Haushaltsentwurf 2025

Kämmerer nennt Entwicklung „bestürzend“ – Defizit von 26,6 Millionen Euro

Der  Haushaltsentwurf, den Karsten Meyer am 25. September 2024 im Dorstener Rat eingebracht hatte, hat in der Vierjahres-Prognose das zweitschlechteste Ergebnis in der Geschichte Dorstens. Für den Kämmerer war er die „persönlich schlimmste Erkenntnis“: „Wir haben gar nicht mehr das Potenzial, das zu konsolidieren“. Sich mit eigenen Mitteln aus dem Sumpf zu ziehen, werde nicht mehr gelingen, so der Kämmerer im Vorgespräch mit der Presse. Ein Defizit von 26,6 Millionen Euro im Jahr 2025 muss Meyer verkünden, aber das Land stellt zwei „Tricks“ den Kämmerern zur Verfügung, „damit die Städte nicht in diesem oder im nächsten Jahr umkippen“: Globaler Minderaufwand und Verlustvortrag.
Globaler Minderaufwand bedeutet: Der Kämmerer darf davon ausgehen, dass nicht alle eingeplanten Gelder 2025 wirklich ausgegeben werden. Zwei Prozent der normalen Aufwendungen darf er so aus dem Ergebnis herausrechnen – mit dem Druck, dass das Geld dann aber auch tatsächlich nicht ausgeben wird. Mit dem zweiten „Trick“, dem Verlustvortrag, können Kommunen Haushaltsdefizite eines Haushaltsjahres über einen begrenzten Zeitraum (maximal drei Jahre) mit Überschüssen in Folgejahren verrechnen.

Defizit nach unten gedrückt

Mit diesen beiden Effekten konnte Meyer den Entwurf für 2025 auf ein Ergebnis von rund 22 Millionen Euro Minus drücken. Das Gesamtdefizit liegt in der Prognose 2025 bis 2028 aber bei minus 126,5 Millionen Euro. Im Laufe des Jahres 2027 erwartet der Kämmerer, wenn keine Hilfe von außen kommt, die bilanzielle Überschuldung, weil das Eigenkapital (jetzt 72 Millionen Euro) aufgezehrt wäre. Und dann bei minus 54,5 Millionen Euro liegt. Die Summe der Liquiditäts- und Kassenkredite steigt von 88 auf fast 180 Millionen Euro.
Durch die beiden genannten „Tricks“ wird das planerische Defizit aber auf 102 Millionen Euro gedrückt, sodass knapp 21 Millionen Euro Eigenkapital erhalten blieben. Bilanziell könnte die Überschuldung damit bis 2028 vermieden werden.
Bereits 2023 hatte Karsten Meyer schon von einem Ertrinkenden gesprochen, als er die Situation Dorstens beschrieb. Und einen „Giftschrank“ geöffnet: Mit Einsparvorschlägen, die er zum Teil selbst ablehnte. Dieses Mal werde er solche Sparvorschläge nicht machen, sagt Meyer. Denn diese müssten schließlich die 6 Millionen Euro übersteigen, die er beim Globalen Minderaufwand geltend macht. Und man habe sich im Vorfeld bereits jede Planposition im Haushalt angeschaut und auf Sparpotenzial geprüft. „Unter Schmerzen“ habe man 1,24 Millionen Euro so noch herausrechnen können. Doch die sind ebenso wie die 10 Millionen Euro, die als Jahresabschluss für 2023 übrigblieben, nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Dramatische Zahlen

Wie kommt es zu den dramatischen Zahlen? Eigentlich war man auf einem guten Weg, war beim Schuldenabbau im Kreis auf einem der Spitzenplätze, sagt Bürgermeister Tobias Stockhoff. Dorsten wird nun aber sechs Millionen Euro weniger Schlüsselzuweisungen vom Land bekommen, da die Stadt als stark bei der Gewerbesteuer gilt. Die Personalkosten steigen aufgrund der Tarifabschlüsse um 8,4 Millionen Euro. 0,5 Millionen Euro Personalkosten zusätzlich wurden durch die Entscheidungen im Rathaus ausgelöst, aber alle zusätzlichen Kosten seien durch gesetzliche Vorgaben entstanden, sagt Meyer. Die Transferaufwendungen steigen um 7,5 Millionen Euro. Da gebe es zwei Hauptkostentreiber, so Meyer: die Unterhaltung und Betriebskosten von Kindergärten sowie die Aufwendungen für die Jugendhilfe. Eher ein rechnerischer Effekt ist derzeit, dass der umgebaute Treffpunkt Altstadt nach dem „bilanziellen Inbetriebnehmen“ für mehr Abschreibungen sorgt.

Mehr Kassenkredite nötig

Mit den Kämmerern im Kreis Recklinghausen ist Meyer im Kontakt. Die schlechten Zahlen träfen „alle in gleicher Weise“. Das erwartete Defizit der Kommunen im Kreis wachse von 2025 bis 2028 auf 1,2 Milliarden Euro an. In NRW erwarteten 61 Prozent der Kommunen, dass sie 2028 in der Haushaltssicherung sind, wahrscheinlicher sogar im Nothaushalt. Auch, weil laut Meyer in NRW im Vergleich zum Schnitt der Bundesländer der „Kommunalisierungsgrad“ (57,2 Prozent) fünf Prozent höher liege. Heißt: In den NRW-Kommunen werden deutlich mehr Aufgaben erledigt als in anderen Bundesländern – was natürlich auch mehr kostet.Dass Dorsten die mehr als 10 Millionen Euro Ausgaben, die im Zuge von Corona und Ukraine-Krieg angefallen sind, aufgrund eines besonderen Effekts (Auflösung von Drohverlustrückstellungen) auf einen Schlag zurückbezahlen kann, hatte Meyer selbst vorgeschlagen. Zwei Einmaleffekte hätten sich so gegenseitig ausgelöscht. Jetzt muss er diesen Vorschlag aber zurückziehen. Corona- und Kriegs-Kosten würden von den nächsten Generationen über die nächsten 50 Jahre gestreckt abzuzahlen sein: 170.000 Euro jährlich. Würde man die Corona-/Ukraine-Kosten sofort ablösen, würde man laut Stockhoff sofort in die Haushaltssicherung abrutschen: „Vielleicht die ehrlichere Variante.“ Er erwartet eine heftige Diskussion in der Politik: „Wollen wir uns ehrlich machen und noch über ein Jahr retten, oder nicht?“

Bürgermeister:  „Katastrophe“

Stockhoff bettet das Thema in eine größere „Katastrophe“ ein, auf die die Gesellschaft zusteuere. Demografisch, weil deutlich mehr Menschen in Rente gehen, als an Arbeitnehmern nachkommen. Aber auch sozial, ökonomisch und ökologisch. Viele Menschen würden dies ignorieren. Fakt sei aber, dass alle Leistungen, die jetzt zusätzlich beschlossen würden, von immer weniger Menschen erledigt und finanziert werden müssten. „Die Menschen sind noch in ihrer Blase“, sagt Stockhoff. Auf lokaler Ebene beispielsweise die Gewerbesteuer zu verdoppeln, um die finanziellen Probleme der Stadt zu lösen, kommt für Stockhoff nicht infrage. „Das kann nicht die Antwort sein.“ Er spricht sich dafür aus, dass vor allem im Bund keine neuen Standards beschlossen werden dürften, für Entbürokratisierung, eine Vereinfachung des Vergaberechts.

Siehe auch: Städt. Haushalt (Arikelübersicht)


Quelle: DZ vom 26. September 2024

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