZ vom 5. Dezember 2012.

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