I-Dötzchen – Bildungsdefizite

In Bildungsstudien schneiden Grundschüler immer schlechter ab

Immer mehr Kinder in NRW starten mit Defiziten in die Schule – Experten fordern deshalb verbindliche Bildungsstandards für Kitas. Doch es gibt auch Kritik: Droht eine Verschulung der frühkindlichen Bildung? Kitas in NRW sollten für ihre Arbeit verbindliche Bildungsziele oder Qualitätsstandards vorgesetzt bekommen, und es sollte unabhängig bewertet werden, ob und wie gut sie die Vorgaben umsetzen. Dafür plädieren Experten in Stellungnahmen, die sie für den nordrhein-westfälischen Landtag verfasst haben. 50 bis 80 Prozent der Leistungsunterschiede in der Grundschule ließen sich auf das Vorschulalter zurückführen, erklärt etwa Katharina Kluczniok, Professorin für frühkindliche Bildung in Berlin. Für sie ist die Sache daher eine Frage der Bildungsgerechtigkeit: „Kinder, die eine qualitativ hochwertige Kita besuchen, profitieren in ihrer sozialen, emotionalen und sprachlichen sowie kognitiven Entwicklung sowohl kurz- als auch langfristig.“ Zwar gebe es in NRW sogenannte Bildungsgrundsätze für die Frühkindliche Bildung. „Allerdings fehlt bislang – wie in anderen Bildungsplänen der Länder auch – eine gewisse Verbindlichkeit in der Umsetzung.“

In NRW haben immer mehr angehende i-Dötzchen-Defizite

Der Landtag hat die schriftlichen Einschätzungen von Experten eingeholt, um auf dieser Grundlage zu beraten, ob sich an der Arbeit in Kitas etwas ändern muss. Der Anlass dafür: In NRW haben immer mehr angehende i-Dötzchen-Defizite. So wurden zum Schuljahr 2023 fast 5700 Kinder um ein Jahr zurückgestellt, 2019 waren es gut 3200 gewesen – ein Anstieg um rund 77 Prozent. Zudem gibt es immer mehr Sprachprobleme: Rund ein Drittel aller Kinder waren davon betroffen. Und: In Bildungsstudien schneiden Grundschüler immer schlechter ab. Offenbar fehlt es also an Grundlagen. Nötig sei, „verbindlich und bundeseinheitlich, ein Qualitätsmanagementsystem in den Kitas“, fordert das große Kita-Trägerunternehmen Fröbel. Mit Ausnahmen von Ländern wie Schleswig-Holstein und Berlin, „die immerhin bereits einzelne Daten zur Qualität im Kitasystem erfassen“, werde dies deutschlandweit „vollkommen vernachlässigt“.

Es gibt allerdings auch Gegenwind aus der Forschung

Petra Büker, Professorin für Grundschulpädagogik und frühe Bildung an der Universität Paderborn, warnt vor einer Verschulung mit Lehrstoff wie Buchstaben- und Zähltrainings. Man bevorzuge in Deutschland eine Pädagogik, die sich an den Bedarfen des Kindes orientiere. Und dies mit gutem Grund, nämlich seit „dem Vorliegen der ernüchternden Ergebnisse der Bildungsreform in den 1970er-Jahren“, wie sie schreibt. NRW verfüge über „fachlich zeitgemäße Bildungsgrundsätze“ und über anerkannte Verfahren zur Förderung, „für deren flächendeckende Umsetzung in Kita und Grundschule jedoch an vielen Stellen die Voraussetzungen fehlen“, erläuterte sie. „So ist es erforderlich, überhaupt erst einmal jedem Kind einen wohnortnahen Kitaplatz zur Verfügung zu stellen.“ Kita-Träger Fröbel bemängelt, dass Hürden und Mängel gerade jene Kinder am härtesten treffen, die Unterstützung am nötigsten hätten. „Immer weniger Kinder mit Migrationshintergrund besuchen eine Kita“, kritisiert das Unternehmen. „Viele Familien in Brennpunkten sind wegen Verständnisbarrieren nur schwer oder gar nicht für Kitas und Kommunen erreichbar.“ Man beobachte eine Abwärtsspirale, der die Politik entgegenwirken müsse. Etwa mit einem verpflichtenden Vorschuljahr zur Sprachförderung.
Die Bonner Ketteler-Grundschule fördert seit zehn Jahren Kita-Kinder im Halbjahr vor der Einschulung mit festen Wochenstunden. Das Fazit der Pädagogen: „Ein verpflichtendes Vorschuljahr sollte eingeführt werden, welches an der Schule verortet sein muss, damit die verpflichtende Teilnahme ausgesprochen werden kann und bei unentschuldigtem Fehlen gegebenenfalls Bußgelder verhängt werden können.“ Die Entwicklungsfortschritte der Kinder seien wissenschaftlich belegbar.

Siehe auch: Schulwesen (Artikelübersicht
Siehe auch: Grundschulen: Offener Alltag
Siehe auch: Grundschulen: Lehrkräfte


Quelle: Sina Zehrfeld in RN (DZ) vom 15. Februar 2025

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