Ab dem Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert in Zünften streng organisiert
„Es sint handwerck darumb erdacht,
daß jedermann sein täglich brot damit gewinnt.“
Reformatio Sigismundi, 1483
Um 1400 gab es in Dorsten sieben Gilden, in denen die Gewerbetreibenden organisiert waren; neben Handeltreibenden auch Handwerker, wie Wollweber, Schneider, Schmiede, Pelzer, Schuhmacher und Fleischhauer. Die Gildenregeln schützten die Mitglieder, die selbst strengen Regeln unterworfen waren, vor fremder Konkurrenz. Eine frühe Aufstellung weist Mitgliederzahlen aus, die das Verhältnis zwischen den Kaufleuten und Handwerkern deutlich machte: Kaufleute 121, Bäcker 36, Schuhmacher 27, Wollweber 25, Leineweber 19, Schmiede 17, Schneider elf. Ende des 17. Jahrhunderts ist der Niedergang der Gilden erkennbar. Mitgliedschaft und Meistertitel konnten gekauft werden, Kaufleute verdrängten Handwerker immer mehr. Als Stahl und Eisen aufkamen, ging der Holzschiffbau zurück. Auch die Herstellung von Tuchen ist durch die mechanischen Webereien verdrängt worden. Allerdings hatten die um 1800 in Dorsten errichteten Baumwollfabriken am Ende des Jahrhundert keinen Bestand mehr, und auch die Tabakfabriken, die um 1750 in Aufschwung gekommen waren, hatten hundert Jahre später keine Bedeutung mehr.
Gemeinschaften bestimmten die öffentliche Ordnung
Wie die organisatorischen Anfänge des mittelalterlichen Handwerks aussahen, lässt sich nicht mehr bis in alle Einzelheiten feststellen. Es ist aber bekannt, dass von Anfang bis Ende des Mittelalters die öffentliche Ordnung von Gemeinschaften religiöser und wirtschaftlicher Art getragen wurde. Ein Leben außerhalb dieser Gemeinschaften war nicht möglich. Zu ihnen gehörten die handwerklichen Bruderschaften auf religiös-karitativer Grundlage. Aus der Praxis dieser nach Berufszugehörigkeit erfolgten Zusammenschlüsse ergab sich die Versorgung der Bürgerschaft.
Die demokratischen Rechte mussten sich die Handwerker dann allerdings in Jahrhunderte langem Ringen, das nicht immer unblutig vor sich ging, erkämpfen. In den Städten Einfluss zu nehmen. Stand dem Handwerk insofern zu, als es die Hauptmasse der Bevölkerung darstellte und militärisch die Hauptlast trug. Entscheidend blieben dabei immer die religiös fundierte Ethik des mittelalterlichen Handwerkertums und die gemeinschaftsbewusste Selbstbeschränkung dieses Standes. Gearbeitet wurde nach dem Grundsatz, dass jedem Meister das Einkommen gewährleistet sein musste. Es durfte jedoch nicht höher sein als zur standesgemäßen Versorgung der Familie notwendig war. „Und gib uns unser täglich Brot”, mit dieser Bitte aus dem Vaterunser war der Maßstab für den Lebensstandard gegeben.
Magistrat bestimmte die Preise lebensnotwendiger Erzeugnisse
Nachdem die Zünfte seit Beginn des 12. Jahrhunderts feste Formen angenommen hatten, umrissen sie mit ihren Ordnungen die Grenzen, innerhalb deren sich das Handwerk zu einem mehr oder weniger wohlhabenden Bürgertum entwickeln konnte. Dem Meister wurde vorgeschrieben, dass er nicht mehr als zwei oder drei Gesellen und einen Lehrling haben durfte. Durch die Zunftdisziplin wurde alles auf den Leistungswettbewerb ausgerichtet. Die Preisbildung für lebensnotwendige Erzeugnisse erfolgte durch den Magistrat. Es wurde im alten Handwerk hart gearbeitet. Die Arbeitszeiten betrugen 12 bis 16 Stunden am Tag. Allerdings lieferten die häufigen Feiertage einen nicht unerheblichen Ausgleich. Um 1400 gab es rund 110 Sonn- und Feiertage. Auch damals waren schon Bestrebungen zur Verkürzung der Arbeitszeit im Gange. Sie gingen von den Gesellen aus. Es kam ihnen weniger auf den Stundentag an, als auf die wöchentliche Norm. Jahrhunderte lang ging auch der Streit um den „blauen Montag”, die mittelalterliche Version des heutigen freien Wochenendes. Was den Lohn anging, so bestand zwischen Meister- und Gesellenlohn kein allzu großer Unterschied. In den Zunftsatzungen werden Verhältnisse von 10 : 8 oder von 18 : 14 angeführt. Das Verhältnis zwischen Meister und Geselle war aber durch strenge Vorschriften geregelt. Meister, die sich nicht daran hielten, wurden von der Zunft zur Rechenschaft gezogen. Dasselbe galt für die Gesellen. Dem sich im Handwerk entwickelnden Recht lagen die alten Sitten und Gebräuche zugrunde. Die lebendigste Zeit dieses Rechts lag dort, wo es noch nicht in Satzungen gekleidet war, also vor dem 12. Jahrhundert.
Gemeinschaften bestimmten die öffentliche Ordnung
Gesellen und Lehrlinge waren stets Glieder der Meisterfamilie. Hier war das Verhältnis patriarchalisch geordnet. Wenn eben möglich, heiratete der Geselle in die Familie ein. Jedoch sollte er nicht eher heiraten, als bis er Meister geworden war. Mit dem wachsenden Reichtum der Zünfte stieg auch der Wunsch nach eigenen Häusern, den Zunfthäusern. In ihnen wurde die „Morgensprache” abgehalten und die Geselligkeit gepflegt. Hier waren auch die Arsenale für die zur Verteidigung notwendigen Waffen untergebracht: Äxte, Schwerter, Spieße, Hellebarden, Sturmhauben und Harnische. Das wichtigste Requisit der Zunfthäuser war aber die Zunftlade, in der Urkunden, Rechnungsbücher, Rentenbriefe und Amtsprivilegien aufbewahrt wurden. Die Unterhaltung der Zunfthäuser war in den Statuten geregelt. Aus zahlreichen Dokumenten geht hervor, dass die Zunfthäuser stets der Stolz der Zünfte waren, sie wurden aber auch oft als Belastung empfunden.
Ohne absolvierte Wanderschaft nur ein „Gnadenmeister“
Von einem jungen Meister erwartete man, dass er seine Lehr- und Gesellenzeit absolviert hatte und in der vorgeschriebenen Wanderzeit zu einem ordentlichen Mann herangereift war. Wer aus irgendwelchen Gründen nicht auf die Wanderschaft gehen konnte, wurde zwar auch Meister, aber nur „Gnadenmeister“. Er konnte nie Vorsteher einer Zunft werden. An seinem Haus wurde bei Umzügen die Zunftlade nicht abgesetzt, sondern vorüber getragen. Gesondert von den Meistern hielten die Gesellen ihre eigenen Versammlungen ab. Sie nannten sie „Auflage“, weil bei dieser Gelegenheit die Beiträge „aufgelegt“ wurden. Immer wieder pochten die Gesellen auf ihr Recht. Daher kam es während des ganzen Mittelalters zu Störungen des Arbeitsfriedens.
Die zum Handwerk gehörenden Frauen übten ihre Tätigkeit an der Seite des Mannes aus. Ein kleinerer Teil arbeitete auch selbstständig. Frauenarbeit fand geringere Beachtung als die der Männer. Als man später die Frau als Konkurrenz entdeckte, suchte man sie aus den handwerklichen Berufen zu verdrängen. Der Kampf gegen das Pfuschertum begann schon im frühen Mittelalter. Den „Schwarzarbeitern“ hängte man bestimmte Namen wie Strohschneider, Winkeltischler, Stümper, Hudler oder Bönhase an. Solche „Bönhasen“ wurden von den Zünften verfolgt und gejagt. Die übliche Redensart „Jemanden das Handwerk legen“ hat ihren Ursprung in der schärfsten Zunftregel, die gegen einen Meister angewendet werden konnte, wenn dieser wegen eines Vergehens verurteilt worden war. Dann wurde seine Werkstatt geschlossen und dem Handwerker das Werkszeug weggenommen.
Die verfemten, unehrlichen, echtlosen und rechtlosen Berufe
Für eine ganze Reihe von Personen gab es in der fest gefügten, gestuften Lebens- und Standesordnung des abendländischen Mittelalters keinen Platz. Zu den unehrlichen, rechtlosen, berüchtigten, verleumdeten, wandelbaren Leuten zählten unter anderem die Leibeigenen, Unfreien, die unehelich Geborenen.
Bei den standeslosen Berufen (anruchtig und rechtelos) gab es drei Unterscheidungen: 1) Gerichts-Unfähigkeit, 2) Unfähigkeit zur Eigentumsverfügung und 3) Rechtlosigkeit an Leben und Gut (=Friedlosigkeit). Diese Berufe waren nicht zunftfähig. Ihre Vertreter lebten lange Zeit missachtet am Rande der bürgerlichen Welt. Den verstoßenen Berufen war es gewöhnlich verboten, Ehen mit Angehörigen der „ehrlosen“ Berufe einzugehen. An der Spitze der Bemakelten stand der Scharfrichter oder Henker mit seinen Schergen. Ihm folgten Amtsbüttel , Gefängniswärter, Gerichtsdiener (mit der Nachtrichterei zusammenhängend), Totengräber, Abdecker, Schäfer und Hirten, Müller, Leineweber, Töpfer, Ziegler, Türmer, Nachtwächter, fahrende Gaukler und Spielleute, Marktschreier und Zahnzieher, Freudenmädchen, Bader und Barbiere, Wurzelkrämer, Bettelvögte, Hundshaut-Gerber und Schweineschneider. Die den Zöllnern gelegentlich nachgesagte Unehrlichkeit war wohl theoretische Fiktion: der Bibel entnommen, keine Lebenspraxis. Die Anrüchigkeit des Schauspielers, die bis ins 18. Jahrhundert hinein als „fable convenue“ feststand, weiß man heute nur noch aus der Literatur- und Theatergeschichte. Als die berühmte Mimin Karoline Neuber 1760 gestorben war, musste man ihren Sarg über die Friedhofsmauer heben. Denn der Priester in Leuben in Sachsen hatte das Öffnen der Tore beim Leichenbegängnis auf das strengste untersagt. Die meisten jener im Mittelalter bemakelten Handwerke und Künste rechnen seit einigen Jahrhunderten zu den durchaus ehrenwerten Beschäftigungen.
Niedergang des Handwerks schon ab dem 16. Jahrhundert
Mit dem zunehmenden Reichtum und dem steigenden Luxusbedürfnis der Bürger hielten Entwicklung und Leistungsfähigkeit des Handwerks ständig Schritt. Höhepunkt war das goldene Zeitalter mit den großen Handwerkerpersönlichkeiten Hans Sachs, Adam Kraft, Peter Vischer, Tilman Riemenschneider und Veit Stoß. Schneller als erwartet, zeigten sich bereits im 16. Jahrhundert die Schatten des Niedergangs. Der neue Seeweg nach Ostindien, die Entdeckung Amerikas und der Strukturwandel taten dem Handwerk erheblichen Abbruch. Die Zünfte, mehr und mehr verkrustet und in ihren Gesetzen erstarrt, wurden schließlich durch Gesetze zerstört. Man nahm ihnen das Recht, Anordnungen zu treffen, ohne vorher die Obrigkeiten zu fragen. Der Staat wollte selbst die Regelung des Innungswesens übernehmen und für Zunftordnungen, Bestimmungen und Strafen zuständig sein. So sanken die Zünfte – in Dorsten vor allem die Schiffbauer – von der Höhe ihrer Macht und Herrlichkeit mit all ihren Sitten und Gebräuchen zur Bedeutungslosigkeit herab. Die Einführung der Gewerbefreiheit im 19. Jahrhundert gab ihnen schließlich den Gnadenstoß (siehe Gildewesen; siehe Gewerbe und Industrie).
Töpfer. Dieses Handwerk ist zwar nicht mehr in der Lage, den Massenbedarf zu decken, aber immer noch fällt ihm eine hohe künstlerische Aufgabe zu. Schon die Menschen in der Frühzeit der Geschichte haben das erkannt, als sie einfache Irdenwaren aus Ton für den täglichren Hausgebrauch herstellten. Ausgrabungen am Kreskenhof und Haus Hagenbeck in Holsterhausen aus der Römerzeit sowie Funde von vielen tausend Tonscherben beim Wiederaufbau der durch Bomben 1945 zerstörten Innenstadt Dorsten geben davon Kenntnis.
Bäcker. Wann und wo die ersten Bäckerzünfte gegründet wurden, lässt sich nicht genau ermitteln. Im 12. Jahrhundert werden sie in einer Urkunde des Kaisers Heinrich V. bereits erwähnt. Im Augsburger Stadtrecht von 1276 werden ihre Rechte und Pflichten eingehend umschrieben. Wer als Meister anerkannt und aufgenommen wurde, musste dem Rat Gehorsam schwören und einen Eid leisten, nie gegen die Brotordnung verstoßen zu wollen. In manchen Städten wurde dieser Schwur alljährlich erneuert. Grundsätzlich durften Bäcker nur für den eigenen Bedarf Korn einkaufen. In Zeiten der Teuerung stellten Städte und Gemeinden Brotgetreide aus eigenen Vorräten zur Verfügung. Die Brotpreise wurden in so genannten Brotbescheiden festgelegt. Mit diesem Brotbescheid waren die Bäcker häufig unzufrieden, glaubten sie doch, dass die gestiegenen Kosten für Getreide, Brennholz, aber auch die Löhne für die Backknechte oder der Mietzins für die Backhäuser nicht immer ausreichend berücksichtigt worden seien.
Während des Mittelalters waren die Bäcker unterteilt in Weiß- und Schwarz-, in Süß- und Sauerbäcker. Die Schwarz- und Sauerbäcker backten alle Roggen- und halbweißen Brotsorten, während die Weiß- oder Süßbäcker alle Hefeteig- und Milchbrotwaren einschließlich der Kuchen zu liefern hatten. In Nürnberg wurden seit dem 15. Jahrhundert die Lebküchler bekannt. Im städtischen Regiment nahm das Bäckerhandwerk von jeher eine wichtige Rolle ein. Überall in den Städten saßen angesehene Vertreter der Bäckerzunft im Rat. Im 17. Jahrhundert gewannen die Kuchenbäcker an Bedeutung. Ihnen oblag die Herstellung verschiedener Kuchenarten, aber auch des Pfefferbrotes und des Pfefferkuchens.
Die Schreiner waren laut Zunftsatzung verpflichtet, bei allen Beerdigungen, zu denen sie die Särge geliefert hatten, auch die Totenschau zu halten. Es war ihnen vorgeschrieben, dass sie die Toten im Sarg „unter der Rippe und auf dem Bauch noch einmal zu betasten hätten, ob an diesen auch keine Wärme mehr zu verspüren sei“. Denn die behördliche Totenschau war noch unzulänglich. Die Schreiner hatten auch dafür zu sorgen, dass keine Blumen in oder auf den Sarg gelegt wurden. Ließen sie es dennoch zu, mussten sie eine empfindliche Buße zahlen.
Das Schmiedehandwerk gehört zu den ältesten. Es errang seine Vormachtstellung bereits in der Frühgeschichte, als sich die Bearbeitung des Eisens vervollkommnet und durchgesetzt hatte. Als Schmuckmaterial wurde Eisen in Westfalen erstmals in der spätromanischen Zeit verwendet. Der Schmied war ein angesehener Mann in der Stadt und hatte stets eine große Rolle im Gemeindeleben gespielt. Erinnert sei an „Wieland dem Schmied“. Von den deutschen Familiennamen, die auf die Berufsbezeichnung Schmied zurückgehen, stehen die Adressbücher voll.
Das Schiffbauerhandwerk gedieh in Dorsten zu voller Blüte und brachte der Stadt großes Ansehen (siehe Schiffbauerhandwerk).
Die Gordulagasse weist heute noch auf den einst dort stattgefundenen Gold-Markt hin. Dort hatten die Dorstener Goldschmiede ihre Werkstätten. Die Zunftverzeichnisse des 14. Jahrhunderts weisen Goldschmiedezünfte in den meisten deutschen Städten nach. Denn das frühe Mittelalter wurde von der Nachfrage nach kostbaren Reliquiaren bestimmt (siehe Gordulagasse).