Wie die Heilig-Geist-Kirche und der Glockenturm davor entstanden sind
Im früher stark katholischen Rhade steht seit 1966 am Dillenweg die evangelische Heilig-Geist-Kirche. Der außen wie innen schlichte Holzbau passt sich gut in die Wohnumgebung ein und gibt ihr wegen der architektonisch interessanten Form eines exponierten Spitzdaches eine besondere Note. Wegen dieser Fertigbauweise konnte später kein Glockenturm aufs Dach gebaut werden. Daher ist dieser dem Stil der Kirche angepasste Turm Jahre später vorgesetzt worden. Die Küsterin Olga Schmidt muss noch manuell das Glockenseil betätigen, wenn die Glocke die 1.200 Gemeindeglieder in Rhade zum Gottesdienst ruft. Die Rhader Evangelischen gehören zur Martin-Luther-Kirchengemeinde Holsterhausen.
Gottesdienste im Klassenraum
Wie woanders auch, so zogen nach dem Zweiten Weltkrieg Vertriebene aus dem protestantischen Ost- und Westpreußen sowie aus Pommern in ihre neue Heimat im Westen Deutschlands, die sie meist im Süden und Westen Deutschland fanden, der vor allem von Katholiken bewohnt war. Allerdings gab es vereinzelt bereits vor 1945 Protestanten in der Diaspora des südlichen Westfalens, das an das vermischte Ruhrgebiet stößt, wo Rhade liegt. Zu den Evangelischen im katholischen Rhade gehörten vor dem Krieg neben der Bauernfamilie Bubenheim, die allerdings schon hinter den Kirchgemeindegrenzen auf Heidener Gebiet wohnte, die Polizistenfamilien Dix und Bewernitz und manch anderer, der in der Chronik nicht besonders vermerkt ist. Mit dem Zuzug von Evangelischen aus den Ostgebieten änderte sich nach dem Krieg das Bild völlig. Es kamen nun auch evangelische Familien aus dem Ruhrgebiet hinzu. Aus Ostpreußen stammte Fritz Stasch (1919 – 1987), der mit seiner Familie bald nach dem Krieg nach Rhade kam. Im April 1948 wurde er als erster Rhader Presbyter und Küster der evangelischen Kirchengemeinde Holsterhausen eingeführt. In diesem Sommer konnte auch der erste evangelische Gottesdienst provisorisch in der Rhader Urbanusschule gefeiert werden. Am 3. Mai 1951, es war der Himmelfahrtstag, wurde der erste Gottesdienst in einem eigens eingerichteten Raum in der alten Rhader Schule abgehalten.
Über 25 Jahre lang war Fritz Stasch Presbyter und Küster
Fritz Stasch, der über 25 Jahre lang als Presbyter und dann auch das Küsteramt innehatte, kümmerte sich auch um die Protestanten in Erle, wo Pfarrer Krüsmann aus Holsterhausen – ebenso wie in Rhade – Gottesdienste abhielt.
200 DM stiftete der katholische Pfarrer in Rhade für die 40 Stühle
Im bereits erwähnten provisorisch hergerichteten Raum in der Urbanus-Schule fingen die Gottesdienste an. Fritz Stasch erinnerte sich: „Da wurde ein alter Ofen aufgestellt, den ich schon immer in aller Frühe anheizen musste, den Altar erhielten wir von Marl, der Schreinermeister Schäpers baute die Kanzel und der katholische Pfarrer Debbing spendete 200 DM für 40 Stühle.“
Pfarrer Krüsmann erinnerte sich zeitlebens mit großer Dankbarkeit an den ökumenisch stark eingestellten katholischen Kollegen Debbing, der half, wo er konnte. Es gab auch schwerere Zeiten für die kleine evangelische Gemeinde in Rhade. Zweitweise musste der Kirchraum wieder von der Schule benutzt werden. Dann verschwanden die Stühle und die sonntägliche Gottesdienstgemeinde musste auf Kinderstühlen und in engen Schulbänken Platz nehmen, später zeitweise sogar in einen Kellerraum umsiedeln.
Unter Pfarrer Schmidt – in den Jahren 1958 und 1960 – wurde der Kirchsaal in Rhade renoviert. Pfarrer Theodor Waschke, der für fünf Jahre nach Holsterhausen, Rhade und Erle kam, und vor allem Pfarrer Schneider, der ihm im Amte folgte, wollten den unhaltbaren Zustand in Rhade ändern. So beschloss das Presbyterium 1965 den Kirchbau. Die Gemeinde kaufte das Gelände am Dillenweg und fasste im September 1966 den Baubeschluss: „Der Bau einer versetzbaren Kleinkirche auf dem Grundstück der Kirchengemeinde in Rhade soll von der Fa. Nachbarschulte zum Festpreis von 79.500 DM zuzüglich 2.152 DM für die Verlegung eines Mipola-Fußbodens ausgeführt werden.“ Die endgültigen Kosten waren mit 110.033 DM einschließlich der Innenausstattung und der Außengestaltung wesentlich höher. Sie wurden aus Beihilfen der Landeskirche in Höhe von insgesamt 44.000 DM, aus anderen Zuschüssen und Spenden und einer Eigenleistung der Kirchengemeinde in Höhe von 57.161 DM bestritten.
Bischof Reinhard Lettman zu Besuch
Geweiht wurde die Kirche am 27. November 1966, es war der 1. Advent. Viele der damaligen rund 600 Gemeindeglieder haben damals kräftig angepackt. Die erste Konfirmation feierten die Rhader im April 1969 und 1974 konnte ein kleines Gemeindehaus für 125.000 DM angebaut werden. Zu einer selbstständigen Kirchengemeinde durch Zusammenlegung von Erle und Holsterhausen kam es nicht, da Rhade nicht genügend Gemeindeglieder hatte. 1970 zählte Erle gerade 47 evangelische Einwohner. Im Zuge der kommunalen Gemeindereform von 1975 wurden Rhade und Erle der Holsterhausener Gemeinde zugesprochen. Die Fülle der Aufgaben in Rhade blieben bei den Rhadern: Frauenhilfe, Jugendarbeit, Ökumenischer Frauenchor, Ökumenischer Seniorenkreis, Flüchtlingshilfe Lembeck-Rhade, Förderverein Heilig-Geist-Kirche und viele andere Aktivitäten. Der prominenteste Besucher der evangelische Heilig-Geist-Kirche in Rhade war wohl Bischoff Lettmann von Münster, der am 17. September 1989 der evangelischen Gemeinde seine Aufwartung machte, als die katholische St. Urbanus-Kirche 500 Jahre alt wurde. – Da hat die evangelische Kirche in Rhade noch ein paar Jahre hin.
Quelle:
Wolf Stegemann, Gemeindebrief der Martin-Luther-Kirche Dorsten-Holsterhausen, Sept. 2016