Erst Hagenbecker Kirchspiel, dann Dorf und heute Dorstener Stadtteil
Der heute rund 13.750 Einwohner große und 1943 nach Dorsten eingemeindete Stadtteil wurde – wie Hervest – im 6. und 7. Jahrhundert von Einzelhöfen besiedelt. Das geht aus topografischen, siedlungs- und ortsnamentlichen Kriterien hervor. Bereits in den Jahren 7 und 11 v. Chr. sind hier römische Marschlager nachgewiesen. In schriftlichen Quellen wird Holsterhausen mit dem Adelshof Hagenbeck und der gleichnamigen Bauerschaft erst nach 1100 erwähnt. So sind im Heberegister des Werdener Oberhofs Schermbeck-Rüste aus dem Jahr 1150 zwei Hofinhaber „in Hagenbeke“ (gem. ist die Bauerschaft) registriert. Das Rittergut Hagenbeck ist im Jahre 1217 erstmals urkundlich erwähnt. Da die Kapelle „in area Holsterhusen“ im Jahre 1443 Pfarrrechte erhielt, die Pfarrkirche wurde im selben Jahr erbaut, entwickelte sich aus der Bauerschaft Hagenbeck, die ehemals zum Kirchspiel Hervest gehörte, der Kirchort Holsterhausen mit zwölf schatzungspflichtigen (steuerpflichtigen) Haushalten (1498), um 1600 mit 23 schatzungspflichtige Hofstätten und Wohnhäusern, 1805 mit 34 Haushalten, das sind rund 249 Einwohner. Die Geistlichen waren steuerfrei.
Wennemar von Heyden wurden die Patronatrechte übertragen
Eine dem hl. Einsiedler Antonius geweihte Kapelle, mit der das Begräbnisrecht verbunden war, bestand bereits, bevor der münstersche Bischof Heinrich von Mörs 1443 der Kapelle Pfarrrechte verliehen hatte. Dem Pfarrer der Mutterkirche Hervest wurde damals als Entschädigung ein jährlicher Kanon von fünf Maltern Weizen zugesichert. Dem Besitzer von Haus Hagenbeck, Wennemar von Heyden und seinen Nachfolgern wurden die Patronatsrechte übertragen. Wennemar von Heyden hatte der neuen Pfarrei den Hof Bucke überwiesen, der Dorstener Bürger Johann Bley schenkte der neuen Gemeinde eine jährliche Rente von zehn rheinischen Gulden aus einem Kampe, der an der Lippe gelegen war. Blubbert von Heyden stiftete 1496 die St. Anna-Vikarie zu Holsterhausen. Es wurde damals verbrieft, dass die stiftungsmäßigen Messen auf Wunsch des Besitzers von Hagenbeck in der in der Burg eingerichteten Kapelle gelesen werden konnten. 1582 war die Vikarie ganz nach dort verlegt worden. Als aber fünf Jahre später zur Zeit des Spanisch-niederländischen Kriegs spanische Soldaten das Dach der Kirche und des Turmes durch Brand zerstört hatten, hat man nach dem bald darauf erfolgten Tod des Inhabers der Vikarie dem Pfarrer übertragen, um so die Mittel zur Wiederherstellung des Gotteshauses zu gewinnen. Diese Vikarie-Vereinigung blieb bis 1665 bestehen. Von 1858 bis 1878 war die Vikarie mit der Schule zusammengelegt gewesen.
Industriegemeinde geworden – daher die Ortsteile Dorf und Kolonie
Der Wiederaufbau der alten Antoniuskirche ist erst 1618 zum Abschluss gekommen. Das Kirchenschiff, das bei dem Brand erhalten geblieben war, hatte bis 1870 Rundbogenfenster. Sechs Grabsteine von Angehörigen der auf Haus Hagenbeck eingesessenen Familie (siehe Hagenbeck) aus der Zeit von 1542 bis 1632 sind heute durch den Bodenbelag bedeckt. Seit 1915 dient diese alte Kirche als Jugendheim, da 1912/13 eine neue Pfarrkirche erbaut wurde, ein Werk des Düsseldorfer Architekten Kaufhold. Im Ersten Weltkrieg wurden die Glocken durch Stahlglocken ersetzt. – Das erste Schulgebäude wurde 1814 errichtet. Infolge des Anwachsens der Bevölkerung wurde 1922 der Rektoratsbezirk St. Bonifatius abgezweigt und für diesen eine Notkirche errichtet. Die evangelische Gemeinde, die 1911 eine eigene Schule und seit 1913 auch ein Schulgebäude hatte, errichtete 1923 an der Königsstraße (heute Martin-Luther-Straße) die Martin-Luther-Kirche. Im heutigen Bereich Maria Lindenhof entstanden in der Nähe der Lippebrücke die Gebäude der Krankenanstalt für Epileptiker und Schwachsinnige, Maria Lindenhof, die von den Barmherzogen Brüdern von Montabaur errichtet und mit rund 400 Pfleglingen betrieben wurde. Nach einem Aufsehen erregenden Propaganda-Sittlichkeitsprozess gegen die Mönche musste im Jahr 1937 die Anstalt geschlossen werden.
In der Weltwirtschaftskrise 1931 zur Notstandsgemeinde erklärt
Holsterhausen gehörte zur Herrlichkeit Lembeck, kam mit ihr in der napoleonischen Zeit zu Frankreich, danach zu Preußen. 1912 konnte mit der planmäßigen Kohlenförderung auf der in Holsterhausen errichteten Zeche Baldur begonnen werden. Durch Ansiedlung von Zechenarbeitern aus dem Osten und Errichten von anderen Industriebetrieben (Bleicherei Paton, Keramitwerk, Rheinisch-Westfälische Stahlwerke u. a) entwickelte sich aus dem ländlichen Dorf ein Industrieort, was die gesamte Sozialstruktur nachhaltig veränderte. Die Einwohnerzahl, die 1855 nur 331 und auch 1990 nur 682 betrug, ist durch die Kohlenindustrie bis 1910 auf 1.442, bis 1915 auf 3.951, bis 1920 auf 5.007, bis 1927 auf 6.140 gestiegen. Die Gemeinde war unterteilt in das Dorf Holsterhausen und in den Teil der Kolonien. Noch in der Nachkriegszeit – zum Teil auch heute noch – wurde im Sprachgebrauch zwischen Dorf und Kolonie deutlich unterschieden. Die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise erfasste 1930 auch das Ruhrgebiet mit verheerenden Folgen für die Bergbaubetriebe. Nach Stilllegung der Zeche „Baldur“ 1931 verfiel die Gemeinde in höchste wirtschaftliche Not. 1943 verlor Holsterhausen die Eigenständigkeit und kam zusammen mit Hervest-Dorsten als Stadtteil zu Dorsten.
Borkener Straße: Eine harte Nuss für Verkehrsplaner
Die Borkener Straße (B 224) ist eine stark befahrene Bundesstraße und im Holsterhausener Ortsbereich zwischen der von ihr abgehenden Martin-Luther-Straße und der Heinrichstraße/Waldstraße eine unfallträchtige Straße. Immer wieder geschehen dort vor allem wegen der Ein- und Ausfahrt-Situationen zu Parkplätzen an der Straße vor den Einkaufsbereichen Unfälle, weil sie Situation nicht gut ein- und übersehbar ist. Erst im März 2019 wurde ein 81-jähriger Radfahrer von einem PKW schwer verletzt. Das verkehrstechnische Problem an einem kurzen Stück der Borkener Straße sind zu- und abfahrenden Verkehre der dort geballt befindlichen Einkaufsläden, Arztpraxen, Tankstelle, Kino und Discounter und die zur Borkener Straße hin vorgelagerten Parkplätzen und zudem die Parkstreifen links und rechts entlang der Straße, an der auch Radwege die besondere Aufmerksamkeit der Autofahrer beanspruchen. Dazu kommt, dass die Borkener Straße als Bundesstraße den Zweck der Ortsdurchfahrt Holsterhausen mit durchfließendem Verkehr erfüllt, darunter viele große LKW. – Eine Lösung dieser hochkomplexen verkehrlichen Situation ist bislang nicht in Sicht. Die Parkplätze für Kunden müssen bleiben, der alter Baumbestand wegen Feinstaubbindung, Lärmschutz, Umwandlung von CO2 in Sauerstoff ebenso. Verbleibt für alle Verkehrsteilnehmer „ständige Vorsicht und Rücksichtnahme in besonderem Maße walten lassen“, so der Stadtsprecher gegenüber der „Dorstener Zeitung“.
Pläne für großes Neubaugebiet zunächst ausgesetzt
130 Wohneinheiten, vornehmlich in Ein- und Zweifamilienhäusern, sahen 2008 angefertigte Pläne der Stadt für ein Neubaugebiet in Holsterhausen vor. Doch die Planung dieses Neubaugebietes „Dunkenbre“ an der Borkener Straße am Ortsausgang wurde im Frühjahr 2021 zunächst verschoben. Das Baugebiet, das sich damals im Besitz der Gesellschaft „Thyssen Krupp Real Estate“ befand, sollte in mehreren Abschnitten entwickelt werden. Dass die verkehrliche Anbindung über Luisenstraße und Heinrichstraße erfolgen sollte, bereitete zwar seinerzeit einigen Lokalpolitikern Bauchschmerzen, dennoch gaben sie den Plänen der Stadtverwaltung grünes Licht. In Dorsten nicht unüblich. Im Laufe der Jahre hatte es aber einige Entwicklungen gegeben. Die „Dorstener Zeitung“ zitierte die Verwaltung: „Die zuletzt angedachte abschnittsweise Entwicklung mit einer Planungsmehrwertabschöpfung konnte wegen der Veräußerung der Fläche im Rahmen eines umfangreichen überregionalen Immobiliengeschäftes nicht weiter verfolgt werden.“ In Holsterhausen seien in den vergangenen Jahren mehrere Wohnbaugebiete entwickelt worden. Die Verwaltung: „Dies spricht dafür, hier zunächst auszusetzen. Mit dem derzeitigen Eigentümer wurde daher eine zeitliche Verschiebung vereinbart.“ Zu einem späteren Zeitpunkt soll erneut entschieden werden, in welchen Abschnitten das Baugebiet gemäß Flächennutzungsplan entwickelt werden soll, ob es bei dem ursprünglich geplanten „Vorrücken“ in die freie Landschaft bleibt und welche städtebauliche Konzeption verfolgt werden soll (Haus- und Wohnungstypen, Dichte und so weiter).
Wappen: Ein rotes Schild wird waagrecht von zwei goldenen Wellenlinien durchzogen, die von drei goldenen Ringen, zwei über und einer unter der Wellenlinie stehen. Es wurde 1935 dem Wappen der Familie von Hagenbeck nachempfunden.
Pfarrer Herolds Holsterhausen-Lied von 1931
Die Melodie entlehnte er dem Lied „Studio auf seiner Reis’“. Es soll gerne in Vereinen und bei Ausflügen im Marschtempo gesungen worden sein. Seine in diesem Lied ausgedrückten Wünsche nach Stadtwerdung, Rathaus, Eisenbahn und Stadttheater wurden nicht erfüllt. Allerdings wurde Holsterhausen durch die Eingemeindung 1943 als Stadtteil doch noch städtisch.
Bald wird Holsterhausen Stadt,
Jupeidi, Jupeida.
Dieweil’s viele neue Straßen hat,
Jupeidiedum.Kannst da jetzt nicht mehr verwildern,
Schaust nur nach den gelben Schildern.
Jupeidi; Jupeida; Jupeidiadallala.
Jupeidi, Jupeida, Jupaidiadum.
[…]
Schau dann mal zur Rechten aus,
Dort steht’s neue Gotteshaus,
kurz vorm Krieg ist’s eingeweiht,
Drum ist groß auch unsere Freud.
[…]
Die neue Schule ist jetzt da,
Drum rufen kräftig wir Hurra!
Das große Werk ist nun vollbracht
Und allen es im Herzen lacht.
[…]
Rathaus und ein Bürgermeister,
Pittermann für unruhige Geister,
Und ein großes Stadttheater,
Anschluss auch für klares Water.
[…]
Wo bleibt Post und Eisenbahn,
Dass wir brauchen nicht weit gahn,
Nun ich denk, wir hoffen schon,
Das macht unsere Verkehrskommission.
[…]
Gut, dann bleiben wir noch Dorf,
Brauchen aber nicht des Bruches Torf,
Wollen uns von Baldur holen
Jetzt die dicken, fetten Kohlen.
Siehe auch:
Stadtteile