Hinrichtungen

1949 in Tübingen letzte Hinrichtung – Dorstener Hinrichtungsstätten

Am 18. Februar 1949 wurde in Tübingen die letzte von einem westdeutschen Gericht angeordnete Hinrichtung vollzogen. Ein Raubmörder wurde geköpft. Knapp drei Monate später wurde die Todesstrafe abgeschafft. Das Fallbeil fiel im Hof des Tübinger Gefängnisses um 6 Uhr morgens: Der Verurteilte 28 Jahre alte gelernte Mechaniker Richard Schuh hatte ein Jahr zuvor einen Lastwagenfahrer getötet, die Reifen von dessen Fahrzeug gestohlen – für den Raubmord sollte er nun mit dem Leben bezahlen. Am 18. Februar 1949 wurde an ihm das letzte von einem westdeutschen Zivilgericht angeordnete Todesurteil vollstreckt – durch Enthaupten. Zweifel an Täterschaft und Motiven kamen vor Gericht nicht auf. Das Schwurgericht Tübingen erklärte ihn des Mordes mit schwerem Raub für schuldig – „Todesstrafe“, verkündete die Justiz. Die Guillotine, mit der Richard Schuh am 18. Februar 1949 im Hof des Gefängnisses in Tübingen hingerichtet wurde, steht heute im Strafvollzugsmuseum Ludwigsburg. Während die Todesstrafe in Westdeutschland nur 95 Tage nach Schuhs Tod am 23. Mai abgeschafft wurde, galt sie in der DDR bis 1987.

Hinrichtungen: Galgenberg, Siechenkapelle, Marktplatz u. a.

Verschiedene Hinrichtungsarten ziehen sich durch die Geschichte der Todesurteile wie auch die Hinrichtungsstätten. In Dorsten gab es in früheren Jahrhunderten zwei offizielle Hinrichtungsstätten – am Galgenkamp (auch Galgenberg, Galgenhof genannt) zwischen Marler Straße und Kanal und an der Siechenkapelle. Der Galgenhof war ein Bauerngut, in dessen Bereich der Galgen stand (letzte Hinrichtung am Galgen 1699). Darüber hinaus wurde auch an anderen Orten in Dorsten hingerichtet – wie auf dem Marktplatz. Dort fanden immer wieder Hinrichtungen einzelner durch „Vierteilung“ statt. Im 16. Jahrhundert waren es Dorstener Frauen, die als „Hexen“ verurteilt wurden, darunter im Jahr 1588 die  Bürgermeisterwitwe Burich, deren Leiche dann auf dem Marktplatz ausgestellt wurde. Kellerräume des heute genannten Alten Rathauses am Marktplatz dienten als Zellen für die Hinzurichtenden. Nach dem Ersten Weltkrieg 1919/20 machte man gefangenen Kommunisten den Prozess und erschoss sie auf dem Marktplatz.
Ein anderer Hinrichtungsort war die Steinhalde der Zeche Baldur in Holsterhausen. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden dort 1945 vor allem Kriegsdienstverweigerer erschossen. Ebenfalls im bzw. am Militärgefängnis am Ostwall.
Die Gräfte um Schloss Lembeck war bis Ende des 16. Jahrhunderts Hinrichtungsort für Frauen, die als „Hexen“ verurteilt wurden. Im Schloss Lembeck war das Gericht untergebracht. Frauen, die man als „Hexen“ verdächtigte, wurden auf Anordnung des Richters in das Wasser des Schlossen geworfen. Gingen sie unter und ertranken, waren es keine „Hexen“. Blieben sie an der Wasseroberfläche und ertranken nicht, waren sie Hexen, denen der Teufel am Überleben half. Bekannt ist der Fall einer Lembecker Frau, die als Hexe bei lebendigen Leib am Schloss verbrannt wurde. Heute erinnert der sogenannte „Hexenkolk“ an jene Geschehnisse.
Einen „Galgenberg“ gab es auch zwischen Wulfen und Deuten (an der B 58). Dort wurden die Hingerichteten auch verscharrt. 1975 wurde der „Deutener Weg“ in „Galgenkamp“ umbenannt. Auch die 600 bis 800 Jahre alte Femeiche in Erle war Gerichtsort und Hinrichtungsort zugleich.
Gerichtlich verfügte Hinrichtungsarten gab es viele. Die gängigen waren Kopf mit dem Beil abschlagen, später mit der Guillotine, den Körper mit Pferden vierteilen, Erhängen am Galgen oder einem Galgenbaum, im Wasser ertrinken, bei lebendigem Leib verbrennen, erschießen.

Weiter mit der der Geschichte über den letzten Hingerichteten R. Schuh

Während Richard Schuh im Gefängnis auf seine Hinrichtung wartete, diskutierte die Politik in Bonn über die Abschaffung der Todesstrafe. Bei einer Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rats forderte der Justizminister des Landes Württemberg-Hohenzollern, Carlo Schmid (SPD) mit Erfolg, dem Töten von Amts wegen ein Ende zu setzen. Die Abschaffung der Todesstrafe wurde im Grundgesetz festgelegt.
Im damaligen Zwergbundesland Württemberg-Hohenzollern hatten die Gerichte seit der Kapitulation am 8. Mai 1945 bis zur Abschaffung 1949 fünf Todesurteile gesprochen, von denen das gegen Richard Schuh als einziges ausgeführt worden sei, so Hans-Joachim Lang, Professor für Empirische Kulturwissenschaft in Tübingen. Der Leichnam von Schuh sei nach der Hinrichtungsprozedur in einen Sarg gelegt und den Mitarbeitern des Anatomischen Instituts übergeben worden. „Ein Wendepunkt in der westdeutschen Justizgeschichte.“.

„Todesstrafe entspricht einem Bedürfnis nach Rache in der Bevölkerung“

Laut Amnesty International (AI) hat die Mehrzahl der Staaten in der Welt die Todesstrafe abgeschafft oder vollzieht sie nicht mehr. Dennoch gab es laut der Organisation im Jahr 2022 mindestens 883 Hinrichtungen in 20 Ländern. Am häufigsten wurde die Todesstrafe demnach in China, im Iran, in Saudi-Arabien, Ägypten und den USA vollstreckt – in dieser Reihenfolge. Im Jahr 2022 kamen die folgenden Hinrichtungsmethoden zur Anwendung: Enthaupten, Erhängen, Giftinjektion und Erschießen. Zum Jahresende 2022 hätten sich weltweit mindestens 28.282 Menschen im Todestrakt befunden. Die erste Hinrichtung in den USA im Jahr 2024 erregte besonders viel Aufsehen: Erstmals wurde ein zum Tode verurteilter Mensch mit einer neuen Stickstoff-Methode hingerichtet. Der 58 Jahre alte Kenneth Eugene Smith wurde in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Alabama mittels Stickstoffhypoxie exekutiert. „Die Todesstrafe entspricht einem archaischen Bedürfnis nach Rache in der Bevölkerung“, sagt Strafrechtswissenschaftler Jörg Kinzig, der Direktor des Instituts für Kriminologie der Universität Tübingen und Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie, Straf- und Sanktionenrecht ist.

Guillotine – In Frankreich Symbol der Revolutionszeit

„Es sollte einem Staat nicht erlaubt sein, einem seiner Bürger das Leben zu nehmen. Und wir haben ja nun in den USA eine Fülle von Beispielen, bei denen sich im Nachhinein herausgestellt hat, dass die betreffende Person die Tat, wegen der sie zu Tode gebracht wurde, hingerichtet wurde, gar nicht begangen hat“, sagt Kinzig. Es sei nicht hinreichend nachgewiesen, dass mit der Todesstrafe besondere generalpräventive Effekte verbunden seien.
In Frankreich wurde die Guillotine zum Symbol der Schreckensherrschaft der Revolutionszeit in Frankreich. Die Maschine hatte Hinrichtungen in Serie ermöglicht und wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts auch im Strafvollzug verschiedener deutscher Bundesstaaten – unter anderem in Bayern, Hamburg, Württemberg und Sachsen – nach und nach eingeführt. In Deutschland bestimmte damals das Reichsstrafgesetzbuch das Enthaupten mittels Guillotine als Exekutionsart für die zum Tode Verurteilten. Delinquenten, über die nach den Paragrafen des Militärstrafgesetzbuches die Todesstrafe verhängt worden war, wurden erschossen. – Foto: Hinrichtung 1902 in Frankreich.
Auch die Machthaber des Dritten Reiches ließen ihre Scharfrichter bei Todesurteilen in Strafprozessen mit der Guillotine arbeiten; politische Widersacher ließ Hitler später am Galgen hinrichten. Das Fallbeil stand auf deutschen Boden bis 1968 im Einsatz, und zwar in der DDR. Erst dann wurde Erschießen als Exekutionsart eingeführt.

Zur Hinrichtung des letzten zum Tode verurteilten Richard Schuh erklang das Totenglöcklein. „Die Glocke hat seit der letzten Hinrichtung keine Aufgabe mehr, wird also nie benutzt. Das alte Seil war auch verschwunden, bis man in den 1990er-Jahren ein neues (Draht-) Seil anbringen ließ. Außer zu Demozwecken bei Führungen ist die Glocke nicht mehr zu hören“, so der Leiter des Stadtarchivs Tübingen, Udo Rauch. Vor ein paar Jahren habe er eine in den USA lebende Tochter von Richard Schuh getroffen, die nach Tübingen angereist kam. Sie wollte sich im Stadtarchiv nach dem Schicksal ihres Vaters erkundigen und brachte ein Foto ihres Vaters mit.

Siehe auch: Mordkreuz Haane
Siehe auch:
Mord und Totschlag in Dorsten
Siehe auch:
Femeiche Erle
Siehe auch:
Hexenkolk
Siehe auch:
Mordkreuz Westgraben
Siehe auch:
Hexenverfolgung (Essay)
Siehe auch:
Hexenbuchen
Siehe auch:
Haus Ostendorf
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Wasserprobe


Quellen: Tatjana Bojic in Ruhr-Nachrichten vom 18. Februar 2024 und anderen Medien. – Wolf Stegemann in genannten „Siehe auch“-Artikeln des Lexikons.

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