Sein Glaube an das Gute in der NS-Bewegung wurde stark enttäuscht
1878 in Hordel (Bochum) bis 1955 in Bochum; Studienrat. – 42 Jahre lang war der Gymnasialprofessor von 1904 bis 1946 am Progymnasium Dorsten/Gymnasium Petrinum tätig. Er erlebte in dieser Zeit den Ersten Weltkrieg und den Untergang des Kaiserreichs, die Spartakisten-Unruhen und die Besetzung der Stadt durch die Rote Ruhrarmee sowie durch die Freikorps, die Weimarer Republik mit dem Demokratisierungsversuchen, die belgische Besetzung, die nationalsozialistische Zeit und den Zweiten Weltkrieg. Er war ein Zeitzeuge Dorstener Geschichte par excellence. Generationen von Schülern brachte er das Wissensrüstzeug fürs Leben bei. – Als Schüler besuchte er von 1888 bis 1893 das Gymnasium in Gelsenkirchen und bis 1897 das Gymnasium in Paderborn studiert anschließend in Münster und Würzburg, legte 1901 wiederum in Münster die philosophische Staatsprüfung ab, die zum Lehramt an höheren Schulen berechtigte und erwarb 1904 in Gelsenkirchen und Bochum das Zeugnis zur Anstellungsfähigkeit, mit dem er im gleichen Jahre seine Lehrtätigkeit in Dorsten begann – und die er mit Versetzung in den Ruhestand 1946 beendete.
Der NSDAP und dem NS-Lehrerbund trat Haunerlamnd im Mai 1933 bei
Der NSDAP trat er mit der Mitgliedsnummer 2.474.665 bereits am 1. Mai 1933 bei, ebenfalls dem NS-Lehrerbund und 1935 dem Reichsluftschutzbund. Dem Deutschen Rotes Kreuz gehörte er schon vor 1933 an, ebenso seit Januar 1932 dem Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA). Seit 1901 bis zu dessen Auflösung war er Mitglied im Wissenschaftlichen Katholischen Studentenverein Münster, seit 1919 bis zur Auflösung auch dem Bund Deutscher Bodenreformer, seit 1922 dem Konsum-Verein Wohlfahrt Dorsten und seit 1925 der gemeinnützigen Siedlungsgemeinschaft Dorsten. Vor 1933 gehörte Johann Haunerland während der Stresemann-Zeit der Deutschen Volks-Partei (DVP) an. 1932 und im März 1933 wählte er die Zentrums-Partei. Der Geschichts- und Deutschlehrer Haunerland war bodenständig. Reisen waren ihm ein Gräuel. Daher reiste er nicht. Auch übernahm er in keinem Verein oder Verband eine Funktion. Weder vor noch nach 1933. Im September 1945 wurde Johann Haunerland von der Militärregierung Recklinghausen wieder zum Schuldienst zugelassen und drei Monate später vom Oberpräsidenten mit Zustimmung der Militärregierung in den Ruhestand versetzt. Zugleich stellte der Oberpräsident von Westfalen bei der Militärregierung einen Antrag auf Weiterverwendung des pensionierten Studienrats als Sonderlehrer für Kriegsteilnehmer. Daraufhin musste er erneut den berüchtigten Fragebogen zur Entnazifizierung ausfüllen, was ihm zunächst eine Außerdienstsetzung aus politischen Gründen und finanzielle und politischen Beschränkungen einbrachte. Dagegen erhob er Einspruch.
Johann Haunerland trat in die NDSAP freiwillig ein, ehe Druck ausgeübt wurde, aber, wie er schreibt, „auch erst, als die Partei auf verfassungsmäßigem Wege durch die Entscheidung des Volkes und die Zustimmung des Reichstages die Macht im Staate gewonnen hatte“. Haunerland vertraute damals der nationalsozialistischen Bewegung.
„Bei aller Ablehnung von Verstiegenheiten und Maßlosigkeiten wie Rassenlehre und Biologismus, glaubte ich doch hier Kräfte am Werke zu sehen, die, genährt vom Idealismus, selbstloser Liebe zum Volk und Land, bewegt von einem leidenschaftlichen Willen, in Ehrlichkeit und sauberer Gesinnung die wirtschaftliche Not der Zeit und darüber hinaus das verhängnisvolle alte Gebrechen unseres Volkes, der Bruderhass in seinen mannigfachen Gestaltungen von innen heraus würden überwinden können.“
Im Jahre 1933 bereits 55 Jahre alt, vertrat Haunerland diesen „edlen“ Glauben an den Nationalsozialismus zu einer Zeit, als Juden bereits verfolgt und etliche bereits außer Landes getrieben wurden. Doch nach 1945 gehörte Haunerland zu den wenigen, die sich zu ihrem Irrtum bekannten:
„Dass dieser Glaube ein Wahnglaube war, ein beklagenswerter Irrtum, dass hier hohe Gedanken […] missbraucht wurden, um nackte Machtgelüste zu verbergen, enthüllte sich erst später; vollends die entsetzlichen Verbrechen, die jeden anständigen Deutschen auch unter den PG [Parteigenossen] mit bitterer Scham über die Schändung des deutschen Namens erfüllen, sind ja erst nach dem Zusammenbruch bekannt geworden.“
Über Rechtsbrüche hinweggeschaut
Bei allem Respekt, dass Haunerland sich zum Irrtum bekannte, wäre die Frage an ihn berechtigt, ob er denn die vielen Rechtsbrüche nicht schon vorher gesehen hatte, als während der Röhm-Affäre 1934 Menschen ermordet, in der so genannten Reichspogromnacht 1938 Juden erschlagen und Synagogen abgebrannt sowie Juden in aller Öffentlichkeit deportiert wurden? Wie bei so vielen Christen waren damals Juden außerhalb ihres Blickfelds geraten. So mögen sie auch bei Haunerland nicht mehr wahrgenommen worden sein, nicht aber deren Literatur. Als er von seinem Direktor Dr. Bernzen den Auftrag bekam, die verschiedenen Büchereien des Gymnasiums zu säubern, hat Haunerland nach eigenen Angaben verfemte Bücher jüdischer und katholischer Schriftsteller nicht vernichtet, sondern die Werke von Werfel, Mann, Gundolf, Janssen u. a. teilweise in seiner Wohnung aufbewahrt. Der spätere Religionsphilosoph Robert Spaemann, Schüler am Gymnasium Petrinum, attestierte 1946 in einem mehrseitigen Schreiben:
„Herr Professor Haunerland war für uns eine Verkörperung des anderen Deutschland. Es würde daher überaus befremdend und schmerzlich wirken, wenn nun, da dieses Deutschland allmählich zu erwachen beginnt, Herr Professor Haunerland zu denen gezählt würde, die ihn selbst nicht haben zu sich zählen dürfen. Wir geben der festen Hoffnung Ausdruck, dass ihm recht bald die verdiente Rehabilitierung zuteil und seine Entlassung sowie die Entziehung des Ruhegehalts rückgängig gemacht wird.“
Diese Eingabe Robert Spaemanns unterzeichneten 55 ehemalige Schüler. Johann Haunerland wurde rehabilitiert. Er starb 1955 in Bochum.