Industriekultur

Route: Zollverein Essen – Wirtschaftsstandort mit enormer Anziehungskraft

Das Unesco-Welterbe Zollverein in Essen ist einer der bekanntesten und meist besuchten 27 Ankerpunkte der Route Industriekultur. Kaum ein Ruhrgebietsbewohner war noch nicht in einem der Museen auf dem Gelände, in der Mitmachzeche, der Untertagewelt, im Werk-Freibad oder auf der Eisbahn. Am 14. Dezember 2001 wurde „die schönste Zeche der Welt“, wie nicht nur Essener Zollverein nennen, einstimmig zur 25. Welterbestätte in Deutschland ernannt. Der Einsatz, die Denkmalwürde zu erlangen, war von 1986 bis 2000 das Leitprojekt der Internationalen Bau-Ausstellung Emscher Park. Während die Untertage-Mannschaften am 23. Dezember 1986 zum letzten Mal ausfuhren, stand Schacht XII bereits unter Denkmalschutz. NRW-Bauminister Christoph Zöpel hat mit seinem Beschluss dafür gesorgt, dass Schacht XII vollständig erhalten geblieben ist.

Die Anfänge der Zeche Zollverein waren im wahren Sinne steinig

Vom Beginn der Abteufarbeiten 1847 bis zur Aufnahme der gewerblichen Kohleförderung vergingen vier Jahre, in denen Ingenieure und Abteufmannschaft gegen zulaufende Wasser kämpfen mussten. Zwischen 1880 und 1914 expandierte die Zeche; da waren schon längst die umliegenden Bergmann-Siedlungen bewohnt. Nach und nach wurden nach Zollverein sieben weitere Schächte abgeteuft und drei weitere Anlagen innerhalb von nur anderthalb Jahrzehnten gebaut.

Nach 135 Jahre kam im Jahr 1986 das Aus für die Zeche Zollverein

Bereits ab 1890 förderten die Zollverein-Anlagen jährlich eine Million Tonnen reine Steinkohle, zwischen 1880 und 1901 war sie die leistungsstärkste Zeche des Reviers. Diese Position büßte Zollverein im Ersten Weltkrieg ein, aber nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen Kohlenförderung und -verarbeitung wieder Fahrt auf – für den Wiederaufbau wurde Kohle dringend benötigt – und erreichte in den 50ern erneut Spitzenleistungen. Westlich der Gründeranlagen und Schacht XII entstand die neue Zentralkokerei Zollverein. 1961 wurde dort der erste Koks gedrückt. Nach der Erweiterung in den 1970er-Jahren war die Kokerei Zollverein die größte Anlage in Europa.
Aber in den 1970er- und 80er-Jahren wanderte der Bergbau weiter nach Norden. Und so war Zollverein Anfang der 80er-Jahre die letzte von 291 Essener Zechen und wurde 1983 mit der Gelsenkirchener Zeche Nordstern zusammengelegt. In diese Phase fiel der Stilllegungsbeschluss. 135 Jahre nach der Inbetriebnahme kam am 23. Dezember 1986 das Aus für die Zeche Zollverein. Das Land NRW erwarb die Immobilie Zollverein Schacht XII und gab ein Nutzungskonzept in Auftrag. 1990 begann die Sanierung der Anlage, die unter dem Motto „Erhalt durch Umnutzung“ den Strukturwandel in der Region deutlich machen sollte. Der Strukturwandel stand 2010 wieder im Fokus, als auf dem Welterbe die Kulturhauptstadt „Essen und das Ruhrgebiet“ eröffnet wurde. Einen stimmungsvolleren und schöneren Ort für die Eröffnung im Januar 2010 im Schnee, hätte es nicht geben können. Und ohne das Welterbe wäre die Bewerbung wahrscheinlich gescheitert.

Die ehemaligen Gebäude der Produktionsachse blieben erhalten

In ihnen lässt sich nachverfolgen, wie Rohkohle zu einer verkaufsfertigen Produktpalette aufbereitet wurde. Mit dem Design Zentrum NRW und dem Casino erhielt Zollverein Schacht XII 1996 zwei neue Besucherattraktionen. Heute ist das ehemalige Kesselhaus Präsentationsort des Red Dot Design Museums, und das Casino Zollverein ein Restaurant. Die Kokerei Zollverein war von der Stilllegung der Zeche zunächst nicht betroffen, sie produzierte noch sieben Jahre weiter; erst am 30. Juni 1993 wurde der letzte Ofen gedrückt, und ab 1998 wurde die Kokerei saniert. Seither sind Mischanlage und die Anlagen auf der Schwarzen Seiten Orte für Ausstellungen und Theateraufführungen. 1999 endete die Dekade der IBA Emscher Park. Das Abschlussjahr fiel mit dem Gründungsjahr der Route der Industriekultur zusammen. Zwischen 2002 und 2010 wurden dann die Kohlenwäsche saniert, das Sanaa-Gebäude für die Folkwang-Uni errichtet und die ersten Freiflächen gestaltet. Spektakulär war der Umbau der ehemaligen Kohlenwäsche von Schacht XII. Das Gebäude erhielt die berühmte orangene Rolltreppe, auf der Gäste ins Besucherzentrum Ruhr fahren. Die Räume unterhalb des Besucherzentrums beherbergen seit dem Kulturhauptstadtjahr auf drei Ebenen das Ruhr Museum.

1,5 Millionen Besucher

Die Sauger- und Kompressorenhalle der Kokerei eröffnete 2016 als Veranstaltungshalle, und das Kammgebäude ist Büro und Atelier für Unternehmen der Digital- und Kreativwirtschaft. Der 70 Hektar Geschichte, Kultur und Natur können die Besucher auf dem Zollverein-Gelände erkunden. Mit mehr als 500 Veranstaltungen jährlich hat das Welterbe, das mit 150 dort beheimateten Unternehmen auch ein bedeutender Wirtschaftsstandort ist, eine enorme Anziehungskraft. Rund 1,5 Millionen Menschen besuchen das Welterbe jedes Jahr – den „Eiffelturm des Reviers“.

Siehe auch: Industriepark Große Heide
Siehe auch: Industriekultur (Arikelübersicht)


Quelle: Julia Gaß in RN (DZ) vom 31. August 2024

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